
Die AkdÄ berichtet über eine 39-jährige Patientin, die während einer Behandlung mit Quetiapin eine schwere Kardiomyopathie entwickelte. Da andere Ursachen ausgeschlossen werden konnten, muss dieses Ereignis auf das Quetiapin-haltige Medikament zurückzuführen sein. Bislang gibt es nur Einzelfallberichte über Quetiapin-assoziierte Kardiomyopathien. Auch konnte noch kein kausaler Zusammenhang ermittelt werden. Dennoch weisen Fachinformationen auf Berichte über Kardiomyopathien und Myokarditiden aus klinischen Studien und aus Erfahrungen nach Markteinführung des Wirkstoffs hin.
Fall-Dokumentation
Bei dem der AkdÄ gemeldeten Fall handelt es sich um eine 39-jährige Patientin, die wegen einer Psychose mit 800 mg Quetiapin pro Tag behandelt wurde. Vor Behandlungsbeginn wurde die kardiogene Gesundheit mit einer guten Links- und Rechtsherzfunktion mittels Echokardiografie bestätigt. Innerhalb von vier Monaten entwickelte sich eine schwere Kardiomyopathie. Über die Zufuhr weiterer potenziell kardiotoxischer Medikamente oder Noxen gibt es keine Angaben.
Im Verlauf der Quetiapin-Behandlung verspürte die Patientin eine zunehmende Dyspnoe. Während einer ambulanten echokardiografischen Untersuchung wurde eine hochgradig eingeschränkte Pumpfunktion mit geringem Perikarderguss diagnostiziert. Nach stationärer Aufnahme entwickelte die Frau einen manifesten kardiogenen Schock (Schockindex 1,5; NT-pro-BNP 14,834 ng/l). Mittels MRT und Koronarangiografie wurden eine möglicherweise ursächliche inflammatorische Kardiomyopathie, eine Noncompaction-Kardiomyopathie (NCCM), eine myokardiale Speicherkrankheit und eine stenosierende KHK ausgeschlossen. Linksventrikuläre Myokardbiopsien ergaben keinen Befund hinsichtlich einer akuten oder chronischen Entzündungsreaktion oder einer Infektion mit kardiotropen Viren.
Reversible Symptome nach Therapie-Umstellung
Nachdem Quetiapin ziemlich sicher als Ursache der kardiogenen Befunde in Betracht gezogen werden musste, wurde die antipsychotische Therapie auf Aripiprazol umgestellt. Zudem wurde die Herzinsuffizienz medikamentös behandelt, die Trinkmenge limitiert und eine körperliche Schonung verordnet. Primär-prophylaktisch erhielt die Patientin eine Defibrillator-Weste.
Diese Maßnahmen führten zu einem Rückgang der Symptome, der echokardiografische Befund verbesserte sich und der laborchemische Verlaufsparameter NT-pro-BNP zeigte sich rückläufig. Nach sechs Monaten erholte sich die linksventrikuläre Funktion und die Patientin benötigte keine herzmuskelstärkenden Medikamente mehr. Als Endzustand wurde eine asymptomatische Herzinsuffizienz (NYHA I) mit normaler Ejektionsfraktion von 57 Prozent dokumentiert.
Quetiapin
Quetiapin gehört zur Gruppe der Antipsychotika der zweiten Generation (second generation antipsychotics, SGA). Der Wirkstoff ist chemisch mit den trizyklischen Antipsychotika Clozapin und Olanzapin verwandt. Quetiapin ist zur Behandlung von Schizophrenie sowie zur Behandlung und Rückfallprävention schwerer manischer und depressiver Episoden bei bipolaren Störungen zugelassen. Die empfohlene Tagesdosis zur Erhaltungstherapie beträgt indikationsabhängig zwischen 150 und 800 mg. In Deutschland ist Quetiapin das am meisten verordnete Antipsychotikum.
Häufige Nebenwirkungen sind Somnolenz, Schwindel, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Gewichtszunahme, Erhöhung der Gesamtcholesterin- und Triglyzerid-Konzentration im Serum, Reduktion der Hämoglobin-Konzentration und extrapyramidale Symptome. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind unter anderem Brady- und Tachykardien, Palpitationen, QT-Verlängerungen, orthostatische Hypotonie und venöse Thromboembolien. Beim Beenden der Therapie sind Absetzsymptome möglich.
Medikamentenassoziierte Kardiomyopathie als Differenzialdiagnose erwägen
Der aktuell publizierte Fall bestätigt, dass während einer Behandlung mit Quetiapin Herzinsuffizienz-typische Symptome auftreten können. Auch wenn eine medikamentenassoziierte dilatative Kardiomyopathie mit eingeschränkter systolischer linksventrikulärer Ejektionsfraktion und symptomatischer Herzinsuffizienz selten ist, so sollte diese im ärztlichen Beobachtungsfokus als Differenzialdiagnose präsent sein und bei entsprechenden Hinweisen frühzeitig erhoben werden. Typische Symptome dafür sind Dyspnoe, Belastungseinschränkung und periphere Ödeme. Etwaige Verdachtsfälle sollten zudem der AkdÄ mitgeteilt werden.