
Chronische Wunden stellen in der ambulanten wie stationären Behandlung ein großes Problem dar. Insbesondere sind Patienten mit Zivilisationserkrankungen wie Diabetes mellitus, chronisch venöser Insuffizienz (CVI) oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) von Wundheilungsstörungen betroffen. Zuweilen sind Ärzte und Patienten ratlos, wie dauerhaft offene Wunden beispielsweise im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms oder Ulcus cruris venosum verschlossen werden können.
Auch wenn es bereits eine breite Palette an modernen und suffizienten Wundheilungsstrategien gibt: Mitunter helfen weder Hydrogele, Hydrocolloide, Hydropolymere und Alginate, noch Vakuumversiegelungen, Kaltplasmabehandlungen oder Madentherapie, einen Wundverschluss herbeizuführen. Ärzte des Herz- und Diabeteszentrums Nordrhein-Westfalen testen aktuell eine neue Methode auf Basis eines Fischhaut-Transplantats. Auch wenn noch keine ausreichenden Erfahrungen und Forschungsergebnisse zur Verfügung stehen, sind die Behandlungserfolge beachtlich.
Fischhaut-Matrix als Wundauflage
Im Wundheilzentrum des Diabeteszentrums der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum in Bad Oeynhausen wird derzeit eine neue Behandlungsmethode auf Fischhaut-Basis erprobt, um einen gestörten Wundheilungsprozess zu optimieren und chronische Wunden zu verschließen. Prof. Dr. Diethelm Tschöpe legt seinen Patienten Fischhaut auf chronische Wunden - zugegeben ein zunächst ungewöhnlicher Gedanke. Genauer gesagt handelt es sich um ein Transplantat aus Fischhaut des atlantischen Dorschs.
Die zellfreie Collagenmatrix, die optisch an ein Knäckebrot erinnert, wirkt als Gewebebrücke. Das Transplantat wird überlappend auf den gesäuberten Wunddefekt gelegt und mit einem Verband fixiert. Das Material ist - ähnlich der menschlichen Haut - mit Poren durchsetzt und soll antibakterielle Eigenschaften besitzen. Diese Merkmale sowie die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren regen offensichtlich die Stammzellproliferation und –migration an, steigern die Zellaktivität im Bindegewebe und fördern die Wundheilung. Wundverschließende Effekte sind bereits nach durchschnittlich 7 Tagen sichtbar.
Heilungsverläufe über 3 Monate gehören in ein Wundheilungszentrum
Jede chronische Wunde benötigt so rasch wie möglich ein individuelles Therapiemanagement, oft auch eine effiziente Behandlung der Grunderkrankung. „Je länger sich die Wundheilung verzögert, umso größer wird das Problem“, wissen die Oberärztinnen Dr. Tania-Cristina Costea und Dr. Katharina Kuczewski aus Erfahrung. Denn je mehr Zeit verstreicht, umso höher ist das Risiko einer Amputation.
Eine gezielte Wundversorgung sollte vorzugsweise in einem speziellen Wundversorgungszentrum erfolgen. Patienten mit offenen Wunden sollten deshalb nach spätestens dreimonatiger erfolgloser Wundbehandlung in eine entsprechend zertifizierte ambulante oder stationäre Einrichtung überwiesen werden.
[Weitere Studien sind abzuwarten
Die Fischhaut-Transplantation erweitert das große Portfolio der Wundtherapeutika um ein innovatives Verfahren. Wie jede andere Wundversorgungs-Methode wird aber auch das Fischhaut-Transplantat nicht für jeden Patienten der Schlüssel zu einer verschlossenen Wunde sein. Dazu erklärt Tschöpe: „An der Achillessehne ist es im Vergleich zum Fußballen oder Bein denkbar schwieriger, eine Gewebebrücke anzusiedeln, weil hier so gut wie kein Bindegewebe vorhanden ist.“ Bei geeigneten Wunden aber hat er mit dieser Methode bei allen bislang im Diabeteszentrum behandelten Patienten einen Wundverschluss erzielen können. Dennoch betont Tschöpe: „Weitere Studien müssen abgewartet werden.“