
Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 hat sich nahezu weltweit durchgesetzt. Bislang sind drei Sublinien (BA.1–3) bekannt. In Deutschland ist vor allem BA.2 auf dem Vormarsch. Lag der Anteil der BA.2-Nachweise in der ersten Kalenderwoche 2022 noch bei 1,6 Prozent, waren es in Woche fünf bereits 14,9 Prozent. Schon in Kalenderwoche acht bis zehn – das heißt Anfang/Mitte März – könnte der Omikron-Subtyp das Infektionsgeschehen dominieren. Noch gibt es kaum detaillierte Erkenntnisse über BA.2, etliche Untersuchungen laufen. Eine japanische Arbeitsgruppe um Professor Dr. Kei Sato von der Universität Tokio hat unlängst die virologischen Merkmale von BA.1 und BA.2 verglichen – mit erstaunlichem Ergebnis: Gegenüber BA.2 zeigt BA.1 50 unterschiedliche Aminosäure-Positionen. Demnach unterscheiden sich die beiden Sublinien doppelt so stark voneinander wie der SARS-CoV-2-Wildtyp von den Mutationen Alpha, Beta, Gamma und Delta.
BA.2 ansteckender als BA.1
Gemäß einer statistischen Analyse liegt die effektive Reproduktionszahl von BA.2 im weltweiten Durchschnitt um das 1,4-fache höher als die von BA.1 (95%-KI: 1,29–1,52). Eine Person mit einer BA.2-Linien-Infektion würde damit rund 40 Prozent mehr Menschen anstecken. Das hätte eine schnelle globale Ausweitung zur Folge und könnte die Infektionszahlen in der laufenden Welle nochmal nach oben treiben, befürchten Sato und Kollegen.
Wohl keine erhöhte Immunflucht
In Neutralisierungsexperimenten untersuchten die Forscher die Immunescape-Eigenschaften der Sublinien. Beide Unterformen waren hochresistent gegen Seren von mit Spikevax oder Vaxzevria Geimpften sowie gegen Seren von Genesenen nach einer Alpha- oder Delta-Infektion. Große Unterschiede zwischen beiden Varianten scheint es bei der Immunflucht also nicht zu geben. Das zeigte schon eine Studie der Arbeitsgruppe um Jingyou Yu vom Beth Israel Deaconess Center (BIDMC) in Boston, USA. Der Anstieg der BA.2-Infektionen sei eher auf eine erhöhte Übertragbarkeit als auf eine verstärkte Immunflucht zurückzuführen, so die Wissenschaftler aus dem BIDMC.
Sato und Team bemerkten allerdings, dass BA.2 in gewissem Ausmaß einer gegen BA.1 gerichteten Immunantwort entfliehen kann. Die Forscher empfehlen deshalb, der Unterform einen eigenen griechischen Buchstaben zuzuordnen und diese als eigenständige besorgniserregende Variante zu listen.
Erhöhte Pathogenität wahrscheinlich
Zellkulturproben ergaben, dass sich BA.2 in humanen Epithelzellen der Nase massiver vermehrt als BA.1. Dazu kann die Subvariante verstärkt Synzytien bilden bzw. Einzelzellen verschmelzen lassen.
Infektionsversuche mit Hamstern sollten die Auswirkungen von BA.2- beziehungsweise BA.1-Infektionen im Vergleich zu der älteren SARS-CoV-2-Linie B.1.1 zeigen. Im Ergebnis durchlebten BA.1-infizierte Tiere einen asymptomatischen oder milden Erkrankungsverlauf. Demgegenüber fielen Krankheitszeichen wie Gewichtsverlust und Sauerstoffmangel bei BA.2-infizierten Hamstern ähnlich stark aus wie bei den B.1.1-infizierten Nagern. Verglichen mit BA.1 lässt dies auf stärkere pathogene Eigenschaften von BA.2 schließen, so das japanische Forscherteam. Dies wird durch pulmonale Zellproben der Tiere bestätigt. Hamster, die mit BA.2 infiziert waren, präsentierten stärkere Schäden in der Lunge als Tiere mit einer BA.1-Infektion. Die Sublinie BA.2 breite sich vermutlich rascher und effizienter im Lungengewebe aus als BA.1, so die Idee der Wissenschaftler.
Noch ist unklar, ob sich die Ergebnisse aus dem Tiermodellversuch auf den Menschen übertragen lassen. Insgesamt aber scheint das Risiko von BA.2 für die globale Gesundheit potenziell höher zu sein als das von BA.1.