
Ugur Sahin zeigt sich im Interview der VRM optimistisch und rechnet bis spätestens Mitte November nicht nur mit Aktivitätsdaten sondern auch mit weiteren Verträglichkeitsdaten des Corona-Impfstoffkandidaten BNT162: „Es wird nicht mehr lange dauern bis wir wissen ob der Impfstoff in der Lage ist zu schützen.“ Bei positiven Daten werde BioNTech dann Mitte November Unterlagen für eine Zulassung bei der FDA einreichen. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA wurde bereits ein Rolling-Review-Verfahren gestartet. Ugur Sahin bekräftigte zudem, dass das Unternehmen bereits angefangen habe den Impfstoff zu produzieren und die Freigabe dann nach Genehmigung erfolgen könne. Hierfür rechnet er noch in diesem Jahr.
Wie funktioniert BNT162?
Ugur Sahin erklärt: „Erbgutbasierte Impfstoffe sind neu. Es handelt sich um mRNA-Impfstoffe, also genetische Impfstoffe, die ein Stück Erbinformation des Virus enthalten. Diese selbst ist nicht infektiös sondern eine Bauanleitung um Antigen zu produzieren. Erst die menschlichen Zellen fangen dann an den eigentlichen Impfstoff, das Impfantigen, herzustellen.“ Diese Methode ermögliche außerdem eine schnellere Produktion des Impfstoffes, da für diese nicht das Antigen hergestellt werden müsse.
Impfstoffentwicklung über mehrere Phasen
In den frühen Phasen der Impfstoffentwicklung wird die Fähigkeit der Impfstoffe untersucht eine Immunantwort auszulösen. So startete BioNTech zunächst mit 20 Impfstoffkandidaten von denen es vier in die klinische Testung geschafft hatten. Von diesen überzeugten BNT162b1 und BNT162b2 mit starken Immunantworten, wobei BNT162b2 deutlich verträglicher war als BNT162b1, so Sahin.
Kann ein Corona-Impfstoff Langzeitfolgen auslösen?
Im Interview wird Sahin auf die Skepsis der Bevölkerung gegenüber der neuen potentiellen Corona-Impfstoffe aufgrund der Schnelligkeit der Impfstoffentwicklung angesprochen. Der BioNTech Chef erklärt hierzu, dass deren Studie 44000 Probanden umfasst von denen 22000 den Impfstoff erhalten haben. Im November werden dann die Zwei-Monats-Verträglichkeitsdaten bekannt werden, von denen ersichtlich wird welches Nebenwirkungsprofil der Impfstoff haben wird. Doch die Untersuchungen werden hier nicht angehalten, betont Sahin, sondern die Probanden zwei Jahre lang im Sinne der Pharmakovigilanz weiter verfolgt und der Impfstoff weiter auf Verträglichkeit geprüft.
Er weist darauf hin, dass Impfstoffe vor allem in der Phase direkt nach der Impfung Nebenwirkungen auslösen, aber die Untersuchungen auf diese nicht nach der Zulassung stoppen.
Schnelligkeit geht nicht vor Gründlichkeit
Sahin beteuert im Interview, dass in der Entwicklung trotz des vergleichsweise schnellen Prozesses nichts ausgelassen wird. Die Schnelligkeit wird vor allem auch durch enge Zusammenarbeit mit den Behörden ermöglicht. Die Schnelligkeit erfordere eine exzellente Koordination aller an der Impfstoffentwicklung beteiligten Parteien. Ein Beispiel hierfür ist das sog. Rolling-review Verfahren der EMA, bei dem die Behörde die Daten in einem rollierenden Verfahren in Echtzeit überprüft. Sahin führt den Zuschauern einen schönen Vergleich vor Augen: „Stellen Sie sich einen Passagier am Flughafen vor, der sich verspätet hat aber noch seinen Flug bekommen möchte. Durch Mithilfe des Personals muss dieser dann nicht in der Warteschlange anstehen, doch muss trotzdem durch jede Kontrolle."
Wie oft muss geimpft werden?
Aktuell ist noch nicht bekannt wie oft der Corona-Impfstoffkandidat für einen zuverlässigen Schutz geimpft werden muss. Man könne sich allerdings an der natürlichen Immunität nach Infektion orientieren, so Sahin. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass Personen nach einer Infektion mit dem Coronavirus noch vier bis sechs Monate nach Infektion gute Antikörpertiter aufweisen. Sahin geht davon aus, dass BioNTechs Corona-Impfstoff mindestens ein Jahr Schutz bieten dürfte.
Wann kehren wir zur Normalität zurück?
„Ich denke dass die Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffes sehr schnell helfen wird die wichtigsten Probleme, die wir aktuell haben zu lösen (..) Wir müssen sicherstellen, dass die, die das höchste Risiko haben, den Impfstoff zuerst bekommen, so Sahin. Durch die limitierten Impfstoffdosen die anfangs verfügbar sein werden, könne man jedoch nur Teile dieser Bevölkerungsgruppen adressieren. Doch er rechnet damit, dass abhängig davon ob die Impfstoffe funktionieren und dass auch weitere Unternehmen Impfstoffe zur Verfügung stellen, bis Mitte 2021 eine Situation eintritt, in der wieder eine gewisse Normalität einkehren könne.