
Schon in den vergangenen Tagen hatten einige Medienberichte, welche die Wirksamkeit der AstraZeneca-Vakzine bei Älteren anprangerten für großen Aufruhr gesorgt. Gerade einmal bei acht Prozent dieser Altersgruppe würde der Impfstoff eine Wirkung zeigen, schrieb das »Handelsblatt«.
Wirksamkeitsdaten bei Älteren
AstraZeneca hatte die Berichte umgehend dementiert und verwies unter anderem darauf, dass die Notfallzulassung der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) ältere Menschen mit einschließe. Seit dem 29. Dezember 2020 ist AZD1222 in Großbritannien unter dem Namen »COVID-19 Vaccine AstraZeneca« zur aktiven Immunisierung von Personen ab 18 Jahren ohne Altersgrenze nach oben zur Vorbeugung von COVID-19 zugelassen.
Der Pharmakonzern verwies weiterhin auf eine Phase-II/III-Studie (COV002) mit 560 Probanden, die untersuchte, wie immunogen und sicher der Impfstoff in drei Altersgruppen (18 bis 55 Jahre, 56 bis 69 Jahre, über 70 Jahre) ist: 160 Probanden waren zwischen 18 und 55 Jahre alt, weitere 160 Probanden waren zwischen 56 und 69 Jahre alt und 240 Probanden waren 70 Jahre und älter. Die Ergebnisse wurden im November im Fachjournal »The Lancet« veröffentlicht. Doch kann man schon hier festhalten, dass es sich um eine zu geringe Probandenanzahl für eine Wirksamkeitsanalyse handelt.
Ergebnisse
Die Studie zeigte, dass der Impfstoff bei älteren Probanden besser verträglich war als bei jüngeren und dass nach einer Boost-Dosis über alle Altersgruppen hinweg eine ähnliche Immunogenität erzielt wurde. Es wurde jedoch angemerkt, dass für die Bewertung der Wirksamkeit in allen Altersgruppen und Personen mit Komorbiditäten weitere Beurteilungen erforderlich seien.
Am 8. Dezember 2020 folgte daraufhin eine weitere Publikation in »The Lancet«, welche auf die Ergebnisse der Studien (NCT04324606, NCT04400838, und NCT04444674) einging. Dort hieß es, dass in diesen Wirksamkeitsstudien wegen geringer Fallzahlen noch wenig Daten zur Wirksamkeit bei älteren Menschen vorliegen. Gerade einmal 8 Prozent der Probanden waren zwischen 56 und 69 Jahren und nur 3 bis 4 Prozent über 70 Jahre. Im MHRA-Dokument selbst heißt es, dass zur Wirksamkeit bei Personen ab 65 Jahren „nur begrenzte Informationen vorliegen, obwohl nichts auf einen mangelnden Schutz hindeutet."
Was heißt das nun?
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) räumte diese Woche ein, dass es möglich sei AZD1222 in Europa nur für eine bestimmte Altersgruppe zuzulassen. Die EMA-Direktoren Emer Cooke betonte: „Ich werde der Entscheidung nicht vorgreifen“ bestätigte jedoch, dass für den AstraZeneca-Impfstoff nur wenige Testdaten für ältere Menschen vorlägen. Die Empfehlung der EMA zur Zulassung von AZD1222 wird für heute den 29. Februar 2021 erwartet.
Die STIKO ist der Entscheidung der EMA nun vorausgegangen und empfiehlt in ihrem Beschluss zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, dass diese aktuell aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen wird. Aber nicht nur die mangelnde Datenlage führte zu kritischer Berichterstattung über den Impfstoff. Es kam bei der Entwicklung auch zu Ungereimtheiten der Impfstoffdosierung und Kritik am Vorgehen einer gepoolten Analyse zur Ermittlung der finalen Wirksamkeit.
Panne bei den Dosierungen und was daraus gemacht wurde
Alle vier klinischen Studien (COV001, COV002, COV003 und COV005) wurden ursprünglich als Einzeldosis-Schema geplant; im Juli 2020 wurde dies allerdings in ein Zwei-Dosis-Schema geändert. Der Boost sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt (28 Tage nach der Erstdosis) verabreicht werden. Die Auswertung zeigte, dass Probanden, die eine niedrigere Prime-Dosis (halbe Dosis) und eine Standard-Boost-Dosis (LDSD) bekommen hatten, nach der Boosterung höhere Antikörpertiter und einen besseren Schutz aufwiesen als diejenigen, die zwei Standarddosen (SDSD) erhielten.
Trotzdem wurde der Impfstoff für die Verwendung der höheren Dosierungen zugelassen. Das ergibt im ersten Moment nicht wirklich Sinn.
Im Zulassungsdokument findet man die Erklärung
In der SDSD-Gruppe wurde ein Trend beobachtet, dass längere Dosisintervalle mit höheren Reaktionen verbunden waren. Beim Vergleich von SDSD- und LDSD-Gruppen mit demselben Dosisintervall sei die Immunantwort nach der zweiten Dosis ähnlich. Es heißt weiter „Angesichts der Tatsache, dass das mittlere Dosisintervall in der LDSD-Gruppe 12 Wochen betrug, verglichen mit 5 Wochen in der SDSD-Gruppe in Brasilien und 10 Wochen in der SDSD-Gruppe in Großbritannien, deuten diese Daten darauf hin, dass die in der LDSD-Gruppe hervorgerufenen höheren Immunogenitätsniveaus stärker vom Intervall als von der Dosisstufe beeinflusst werden.“
Aussicht
Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung der EMA, die für heute angekündigt ist, ausfallen wird. Parallel streitet die EU-Kommission mit AstraZeneca über die Liefermenge des Corona-Impfstoffes. Es ist möglich, dass der AZD1222 nicht für ältere Menschen zugelassen wird. Anfang der Woche erklärte Cooke: „In den Tests, die uns bis jetzt vorliegen, ist eine sehr geringe Menge Daten zu älteren Bevölkerungsgruppen enthalten.“