
Remdesivir (Veklury) des US-Pharmaunternehmens Gilead Sciences, ist nun in den USA für die Anwendung bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 12 Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 Kilogramm für die Behandlung von COVID-19 zugelassen, wenn ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist. Aktuell laufen klinische Studien zur Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit von Veklury bei pädiatrischen Patienten. In Deutschland bzw. der EU besitzt Remdesivir eine bedingte Zulassung für die Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen (≥12 Jahre) mit COVID-19 und Sauerstoffpflichtigkeit. FDA-Kommissar Stephen M. Hahn betont in der Pressemitteilung der FDA: „Die FDA hat sich verpflichtet, die Entwicklung und Verfügbarkeit von COVID-19-Behandlungen während dieses beispiellosen Notfalls im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu beschleunigen. Die heutige Zulassung wird durch Daten aus mehreren klinischen Studien gestützt, die die Agentur streng geprüft hat und stellt einen wichtigen wissenschaftlichen Meilenstein in der COVID-19-Pandemie dar.“
Nach dem Bundesgesetz über Lebensmittel, Arzneimittel und Kosmetika (Federal Food, Drug, and Cosmetic Act, FFDCA) erfordert die Zulassung eines neuen Arzneimittels in den USA einen wesentlichen Nachweis der Wirksamkeit sowie Nachweis der Sicherheit für die beabsichtigte(n) Indikation(en) des Arzneimittels. Bei der Prüfung der Zulassung eines Arzneimittels führt die FDA eine Nutzen-Risiko-Bewertung auf der Grundlage strenger wissenschaftlicher Standards durch, um sicherzustellen, dass der Nutzen des Medikaments die Risiken für die Patienten überwiegt. Dies unterscheidet die offizielle Zulassung von den Anforderungen, die bei der Ausstellung der EUA erforderlich sind.
Über die Zulassungsstudien
Die Zulassung basiert nach Angaben der FDA auf Daten der drei randomisierten, kontrollierten klinischen Studien NCT04280705 (ACTT-1), NCT04292730 und NCT04292899 an denen Patienten mit leichtem bis schwerem COVID-19 teilnahmen.
Studie 1
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studie ACTT-1 wurde evaluiert, wie lange es dauerte, bis sich die Probanden innerhalb von 29 Tagen nach der Behandlung erholten. Die Studie untersuchte 1.062 Krankenhauspatienten mit leichtem, mittelschwerem und schwerem COVID-19: 541Patienten erhielten Remdesivir und 521 Patienten Placebo plus Behandlungsstandard. Die Ergebnisse zeigten einen statistisch signifikanten Unterschied auf: Für die Remdesivir-Gruppe betrug die mediane Zeit bis zur Genesung 10 Tage und für die Placebo-Gruppe 15 Tage. Zudem war die Wahrscheinlichkeit einer klinischen Verbesserung an Tag 15 in der Remdesivir -Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe statistisch signifikant erhöht.
Studie 2
In der zweiten randomisierten, offenen multizentrischen klinischen Studie (NCT04292899) an erwachsenen hospitalisierten Patienten mit moderatem COVID-19 wurde die Behandlung mit Remdesivir für fünf Tage (n=191) und die Behandlung mit Remdesivir für 10 Tage (n=193) mit einem Behandlungsstandard (n=200) verglichen und der klinische Status der Probanden am 11. Tag verglichen. Insgesamt war die Wahrscheinlichkeit, dass sich die COVID-19-Symptome eines Probanden besserten, in der fünftägigen Remdesivir-Gruppe am 11. Tag statistisch signifikant höher als bei denen, die nur die Standardbehandlung erhielten. Die Chancen auf eine Verbesserung bei der 10-Tage-Behandlungsgruppe im Vergleich zu denen, die nur den Behandlungsstandard erhielten, waren zahlenmäßig zwar günstig, aber statistisch nicht signifikant unterschiedlich.
Studie 3
In einer dritten randomisierten, offenen, multizentrischen klinischen Studie (NCT04292899) an erwachsenen hospitalisierten Patienten mit schwerem COVID-19 wurde die Behandlung mit Remdesivir für fünf Tage (n=200) mit einer Behandlung mit Remdesivir für 10 Tage (n=197) verglichen. Die Forscher bewerteten den klinischen Status der Probanden am 14. Tag. Insgesamt war die Wahrscheinlichkeit, dass sich die COVID-19-Symptome eines Probanden besserten, für die 5-Tage-Remdesivir-Gruppe ähnlich wie für die 10-Tage-Remdesivir-Gruppe und es gab keine statistisch signifikanten Unterschiede in den Sterblichkeitsraten zwischen den beiden Gruppen.
Zusammenfassung
Insgesamt zeigen die Studien keine Verringerung der Sterblichkeitsrate durch Remdesivir. Der Nutzen einer Remdesivir-Behandlung besteht jedoch in der statistisch signifikanten Verkürzung der Genesungszeit bei COVID-19.
Widersprüchliche Daten
Ende April wurden Daten einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multizentrischen Studie, die in zehn Krankenhäusern in Hubei, China durchgeführt wurde, in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht. Die Daten deuteten auf keinen statistisch signifikanter klinischen Nutzen von Remdesivir bei der Behandlung von Corona-Patienten hin. Weiterhin zeigten auch die vergangene Woche veröffentlichten Zwischenergebnisse der WHO-Studie Solidarity, dass Remdesivir keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Sterblichkeit oder die Länge des Krankenhausaufenthalts von COVID-19-Patienten zu haben scheint.
In verschiedenen Stellungnahmen wies Gilead allerdings darauf hin, dass die Studie aus China nicht aussagekräftig sei, da es zu wenige Probanden gegeben habe und dass die Ergebnisse der Solidarity Studie nicht der strengen Überprüfung unterzogen wurden, die erforderlich seien, um eine konstruktive wissenschaftliche Diskussion zu ermöglichen.
Nach Angaben des RKI wird empfohlen einen Behandlungsbeginn mit Remdesivir in der Frühphase der Erkrankung einzuleiten, da ein späterer Einsatz (>10 Tage nach Symptombeginn) wahrscheinlich keinen Vorteil mehr bringe, und eventuell sogar nachteilig sein könnte. Weiterhin könne eine antivirale Therapie in der hyperinflammatorischen Phase von COVID-19 nach der aktuellen Datenlage keinen Benefit leisten und auch für Patienten mit mechanischer Beatmung, inkl. ECMO scheint ein Nutzen fraglich zu sein.