COVID-19: Antikoagulantien verdoppeln Überlebenschance

Bisher gibt es keine evidenzbasierten Daten darüber, welches Antikoagulans, in welcher Dosis und welcher Dauer bei COVID-19 Patienten am besten ist. Je nach Klinik unterscheiden sich die Antikoagulations-Regime deshalb deutlich. US-Mediziner haben in einer Studie nun neue Erkenntnisse zur Antikoagulationstherapie bei COVID-19-Patienten erhalten.

Thrombus

Es ist schon länger bekannt, dass eine Antikoagulationstherapie mit einem Überlebensvorteil bei hospitalisierten COVID-19-Patienten assoziiert zu sein scheint. So empfahl die deutsche Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung bereits im Mai, dass hospitalisierte Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, eine Prophylaxe der venösen Thromboembolie erhalten sollten. Bisher blieben allerdings noch viele Fragen offen. Beispielsweise über die Größe des potenziellen Nutzens und darüber, welche Dosierungen sinnvoll sind. Ein Forschungsteam um Dr. Girish N. Nadkarni vom Mount Sinai Hospital in New York ist diesen Fragen nachgegangen und hat nun die Ergebnisse ihrer Studie im Journal of American College of Cardiology veröffentlicht.

Studie

In der Beobachtungsstudie wertete das Forscherteam elektronische Patientenakten von 4.389 Patienten mit bestätigter COVID-19-Diagnose aus, die zwischen dem 1. März und dem 30. April 2020 in fünf Mount Sinai-Krankenhäuser in New York City aufgenommen wurden. Die Daten wurden dann auf die Überlebens- und Todesraten von Patienten untersucht, die Antikoagulantien in therapeutischer und prophylaktischer Dosierung erhielten und mit den Daten von Patienten, die keine Blutverdünner erhielten, verglichen.

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter der 4.389 Patienten betrug 65 Jahre, 44% der Patienten waren weiblich. 900 Patienten (20,5%) erhielten ein Antikoagulans in therapeutischer Dosierung, 1.959 Patienten (44,6%) wurden in prophylaktischer Dosis mit einem Antikoagulans therapiert, 1.530 (34,9%) Patienten erhielten keinen Blutverdünner.

Zu Beginn der Aufnahme (≤ 48 Stunden im Krankenhaus) konnten die Forscher keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Patienten unter einer therapeutischen (n=766) oder einer prophylaktischer Dosierung (n=1.860) feststellen.

Allerdings sahen sie einen starken Zusammenhang zwischen dem Erhalt einer Antikoagulationstherapie und einer verringerten Wahrscheinlichkeit im Krankenhaus zu versterben: Sowohl therapeutische als auch prophylaktische Dosierungen der Antikoagulantien verringerten die Mortalität um etwa 50% im Vergleich zu den Patienten, die keine Blutverdünner erhielten.

Weiterhin hatten Patienten, die Antikoagulantien in therapeutischer Dosierung erhielten, ein 31% geringeres Risiko intubiert zu werden gegenüber Patienten, die keine Blutverdünner bekamen. Bei Patienten, die Blutverdünner in prophylaktischer Dosierung erhielten war das Riko um  28% reduziert. Insgesamt mussten 467 Patienten (10,6%) intubiert oder mechanisch beatmet werden.

Schwere Blutungen waren generell selten (2%), aber wie zu erwarten, etwas häufiger unter therapeutischer Dosierung (3,0%) als unter der prophylaktischer (1,7%).

Autopsie-Befunde

Die Forscher überprüften außerdem auch Daten aus 26 Autopsien von Menschen, die an COVID-19 gestorben waren und von denen 3 Patienten (27%) eine therapeutische Antikoagulation erhielten. Hierbei stellten sie fest, dass 11 der 26 verstorbenen Patienten (42%) eine thromboembolische Erkrankung aufwiesen, für die kein klinischer Verdacht bestanden hatte. „Mit Ausnahme eines Schlaganfalls gab es vor der Autopsie keinen Verdacht auf eine thromboembolische Erkrankung. Das deutet darauf hin, dass klinische Einschätzungen die tatsächliche Belastung durch thromboembolische Erkrankungen möglicherweise unterschätzen", so die Forscher in einer Pressemitteilung.

Welches Antikoagulans ist nun am besten?

Da einige Patienten im Verlauf ihres Krankenhausaufenthaltes mehr als ein Antikoagulans erhielten, war ein direkter Vergleich der verwendeten Antikoagulantien nicht möglich.

Allerdings scheint bei Evaluation der einzelnen Substanzen niedermolekulares Heparin bei prophylaktischer Anwendung einen gewissen Vorteil bezogen auf die Mortalität gegenüber unfraktioniertem Heparin zu haben. Bei der therapeutischen Behandlung könnten die neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) im Vergleich zu niedermolekularen Heparinen einen gewissen Vorsprung haben, denn auch Blutungskomplikationen waren unter den direkten Antikoagulantien vergleichsweise seltener.

Zusammengefasst kann aus der rein deskriptiven Analyse ein endgültiger Schluss jedoch nicht gezogen werden.  

Lob an große Datenmenge

Für den Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Uwe Janssens, ist das Ergebnis keine Überraschung, so sagt er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „In den Kliniken ist schon lange bekannt, dass thromboembolische Ereignisse eine häufige Komplikation bei COVID-19 sind." Bereits im Juni seien Behandlungsempfehlungen zahlreicher Fachgesellschaften hierzu veröffentlicht worden. Dennoch lobt er die großen Datenmengen der aktuellen Studie. Es sei bei der Einlieferung von COVID-19-Patienten ins Krankenhaus sehr wichtig, sich viele Aspekte ihres Zustands genau anzusehen.  

Weitere Studien benötigt

Die vorgestellte Studie wird aufgrund ihres retrospektiven Designs die Frage nach dem optimalen Antikoagulations-Regime bei COVID-19-Patienten nicht sicher beantworten können. Doch die Ergebnisse der Beobachtungsstudie konnten nach Angaben der Autoren beim Entwurf einer großangelegten internationalen klinischen Studie helfen, welche die Effektivität und Sicherheit drei verschiedener antithrombotischer Therapien untersuchen wird.

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