
Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist die Regulation mehrerer angeborener und adaptiver Immun-Signalwege gestört. Die Zinkfinger-Transkriptionsfaktoren Ikaros und Aiolos beeinflussen die Entwicklung von Immunzellen und die Homöostase. Sie tragen zur genetischen Veranlagung für SLE bei. Ikaros induziert die Entwicklung von B-Zellen und plasmazytoiden dendritischen Zellen, den Hauptproduzenten von Typ-I-Interferon. Aiolos unterstützt die B-Zell-Differenzierung. Bei Patienten mit SLE wurden überexprimierte Boten-RNAs für die Gene, die für Ikaros (IKZF1) und Aiolos (IKZF3) kodieren, gefunden.
Iberdomid ist ein neuer hochaffiner Modulator des Cereblon-E3-Ubiquitin-Ligase-4-Komplexes und fördert die Ubiquitinierung und den proteasomalen Abbau von Ikaros und Aiolos. Zu den multiplen immunmodulatorischen Wirkungen gehören erhöhte Interleukin-2-Spiegel und verminderte Spiegel proinflammatorischer Zytokine, B-Zell-Differenzierung und Autoantikörperproduktion. In einer Phase-IIa-Studie erzielte Iberdomid bei Patienten mit SLE eine verminderte Krankheitsaktivität.
Zielsetzung
Wissenschaftler um Dr. Joan Merrill von der Oklahoma Medical Research Foundation in Oklahoma City in den USA untersuchten in einer klinischen Phase-II-Studie drei Dosen Iberdomid im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit aktivem, mittelschwerem bis schwerem SLE. Sie publizierten die Ergebnisse in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine [1].
Methodik
Die randomisierte, placebokontrollierte, doppelt verblindete Phase-II-Studie wurde an 117 Standorten in den USA, Kanada, Europa, Südamerika, Mexiko und Russland durchgeführt. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten Patienten mindestens 18 Jahre alt sein und die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology für SLE (Update 1997) für mindestens sechs Monate vor dem Eignungsbesuch für die Studie erfüllen.
Die Patienten mussten außerdem eine Zahl von mindestens sechs Punkten auf der Systemic Lupus Erythematodes Disease Activity Index 2000 Skala (SLEDAI 2K) und von mindestens vier Punkten auf der klinischen SLEDAI-2K (SLEDAI-2K ohne Laborergebnisse) erreichen. Dies weist auf eine moderate bis schwere Krankheitsaktivität hin. Die Patienten mussten weiter antinukleäre Antikörpertiter von mindestens 1:40 aufweisen und seropositiv für anti-doppelsträngige DNA-Antikörper oder Anti-Smith-Antikörper sein.
Die Wissenschaftler wiesen für die Studienteilnahme geeignete Patienten im Verhältnis 2:2:1:2 nach dem Zufallsprinzip einer einmal täglichen Einnahme von Iberdomid (in einer Dosis von 0,45, 0,30 oder 0,15 mg) oder Placebo zusätzlich zu ihren Standardmedikamenten für 24 Wochen zu.
Der primäre Endpunkt in Woche 24 war eine Reaktion gemäß dem zusammengesetzten SLE Responder Index (SRI-4), der folgende Dimensionen erfasste:
- eine Reduktion von mindestens vier Punkten im SLEDAI 2K.
Der SLEDAI ist ein gewichteter Score für die Lupusaktivität bestehend aus 24 Aspekten. Die Werte liegen zwischen 0 und 105, wobei höhere Werte auf eine größere Krankheitsaktivität hinweisen. - keine neue Krankheitsaktivität, gemessen am Index der British Isles Lupus Assessment Group 2004 (BILAG 2004)
- keine Verschlechterung des Zustandes gemäß dem Physician's Global Assessment Score, das heißt ein Anstieg um weniger als 0,3 Punkte auf einer visuell-analogen Skala von 0 (keine Krankheitsaktivität) bis 3 (maximale Krankheit)
Die Bewertungen der Therapiesicherheit umfassten die Ergebnisse der 12-Kanal-Elektrokardiographie, der klinischen Labortests, die Beurteilung der Vitalfunktionen und die körperliche Untersuchung.
Ergebnisse
Insgesamt erhielten 288 Patienten die zugewiesene Behandlung. 81 Patienten erhielten Iberdomid in einer Dosis von 0,45 mg, 82 Patienten in einer Dosis von 0,30 mg, 42 Patienten in einer Dosis von 0,15 mg und 83 Patienten erhielten Placebo.
In Woche 24 betrug der Prozentsatz der Patienten mit SRI-4-Ansprechen in der Iberdomid-0,45-mg-Gruppe 54%, in der Iberdomid-0,30-mg-Gruppe 40%, in der Iberdomid-0,15-mg-Gruppe 48% und in der Placebo-Gruppe 35%. Die bereinigte Differenz zwischen der Iberdomid-0,45-mg-Gruppe und der Placebo-Gruppe errechneten die Wissenschaftler mit 19,4 Prozentpunkten (95%-Konfidenzintervall 4,1 bis 33,4; P = 0,01). Die Unterschiede zwischen den Gruppen, die die niedrigeren Dosen von Iberdomid erhalten hatten, und der Gruppe, die Placebo erhalten hatten, waren nicht signifikant.
Unerwünschte Ereignisse wurden bei 63 von 81 Patienten (78%) beobachtet, die Iberdomid in einer Dosis von 0,45 mg erhalten hatten, bei 64 von 82 Patienten (78%), die eine Dosis von 0,30 mg, und bei 31 von 42 Patienten (74%), die eine Dosis von 0,15 mg erhalten hatten, außerdem bei 54 von 83 Patienten (65%), die das Placebo erhalten hatten. Die meisten Ereignisse waren leicht- bis mittelgradig. Zu den Iberdomid-assoziierten unerwünschten Ereignissen gehörten Infektionen der Harnwege und der oberen Atemwege sowie Neutropenie.
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 13 von 205 Patienten (6%), die Iberdomid erhalten hatten, und bei 7 von 83 Patienten (8%), die Placebo erhalten hatten, auf. 3 von 83 Patienten (4%) mit schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen in der Placebo-Gruppe erlitten SLE-Schübe.
Fazit
In dieser 24-wöchigen Phase-II-Studie führte Iberdomid in einer Dosis von 0,45 mg bei einem höheren Prozentsatz von Patienten mit SLE zu einem SRI-4-Ansprechen als Placebo. Nach Ansicht der Studienautoren werden Daten aus größeren Studien und über einen längeren Behandlungszeitraum benötigt, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Iberdomid bei SLE bewerten zu können.
Die Studienautoren gaben an, dass die Studie durch den Ausschluss von Patienten mit erhöhtem thrombotischem Risiko, aktiver Lupusnephritis oder neuropsychiatrischen Manifestationen von SLE eingeschränkt war. Im Leitartikel zeigte sich Dr. Karen Costenbader vom Department of Medicine am Brigham and Women’s Hospital, Boston, USA bezüglich der hohen Inzidenz von unerwünschten Ereignissen und Behandlungsabbrüchen, der Tatsache, dass sekundäre Endpunkte (darunter einer für kutanen Lupus) nicht erfüllt wurden, kleiner Effektstärken und der potenziellen Teratogenität und Thrombogenität von Iberdomid besorgt [2].
Die Studie ist unter der Nummer NCT03161483 bei ClinicalTrials.gov registriert und wurde von Bristol Myers Squibb finanziert.