
Hintergrund
Eine retrospektive Beobachtungsstudie aus Deutschland ergab, dass eine Impfstoff-induzierte oder hybride Immunisierung (durch vorherige SARS-CoV-2-Infektion und Covid-19-Impfung) signifikant vor der Covid-19-assoziierten Sterblichkeit schützt, selbst bei den über 80-Jährigen. Zu diesem Ergebnis kam ein Team um Maximilian Weigert in ihrer im Deutschen Ärzteblatt publizierten Studie [1]. Die Forschenden schätzten anhand von Cox-Modellen – abhängig vom Geschlecht, Alter, Zeitpunkt der Infektion und von verschiedenen Immunitätsniveaus – adjustierte Hazard Ratios (aHR) für das Versterben bis 60 Tage nach einer SARS-CoV-2-Infektion während der Omikron-Welle.
Daten von mehr als 470.000 Personen ausgewertet
In der retrospektiven Kohortenstudie werteten die Forschenden Daten von 470.159 Personen aus, die zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2022 positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Alle PatientInnen waren älter als 59 Jahre (20,1% davon >79) und lebten in Bayern.
Die Sterberaten wurden entsprechend dem Immunitätsstatus bewertet. Die Forschenden klassifizierten das individuelle Immunitätsniveau wie folgt:
- unbekannt (73%)
- nicht geimpft (15,4%)
- unvollständiges primäres Immunitätsniveau (10,1%), definiert als eine Impfung ohne vorangegangene SARS-CoV-2-Infektion
- vollständiges primäres Immunitätsniveau (12,3%), bestehend aus zwei Impfungen oder eine Impfung in Kombination mit einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion (erreicht etwa sechs Monate vor Infektionszeitpunkt)
- geboostertes Immunitätsniveau (62,2%), bestehend aus drei oder vier Impfungen oder zwei Impfungen in Kombination mit einer vorangegangenen SARS-CoV-2-Infektion (erreicht entweder mehr oder weniger als drei Monate vor dem Zeitpunkt der Infektion)
Sterberisiko bei höherem Immunitätsniveau signifikant niedriger als bei ungeimpften Fällen
Im Beobachtungszeitraum wurden 3.836 Todesfälle registriert. Das macht eine 60-Tage-Fallsterblichkeitsrate (FSR) von 0,82%. In 2.663 Fällen (69,4%) stellte Covid-19 die direkte Todesursache, in 871 Fällen (22,7%) die indirekte Todesursache dar. In 302 Fällen (7,9%) war die Todesursache unbekannt oder konnte nicht ermittelt werden.
Das Sterberisiko war bei höherem Immunitätsniveau signifikant niedriger als bei ungeimpften Fällen. Für ein vollständiges primäres Immunitätsniveau, das innerhalb von sechs Monaten vor dem Infektionszeitpunkt erlangt wurde, lag die geschätzte aHR bei 0,30 (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,23–0,39), wurde dies vor mehr als sechs Monaten erreicht bei 0,46 (95%-KI 0,35–0,60).
Geboostertes Immunitätsniveau bester Schutz
Ein geboostertes Immunitätsniveau verringerte das Sterberisiko weiter (falls innerhalb von drei Monaten erreicht: aHR 0,17, 95%-KI 0,15–0,20; falls vor mehr als drei Monaten erreicht: aHR 0,25, 95%-KI 0,21–0,29). Die maximale Wirksamkeit betrug etwa 82% bei den Personen, die weniger als drei Monate vor dem Zeitpunkt der Infektion ein geboostertes Immunitätsniveau erzielt hatten (minimale FSR 0,4%).
Bei den über 80-Jährigen kann die Wirksamkeit der aufgebauten Immunität auf unter 50% sinken, wenn das Immunitätsniveau bereits mehr als sechs Monate vor dem Zeitpunkt der Infektion erlangt wurde. Wie alle Altersgruppen profitieren auch die Hochbetagten von einer Boosterimpfung.
Einschränkungen der Studie
Wie bei jeder retrospektiven Beobachtungsanalyse bestand auch hier die Möglichkeit einer Verzerrung durch verschiedene unberücksichtigte Kovarianten. Ebenso könnten die Ergebnisse durch eine ungleiche zeitliche Verteilung einer zweiten Auffrischimpfung, den „Healthy Vaccinee Bias“ oder eine falsche Klassifizierung der Todesursache beeinflusst worden sein. Eine weitere Limitierung bestand in der eingeschränkten Vollständigkeit und Qualität der Studiendaten, schreibt das Autorenteam.