COVID-19: Lauterbach empfiehlt vierte Impfung für Menschen unter 60

Mit einer vierten Impfung käme man sicher durch den Sommer und reduziere das Infektions- und somit das Long-Covid-Risiko, sagt der Bundesgesundheitsminister. Laut STIKO-Chef Mertens gibt es für diese Annahmen keine wissenschaftlichen Daten.

Covid-19 Vakzine

Karl Lauterbach (SPD) empfiehlt unter 60-Jährigen, sich ein zweites Mal gegen COVID-19 boostern zu lassen. Angesichts der hohen Infektionszahlen sei eine vierte Corona-Impfung auch für jüngere Menschen ratsam, so der Bundesgesundheitsminister. Damit weicht Lauterbach deutlich von den Empfehlungen der Europäischen Gesundheitsbehörde (ECDC), der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) ab. Die EU empfiehlt derzeit eine zweite Auffrischungsimpfung für Personen ab 60 Jahren [1], die STIKO bislang nur für über 70-Jährige, Risikopatienten, Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie Beschäftigte im medizinischen und pflegerischen Bereich [2].

Mit dem zweiten Booster sicher durch den Sommer

„Wenn jemand den Sommer genießen will und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich in Absprache natürlich mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen“, sagte Lauterbach in einem Gespräch mit dem Magazin „Der Spiegel“. Damit würde das Infektionsrisiko und somit das Risiko, an Long-Covid zu erkranken, für ein paar Monate deutlich reduziert. Eine fünfte Impfung könne man sich geben lassen, wenn es an die neue Omikron-Variante angepasste Impfstoffe gibt. Dies sei wahrscheinlich Ende August oder Anfang September der Fall, so der SPD-Politiker [3].

STIKO-Chef widerspricht Lauterbach

Der Vorsitzende der STIKO Thomas Mertens kritisiert die Aussagen von Lauterbach. Er kenne keine wissenschaftlichen Daten, die diese Empfehlungen rechtfertigen würden. „Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen“, teilte er der „Welt am Sonntag“ mit. Für ihn sei es wichtiger, die Impflücken hinsichtlich der existierenden STIKO-Empfehlungen zu schließen. Das gelte vor allem für Menschen, die noch keine Auffrischungsimpfung erhalten haben, sowie für Ältere ohne zweiten Booster. Man könne nicht jedes Jahr ständig die gesamte Bevölkerung – also auch jüngere, gesunde Menschen – impfen lassen. „Das Ziel ist es bei diesen Impfungen nicht, Infektionen zu vermeiden, sondern Erkrankungen“, erklärt der STIKO-Chef. Demnach schütze die dreimalige Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen gut vor schweren Krankheitsverläufen, die Übertragung des Virus würde aber nur gering beeinflusst, so Mertens [4].

Weitere Kritik

Weitere Kritik kommt vom Koalitionspartner FDP. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai missbilligt das Vorpreschen des Gesundheitsministers. „Herr Lauterbach tut meiner Meinung nach gut daran, der STIKO bei Impfempfehlungen nicht vorauszugreifen“, sagt er dem Portal „t-online“. Und ergänzt: „Als zuständiger Minister sollte er sich vielmehr darum kümmern, dass die Pandemiebekämpfung jetzt effizient gehandhabt wird und wir im Herbst schnell auf eine verlässliche Datenerhebung und ein besseres Datenmanagement zurückgreifen können.“ [5]

Ebenfalls kritisch äußern sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Deutsche Stiftung Patientenschutz. „Wir orientieren uns bei der Frage der Impfempfehlung ganz klar an der Ständigen Impfkommission“, sagt KBV-Vize-Chef Stephan Hofmeister. „Daran sollten sich alle halten und nicht unnötig vorpreschen.“ Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, lehnt das Vorgreifen einer STIKO-Empfehlung ab. Entscheidend sei nicht nur das Alter: „Vielmehr müssen Vorerkrankungen, individuelle Risiken und der Immunstatus in den Blick genommen werden“, so Brysch [6].

Autor:
Stand:
18.07.2022
Quelle:
  1. Europäische Arzneimittelagentur (EMA), News: ECDC and EMA update recommendations on additional booster doses of mRNA COVID-19 vaccines; 11. Juli 2022.
  2. Robert Koch-Institut (RKI), Pressemitteilung der STIKO zum COVID-19-Impfstoff Nuvaxovid der Firma Novavax sowie zur 2. COVID-19-Auffrischimpfung für besonders gefährdete Personengruppen; 03. März 2022.
  3. Spiegel: „Lauterbach empfiehlt vierte Impfung für unter 60-Jährige“; 15. Juli 2022.
  4. Welt: „Stiko-Chef widerspricht Lauterbach bei Empfehlung zur vierten Impfung“; 15. Juli 2022.
  5. t-online: „FDP-Generalsekretär übt scharfe Kritik an Lauterbach“; 15. Juli 2022.
  6. Tagesschau: „STIKO-Chef widerspricht Lauterbach“; 15. Juli 2022.
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