
Antigen-Schnelltests zum Ausschluss einer Coronavirus-Infektion gehören mittlerweile zum Alltag. Sie sind einfach anzuwenden, liefern schnelle Ergebnisse und sind obendrein noch kostengünstig. Das macht sie zu einem probaten Instrument, um Fallzahlen zu kontrollieren und das öffentliche Leben sicherer zu gestalten. Die Zuverlässigkeit der Testergebnisse nimmt jedoch mit sinkender Viruslast und Infektionen mit einer Virusvariante rapide ab. Das ergab eine Untersuchung von Personen, die sich in einem Stuttgarter Testzentrum einem Corona-Test (PCR-Test und Antigen-Schnelltest) unterzogen. Die Studienautoren publizierten ihre Ergebnisse auf dem Preprint-Server MedRxiv [1].
Zielsetzung
Die COVID-19-Antigen-Studie (COVAG) wurde von der Synlab-Akademie für Ärztliche Fortbildung in Mannheim (gesponsert von Synlab, dem medizinischen Diagnostikdienstleister des PCR-Tests) zusammen mit Forschern der Universitäten Heidelberg und Graz sowie dem Testzentrum Cannstatter Wasen in Stuttgart durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es, die reale Sensitivität und Spezifität von Schnelltests zum Nachweis von SARS-CoV-2-Antigenen zu ermitteln. Es handelt sich um eine der umfassendsten systematischen Evaluierungen von Antigen-Tests in realer Umgebung [2].
Methodik
Für die Studie wurden 2.215 Menschen mittels rRT-PCR-Test auf eine SARS-CoV-2-Infektion untersucht – 338 mit positivem Testergebnis. Dies wurde mit den Ergebnissen von zwei häufig eingesetzten Schnelltests – dem SD Biosensor SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test der Firma Roche und dem Panbio COVID-19 Ag Rapid Test von Abbott – verglichen.
Ergebnisse
Von den 338 Virusträgern fiel der Roche-Test nur bei 204 Probanden positiv aus, der Abbott-Test zeigte lediglich bei 192 Studienteilnehmern ein positives Ergebnis. Daraus ergibt sich eine Sensitivität von 60,4 Prozent für den Schnelltest von Roche und von 56,8 Prozent für den Abbott-Test. Somit werden etwa vier von zehn Personen mit positivem PCR-Ergebnis nicht mit einem Antigen-Schnelltest identifiziert.
Je niedriger die Viruslast, umso ungenauer das Ergebnis
Wichtigster Indikator für die Erkennung von positiv getesteten Personen war die Viruslast. Lediglich Probanden mit einer sehr hohen Viruslast, das heißt einem Ct-Wert ≤ 20 im PCR-Test, wurden zuverlässig von Antigen-Schnelltests als Virusträger identifiziert. Hier lag die Sensitivität bei 100 Prozent. Mit zunehmendem Ct-Wert – und damit abnehmender Viruslast – gab es deutlich weniger Übereinstimmungen.
Sensitivität nach Symptomatik
Symptomatische Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion haben in der Regel eine höhere Viruslast als Menschen ohne Symptome, scheiden also mehr Virenpartikel aus (wenigstens zu Beginn der Erkrankung). Bei Personen mit mindestens einem klinischen Symptom erreichte der Roche-Test eine Sensitivität von 75,2% und der Test von Abbott 74,3%. Ohne klinische Beschwerden lag die Sensitivität bei 31,9% (Abbott) und 23,8% (Roche).
Sensitivität bei Komorbiditäten
Bei Patienten mit Komorbiditäten werden üblicherweise deutlich höhere Ct-Werte gemessen als bei Gesunden. Das spiegelte sich auch in der Trefferquote der Antigen-Schnelltests wider. So waren die Sensitivitäten bei Probanden mit mindestens einer Komorbidität deutlich niedriger als bei solchen ohne Begleiterkrankungen: 38,2 bzw. 34,4% vs. 74,4 bzw. 71% (Roche bzw. Abbott). Dyspnoe und Diarrhoe scheinen indes keinen Einfluss auf die Testempfindlichkeit zu haben.
Sensitivität bei Virusvarianten
Darüber hinaus war bei Proben mit einem Ct-Wert ≤ 30 eine Variantenabhängigkeit der Antigen-Schnelltests erkennbar. Beim Wildtyp wiesen die zwei Schnelltests eine Sensitivität von 87,7 bzw. 84% auf, bei der Alpha-Variante hingegen nur 77,1 bzw. 72,3% (Roche bzw. Abbott).
Verglichen mit anderen Virusvarianten weicht die Alpha-Variante allerdings am geringsten vom Wildtyp ab. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Sensitivität von Antigen-Schnelltests auch bei anderen Virusvarianten deutlich niedriger ist als beim ursprünglichen, mittlerweile kaum noch zirkulierenden Wildtyp.
Rate falsch positiver Testergebnisse
Falsch positive Testergebnisse wurden kaum ermittelt. Bei beiden Antigen-Schnelltests betrug die Spezifität insgesamt mehr als 99 Prozent.
Fazit
Professor Dr. Winfried März, Mitautor der COVAG-Studie und Projektverantwortlicher bei Synlab, resümiert: „Die COVAG-Studie liefert wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse über die Eigenschaften von Antigen-Schnelltests. Denn nur mit gezielten und für den Kontext geeigneten Testungen können wir Infektionen frühzeitig erkennen und Infektionsketten unterbrechen. Besonders mit Blick auf die möglicherweise sinkende Sensitivität von Antigen-Schnelltests bei Virusvarianten muss genau abgewogen werden, in welchen Fällen die Geschwindigkeit von Antigen-Schnelltests der deutlich höheren Genauigkeit von PCR-Tests vorzuziehen bleibt. Wir müssen das Risiko einer falschen Sicherheit durch falsche Testergebnisse so klein wie möglich halten.“