
Seit dem Wegfall der Maskenpflicht an vielen Orten ist es nicht nur zu einem Anstieg der COVID-19-Infektionen gekommen, auch andere Atemwegserkrankungen treten wieder häufiger auf. Der Herbst und damit die Grippe-Saison sind ebenfalls nicht mehr weit. Experten fürchten bereits, dass es in den kommenden Monaten häufiger zu Koinfektionen mit mehreren Viren kommen könnte.
Eine aktuelle Studie liefert nun allerdings Hinweise, dass eine Koinfektion mit dem Influenza-Virus und SARS-CoV-2 möglicherweise weniger schlimm als gedacht sein könnte. Die Studie zeigt, dass die Interferon-Reaktion nach einer Infektion mit dem Influenza-Virus auch nach Abklingen der Symptome die Replikation von SARS-CoV-2 mindern kann und somit für mildere Erkrankungsverläufe sorgen könnte.
Methodik
Die Studie, die im Journal of Virology veröffentlicht wurde, untersuchte die Auswirkungen einer Koinfektion mit SARS-CoV-2 und dem Influenza-A-Virus. Dazu wurden in Zellkulturen die Zellen entweder gleichzeitig mit beiden Viren infiziert oder jeweils nur mit einem der beiden. Anschließend wurde die Vorgehensweise in vivo bei Hamstern wiederholt, die intranasal entweder mit einem der beiden Viren oder mit beiden gleichzeitig infiziert wurden. Der Virustiter wurde jeweils einen, drei, fünf, sieben und 14 Tage nach der Infektion gemessen. In einem weiteren Experiment wurden die Hamster zudem erst mit dem einen und drei Tage später mit dem anderen Virus infiziert, um den Einfluss des zeitlichen Verlaufs der Infektionen zu untersuchen.
Ergebnisse
In vitro-Experimenten konnten die Forscher feststellen, dass bei den mit dem Influenza-A-Virus infizierten Zellen die Replikation von SARS-CoV-2 etwa einen Tag verzögert einsetzte. Bei den mit SARS-CoV-2 infizierten Zellen wirkte sich dies jedoch nicht auf die Replikation des Influenza-Virus aus. In vivo kamen die Forscher zu ähnlichen Ergebnissen. Eine SARS-CoV-2-Infektion hatte bei koinfizierten Hamstern keinen Einfluss auf die Infektion mit dem Influenza-A-Virus, unabhängig von der zeitlichen Abfolge der beiden Infektionen.
Umgekehrt wirkte sich eine Infektion mit dem Influenza-Virus bei den Hamstern jedoch hemmend auf die Replikation von SARS-CoV-2 aus. Bei mit SARS-CoV-2 und dem Influenza-Virus koinfizierten Tieren waren die SARS-CoV-2-Titer in der Lunge am ersten Tag vergleichbar mit denen der monoinfizierten Tiere, nach drei Tagen wiesen die koinfizierten Hamster jedoch niedrigere SARS-CoV-2-Titer auf. Auch war das Virus in der Lunge bereits nach fünf Tagen eliminiert, während es bei den Hamstern mit SARS-CoV-2-Monoinfektion noch nach sieben Tagen nachweisbar war. Die Vorinfektion mit dem Influenza-Virus konnte demnach die SARS-CoV-2-Replikation vermindern und hatte sogar noch einen hemmenden Effekt, wenn die SARS-CoV-2-Infektion mehr als eine Woche nach dem Abklingen der Influenza-Infektion stattfand. Dieser Effekt fiel zusammen mit erhöhten Interferon-Spiegeln.
Schutzwirkung durch Interferone
Als Erklärung vermutete das Forscherteam um Kohei Oishi deshalb, dass die Hemmung der Virusreplikation von SARS-CoV-2 auf die Interferon-Produktion infolge der Influenza-Infektion zurückzuführen sei. Interferone sind Zytokine, die von verschiedenen Zellen des Körpers als Antwort auf Viren und andere Infektionen gebildet werden. Sie haben antivirale, antiproliferative und immunmodulierende Wirkung und können eine Schutzfunktion bei viralen Infektionen ausüben. Dieses auch virale Interferenz genannte Phänomen wird durch die Immunantwort auf viele virale Infektionen ausgelöst, bei der es zu einer vermehrten Interferon-Produktion im Körper kommt. Eine akute Virusinfektion kann dadurch Schutz vor einer weiteren Infektion bieten.
Fazit
Die Untersuchungen der Forscher konnten zeigen, dass eine Infektion mit dem Influenza-A-Virus sich auf die Virusreplikation von SARS-CoV-2 auswirkt, eine SARS-CoV-2-Infektion jedoch umgekehrt keinen Effekt auf die Influenza-Infektion hat. Zu einer viralen Interferenz scheint es demnach nur in eine Richtung zu kommen. Diese Ergebnisse verleiteten die Forscher zu der Annahme, dass eine Koinfektion mit SARS-CoV-2- und dem Influenza-A-Virus möglicherweise nicht zu einem schwereren Erkrankungsverlauf führt. Dennoch handelt es sich bei dieser Studie lediglich um eine tierexperimentelle Untersuchung und die Übertragbarkeit auf den Menschen ist nur begrenzt möglich.
Daneben weist die Studie noch einige weitere Einschränkungen auf. Die untersuchten Virusvarianten stammten aus der Zeit des Beginns der Corona-Pandemie und das Grippevirus aus dem Jahr 2009. Die aktuell verbreiteten Virusvarianten könnten sich anders verhalten und beispielsweise schwerere Erkrankungsverläufe zur Folge haben. Die in der Studie untersuchten Tiere verfügten zudem über keinerlei Immunität gegen die Viren, während Menschen in der Regel jahre- oder jahrzehntelange Erfahrung mit Influenza und in geringerem Maße auch mit SARS-CoV-2 haben.
Doppelimpfung gegen COVID-19 und Influenza für Risikogruppen empfehlenswert
Eine Studie, die vor Kurzem im Lancet erschien, zeigte anhand der Daten von über 200.000 Patienten mit Corona-Infektion und Koinfektion mit dem Influenza-Virus, dem respiratorischen Synzitial-Virus und Adenoviren, dass eine Koinfektion mit dem Influenza-Virus im Vergleich zu einer Monoinfektion mit dem SARS-CoV-2 mit einem erhöhten Risiko für invasive Beatmung einherging. COVID-19-Koinfektionen mit dem Influenza-Virus und Adenoviren waren zudem mit erhöhtem Sterblichkeitsrisiko verbunden.
Dies zeigt, dass sich die Effekte einer Koinfektion beim Menschen durchaus anders auswirken können und von vielen weiteren Faktoren wie Impfstatus und Immunität oder auch den zirkulierenden Virusvarianten abhängen. Für den Herbst und Winter und damit die Grippesaison ist deshalb eine Impfung sowohl gegen COVID-19 als auch gegen Grippe für Risikogruppen weiterhin angeraten und ein wirksamer Schutz gegen schwere Erkrankungsverläufe.