DGPPN 2022: Cannabis - Individueller Einsatz ohne Label

Rezepturen werden in der Apotheke auf Grund einer ärztlichen Verschreibung patientenindividuell hergestellt. Es besteht keine Zulassungspflicht, da es sich nicht um Fertigarzneimittel handelt. Der Verordner bestimmt Indikation, Darreichungsform und Zusammensetzung.

Vaporisator

Diese „no-label“-Situation hat im Falle von Cannabis Vorteile. Die kommerziellen Fertigpräparate sind nur für wenige Indikationen zugelassen, Hinweise auf eine Wirksamkeit gibt es aber bei deutlich mehr Erkrankungen und Beschwerden. Das neue Rezepturformularium – Standardwerk in jeder Apotheke – enthält neun Monographien, vier für Cannabisblüten-, vier für Dronabinol- und eine für Cannabinol-Rezepturen, erläuterte Dr. Dennis Stracke, Pharmazeut von der Medios Apotheke der Charité in Berlin [1].

Die richtige Cannabisblüte

Cannabisblüten werden in toto oder zerkleinert eingesetzt. Entscheidend ist die Sorte. Es gibt im Markt über 120 Produkte, sagte Stracke. Einige enthalten vor allem Tetrahydrocannabinol (THC), andere überwiegend Cannabidiol (CBD) und einige Sorten enthalten beide Cannabinoide zu etwa gleichen Anteilen. Die Blüten eignen sich für die inhalative Anwendung durch Vaporisation. Dazu werden die Blüten zerkleinert und gesiebt, aber nicht pulverisiert, um den Vaporisator nicht zu verstopfen.

Die Vaporisation erfolgt bei 185–210°C. Die thermische Einwirkung überführt die Cannabinoide in ihre aktive, decarboxylierte Form und verdampft sie. Die Anfangsdosis liegt zwischen 10 bis 50 mg/Tag und orientiert sich am THC-Gehalt. Von der oralen Applikation der Cannabisblüten in Form eines Tees rät Stracke ab. Die lipophilen Inhaltsstoffe lösen sich selbst beim Kochen in Wasser kaum und die für die Effekte wichtige Decarboxylierung der Inhaltsstoffe findet bei höchstens 100°C nicht statt.

Cannabis-Extrakte

Auch Cannabis-Vollspektrumextrakte gibt es mit unterschiedlichen THC- und CBD-Gehalten. Hier ist die orale wie die inhalative Anwendung möglich. Die Extrakte werden konzentriert oder verdünnt eingesetzt und können gegebenenfalls mit Cannabinoiden angereichert werden. Als Anfangsdosis für THC-dominante Cannabisextrakte nannte Stracke 1–2,5 mg/Tag und für balancierte Cannabisextrakte 2,5 mg/Tag. CBD-dominante Cannabisextrakte werden in sehr variablen Anfangsdosen eingesetzt.

Viele Applikationsformen denkbar

Die meist öligen Cannabis-Vollspektrumextrakte, beispielsweise Naxiva Panaxol von Neuraxpharm, Produkte des Unternehmens CannaMedical oder Tilray-Cannabisextrakte, gibt es im Tropfer oder – für Stracke die bessere Option – als Dosierpumpe. Sie lassen sich mit Hilfe von Tropfenkissen auch im Vaporisator nutzen. Optional ist bei Dysphagie oder einer PEG-Sonde auch eine rektale Anwendung möglich. Dazu empfiehlt Stracke die Verwendung von Kolbendosierpipetten. Es lassen sich auch ölige oder ethanolische Extraktlösungen in unterschiedlichen Konzentrationen herstellen, die zu Kapseln weiter verarbeitet werden können.

Möglichkeiten bei Monopräparaten

Mit Monopräparaten von Dronabinol (THC) oder Cannabidiol lassen sich auch Kapseln, Suppositorien und Rektallösungen herstellen. Dabei sind die beiden Cannabinoide in unterschiedlichen Konzentrationen und Verhältnissen miteinander kombinierbar. Laut Stracke ist mit Vaginalsuppositorien auch eine vaginale Anwendung möglich, beispielsweise bei Vulvodynie, Endometriose, Vestibulodynie oder vulvovaginaler Atrophie. Topisch hat CBD wahrscheinlich antiphlogistische Effekte, weshalb entsprechende Zubereitungen in der Dermatologie eingesetzt werden. Seit kurzem ist mit CannaXan auch ein wässriges Extrakt mit nano-Carriern der Cannabinoide für die oromukosale Anwendung als Spray verfügbar.

Weitere Anwendungen für Cannabisextrakte erwartet

Stracke erwartet zukünftig Zubereitungen von Vollspektrumextrakten und Monopräparaten für weitere Anwendungsformen, beispielsweise bukkal oder sublingual, nasal oder transdermal. Zudem wird es neue dosierfähige und sichere Inhalationsdevices geben, hofft er.

Quelle:

Dr. Dennis Stracke: „Welche Cannabis-Präparate gibt es“, DGPPN Kongress 2022, Berlin, 24. November 2022.

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige

Orphan Disease Finder

Orphan Disease Finder

Hier können Sie seltene Erkrankungen nach Symptomen suchen:

 

Seltene Krankheiten von A-Z
Schwerpunkt Seltene Erkrankungen