
Hintergrund
Mehr als 40 % der Todesfälle in den Industriestaaten sind auf Vernarbungen und Fibrosierungen des Herzens, der Leber, der Lungen, des Knochenmarks, der Haut oder der Nieren zurückzuführen. Trotz dieser bedrohlichen Effekte von Fibrosierungen, gibt es keine zugelassenen Therapien, die diese Prozesse stoppen oder rückgängig machen können. Ein kürzlich erschienener Artikel von Rurik et al. (2022), der eine vereinfachte Herstellung von CAR-T-Zellen zur Behandlung von Fibrosen beschreibt, gibt daher Anlass zu Hoffnung, wie Professor Dr. Scott L. Friedman von der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York in einem Kommentar im New England Journal of Medicine schreibt [1,2].
CAR-T-Zellen zur Behandlung von Fibrosen
In vorangegangenen Studien konnte im Mausmodell bereits gezeigt werden, dass CAR-T-Zellen in der Lage sind, aktivierte fibrogene Zellen gezielt im fibrosierenden Gewebe von Herz oder Leber zu entfernen. In diesen Studien wurden die CAR-T-Zellen auf herkömmliche Weise generiert: Aus einer Maus mit experimenteller Fibrose wurden Lymphozyten extrahiert. Auf diese Lymphozyten wurde im Labor ex vivo über einen retroviralen Vektor die DNA transduziert, die den Code für den entsprechenden CAR (chimärer Antigenrezeptor) enthielt. Beim Herzen hatte der CAR das Fibroblast-Activation-Peptid (FAP), das nur auf der Oberfläche aktivierter Fibroblasten gebildet wird, zum Ziel und bei der Leber den Urokinase-Typ-Plasminogen-Rezeptor. Die transfizierten Lymphozyten wurden anschließend wieder in die gleiche Maus verbracht. Diese aufwändige Labormethode limitiert jedoch die Verbreitung der CAR-T-Zell-Therapie.
CAR-T-Zell-Generierung in vivo
In der kürzlich veröffentlichten Studie nutzten Rurik et al. jedoch die von den SARS-CoV2-mRNA-Impfstoffen bekannte Lipid-Nanopartikel-Technologie zur Generierung von CAR-T-Zellen. Die Forscher entwickelten Lipid-Nanopartikel mit einem Anti-CD5-Signal auf der Oberfläche, das sie zu T-Zellen in vivo leitete. In den Partikeln befand sich eine mRNA, die für ein CAR codierte, das FAP bindet – das CAR wurde deshalb FAPCAR benannt. Bei der Fusion des Lipid-Nanopartikels gelangte die mRNA ins Zytoplasma und wurde in den FAPCAR translatiert. Auf diese Weise erlangten die T-Zellen die Fähigkeit, aktivierte kardiale Fibroblasten zu erkennen und zu binden.
Erfolgreicher Test im Mausmodell
Der mRNA-Transfer über die Lipid-Nanopartikel in die Lymphozyten bewirkte, dass sich die mit dem FAPCAR ausgestatteten T-Zellen in den Mäusen mit experimenteller kardialer Fibrose ähnlich verhielten wie die konventionell hergestellten CAR-T-Zellen in der vorangegangenen Studie. Der Vergleich der Ergebnisse der aktuellen Studie mit den Vorgänger-Studien zeigte, dass jeder Ansatz zum Tod der FAP-exprimierenden Zellen in vivo führte, die Fibrose reduzierte und die Herzfunktion verbesserte.
Vorteile der Methode
Die Befunde von Rurik et al. sind laut Friedman aus mehreren Gründen als Fortschritt zu betrachten:
- Statt einer aufwändigen Herstellung von CAR-T-Zellen ex vivo im Labor, kann die mRNA im Lipid-Nanopartikel einfach ab Lager bestellt werden. Mit diesen qualitätskontrollierten Therapeutika werden die CAR-T-Zellen dann in vivo generiert.
- Die Expression der mRNA ist vorübergehend. Es findet keine Integration der Nukleinsäure in das Wirtsgenom statt. Das reduziert das Risiko von genetischen Veränderungen auf lange Sicht und erlaubt sowohl Dosisanpassungen als auch wiederholte Behandlungen.
- Schließlich konnte die bemerkenswerte Sicherheit der Lipid-Nanopartikel-mRNA-Technologie durch die Impfung von Millionen von Menschen weltweit bewiesen werden.
Offene Fragen und Herausforderungen
Die Ergebnisse führen jedoch auch zu Fragen und zeigen Herausforderungen auf:
- Funktioniert der Ansatz auch bei einer hochgradigen Fibrosierung, die den Zugang der CAR-T-Zellen zu den aktiven fibrogenen Zellen durch Vernarbungen und Veränderungen der Gewebsstruktur erschwert?
- In bestimmten Kontexten könnte sich die Identifizierung eines idealen Ziels auf der Zelloberfläche als Herausforderung erweisen. Das ideale Ziel sollte auf das verletzte Gewebe beschränkt sein, um Effekte auf gesunde Gewebe zu minimieren.
- Bei der Wahl des Ziels auf der Oberfläche der fibrogenen Zellen für das CAR müssen auch spezies- und organspezifische Unterschiede beachtet werden.
- Die wichtigen physiologischen Funktionen der fibrogenen Zellen müssen berücksichtigt werden: Sie können auch normale Organfunktionen unterstützen und ihre Elimination könnten Regeneration und Reparatur unterbrechen. Ein vollständiger Stopp der der Vernarbung könne zu Herzrupturen führen. In der Leber haben die fibrogenen Sternzellen auch bedeutende homöostatische Funktionen.
- Schließlich wird auch ein rigoroser Test der Replikation durch unabhängige Laboratorien benötigt.
All diese Fragen liefern die Basis für weiterführende Untersuchungen dieser innovativen zielgerichteten Technologie zur Therapie schwerer Erkrankungen, die von körpereigenen Zellen ausgelöst werden.