
Indien und Südafrika fordern schon lange, Schutzrechte geistigen Eigentums bei Impfstoffen und damit verbundenen Technologien auszusetzen. So wären Schwellen- und Entwicklungsländer in der Lage, COVID-19-Vakzine selbst herzustellen und die Impfraten zu erhöhen. Doch nicht alle Nationen waren zu diesem Schritt bereit. Jetzt zeichnet sich in der Welthandelsorganisation (WTO) ein Kompromiss um die Freigabe von bestimmten Patenten auf Corona-Impfstoffe ab. Prinzipiell haben sich die EU, Indien, Südafrika und die USA im zuständigen WTO-Ausschuss für geistiges Eigentum (TRIPS) auf „Schlüsselelemente“ einer partiellen Patentfreigabe geeinigt, teilte die WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala am 16. März 2022 in Genf mit. Die Freigabe soll zeitlich begrenzt sein und auf Länder beschränkt bleiben, die bestimmte Kriterien erfüllen. Noch bestehe jedoch Abstimmungsbedarf unter den Nationen. Da WTO-Beschlüsse üblicherweise Konsensentscheidungen sind, müssen die 164 WTO-Mitglieder dem Abkommen zustimmen. Die Ablehnung durch ein Land könnte die Einigung immer noch blockieren.
Kriterien
Bei einem Positivbescheid würden Schwellen- und Entwicklungsländer künftig bestimmte Inhaltsstoffe und Herstellungsverfahren von COVID-19-Impfstoffen ohne die Zustimmung des Patentinhabers nutzen dürfen, wenn diese für die Produktion und Lieferung der Vakzine erforderlich sind. Dies träfe allerdings nur auf solche Länder zu, auf die im Jahr 2021 weniger als 10 Prozent der weltweiten Impfstoffexporte entfallen sind. Einige Elemente der Konsensvereinbarung – darunter die Frage, ob der Patentverzicht über drei oder fünf Jahre andauern soll – müssen noch ausgearbeitet werden. Der zur Abstimmung kommende Beschluss umfasst keine COVID-19-Behandlungen oder -Tests.
Vorschlag lange blockiert
Der vorläufigen Einigung gingen monatelange Verhandlungen voraus. Die EU und andere Länder blockierten zunächst den Vorschlag Indiens und Südafrikas, Patentrechte vorübergehend auszusetzen. Da viel zu wenig Impfstoffe in ärmere Regionen exportiert würden, sei ein wirksamer Impfschutz jedoch nicht erreichbar, so die Argumentation der beiden Länder.
Pharmabranche will Eigentumsrechte behalten
Die in der International Federation of Pharmaceutical Manufacturers and Associations (IFPMA) zusammengeschlossenen globalen Arzneimittelhersteller fürchten, dass eine Freigabe der Patentrechte ihre Fähigkeit beeinträchtigen könnte, auf zukünftige Krisen zu reagieren. IFPMA-Generaldirektor Thomas Cueni wertet eine Schwächung der Patente zu einem Zeitpunkt, zu dem allgemein anerkannt ist, dass es keine Lieferengpässe für COVID-19-Impfstoffe mehr gibt als falsches Signal.
Moderna verzichtet dauerhaft auf die Durchsetzung seiner Patentrechte
Das US-Unternehmen Moderna kündigte am 08. März 2022 an, in 92 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen dauerhaft auf die Durchsetzung der Patentrechte seines mRNA-Impfstoffs zu verzichten. Eine Lizenzgebühr falle nicht an, so Moderna-Präsident Stephen Hoge. Außerdem will der Konzern seine mRNA-Plattform auch externen Wissenschaftlern zugänglich machen. Darüber hinaus ist der Aufbau einer eigenen Impfstoff-Produktionsstätte in Kenia geplant. Dort sollen pro Jahr 500 Millionen Impfdosen produziert werden.
BioNTech hatte vor wenigen Wochen ebenfalls angekündigt, eine Impfstoff-Produktionsstätte in Afrika aufbauen zu wollen. Als mögliche Standorte sind Ruanda, Senegal und Südafrika im Gespräch. Zur Diskussion um die Patentfreigabe gibt es weder von Pfizer noch von BioNTech eine Stellungnahme.