
Während die Mehrheit, der mit SARS-CoV-2-infizierten Personen leichte grippeähnliche Symptome aufweist, kann es bei COVID-19 jedoch auch zu einer schweren Pneumonie kommen. Bei diesen schweren Verläufen kann SARS-CoV-2 durch Zytokinfreisetzung, Endothelschädigung, akute Nierenschädigung, Myokarditis sowie mikro- und makrovaskuläre Thrombosen bis hin zu einem Multiorganversagen führen.
Es lag deshalb im Interesse vieler Forschergruppen, die Gründe herauszufinden, weshalb manche Menschen schwere Verläufe erleiden und andere nicht. Bereits 2020 wurden genetische Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe identifiziert und in diesem Zusammenhang eine Genvariante auf Chromosom 3 entdeckt. Bisher war allerdings nicht bekannt, wieso diese Variante zu einer Erhöhung der Mortalität führt und welche genauen genetischen Veränderungen dafür verantwortlich sind.
Forschern des Weatherall Institute of Molecular Medicine der Universität Oxford ist die Beantwortung dieser Fragen nun gelungen. Ihre Ergebnisse wurden in Nature Genetics veröffentlicht.
Der Co-Autor der Studie, Prof. Jim Hughes, Professor für Genregulation, sagte: „Der Grund weshalb sich dies als so schwierig herausgestellt hat, ist, dass das zuvor identifizierte genetische Signal die „dunkle Materie“ des Genoms beeinflusst. Wir fanden heraus, dass das erhöhte Risiko nicht auf einen Unterschied in der Gencodierung eines Proteins zurückzuführen ist, sondern auf einen Unterschied in der DNA, die einen Schalter zur Aktivierung eines Gens darstellt. Es ist viel schwieriger, das Gen zu erkennen, das von diesem indirekten Schalteffekt betroffen ist.“
Analyse durch künstliche Intelligenz
Durch einen Algorithmus wurden riesige Mengen genetischer Daten von Hunderten von Zelltypen des gesamten Körpers analysiert, um das Risikogen zu identifizieren. Dr. Damien Downes, Laborleiter der Forschungsgruppe, sagte: „Überraschenderweise zeigten die Daten, obwohl mehrere andere Gene vermutet wurden, dass ein relativ unerforschtes Gen namens LZTFL1 den Effekt verursacht.“ Sechzig Prozent der Menschen mit südasiatischen Vorfahren tragen dieses genetische Hochrisikosignal, was nach Angaben der Autoren die übermäßigen Todesfälle in einigen britischen Gemeinden und die Auswirkungen von COVID-19 auf dem indischen Subkontinent erklären könnte.
Die Gene wurden weder in T-Killerzellen, dendritischen Zellen oder B-Zellen, also Zellen des Immunsystems, gefunden. Stattdessen identifizierten die Forscher die Genvarianten hauptsächlich im Lungengewebe. Das Risikoallel des Gens, in dem innerhalb eines Einzelnukleotidpolymorphismus Guanin durch Adenin ausgetauscht wurde, erhielt den Namen rs17713054.
Kein Einfluss auf Impfstoffwirksamkeit
Das Gen beeinflusst die endotheliale Auskleidung der Lunge und der Luftröhre und hilft SARS-CoV-2, sich über ACE-2 an diese zu binden. Da dieses Gen Lungenepithelzellen beeinflusst und nicht das körpereigene Immunsystem, bleibt die Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen jedoch unbeeinflusst, so die Forscher.
Fazit
Die Ergebnisse könnten, so hoffen die Forscher, zu besseren Behandlungen für COVID-19 führen, die auf das LZTFL1-Gen abzielen. Darüber hinaus könnten die identifizierten Risikogruppen durch Präventivmaßnahmen wie beispielsweise ein früheres Angebot von Impfstoffen besser geschützt werden.
„Die Diskrepanz zwischen dem Risiko einer schweren Erkrankung und des Todes in verschiedenen ethnischen Gruppen wurde zuvor teilweise auf sozioökonomische Unterschiede zurückgeführt, aber es war klar, dass dies keine vollständige Erklärung war", sagte Professorin Frances Flinter, emeritierte Professorin für Klinische Genetik an der Guy's and St. Thomas' NHS Foundation Trust, die nicht an der Studie beteiligt war. Sie fuhr fort: „Es ist besonders wichtig, Gemeinden, die aufgrund dieser genetischen Veranlagung einem höheren Risiko einer schweren COVID-19-Infektion ausgesetzt sind, eine Impfung anzubieten, da ihr erhöhtes Risiko durch eine Impfung ausgeglichen werden sollte.