Häufig stellen Patienten in Nierensteinkliniken die Frage, welches Wasser sie trinken sollen. Ein großer Unsicherheitsfaktor ist dabei Leitungswasser. Patienten führen oft Kalkansammlungen in Wasserleitungen oder Wasserkochern als Argument einer erhöhten Steinbildungsgefahr an. Eine übliche Annahme ist, dass die Kalk- und Magnesiumionen die Steinbildung auch in-vivo beeinflussen und das Wiederauftreten von Nierensteinen fördern. Diesen Zusammenhang haben Susan Willis und ihr Arbeitsteam vom Guy’s Hospital in London näher untersucht.
Wasser ja – aber welches?
Kürzlich gab das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) die Empfehlung heraus, dass Erwachsene mit Urolithiasis 2,5 bis 3 Liter Wasser pro Tag trinken sollten. Eine Anleitung, welches Wasser das beste ist und ob sich die Wasserhärte des Leitungswassers auf die Steinbildung auswirkt, gab es jedoch nicht.
Die Härte des Leitungswassers hängt von dessen Herkunft und den enthaltenden Mineralien ab. Hartes Leitungswasser hat beispielsweise einen höheren Anteil an Kalziumkarbonat (CaCO3) und wird meist aus sand- und kalksteinreichen Gebieten gefördert. Zudem gibt es kalziumreiches und kalziumarmes Mineralwasser. Die diversen Möglichkeiten verunsichern viele Patienten.
Kalzium und Magnesium bestimmen die Wasserhärte
Leitungswasser variiert bezüglich des Gehalts an Mineralien- und Elektrolyten erheblich, selbst zwischen den geografischen Gebieten innerhalb eines Landes. Die Wasserhärte wird durch die Konzentration an mehrwertigen Kationen, überwiegend Kalzium und Magnesium, bestimmt. Hartes Wasser hat definitionsgemäß eine höhere CaCO3-Konzentration als Weichwasser. Die WHO definiert Weichwasser mit bis zu 60 mg/L CaCO3, während sehr hartes Wasser >180 mg/L CaCO3 enthält. CaCO3 dissoziiert in Gegenwart von verdünnter Säure, zum Beispiel im Gastrointestinaltrakt in Ca2+ und CO32-.
Willis und Team untersuchten Studien, in denen die Urin-Kalziumkonzentration mit der Aufnahme von Wasser unterschiedlicher Härte in Relation gesetzt worden sind.
Italien: Wasserhärte korreliert mit Urin-Kalziumkonzentration
Eine italienische doppelblinde, randomisierte Cross-over-Studie untersuchte bereits 1999 den Einfluss der Kalziumkonzentration im Urin auf Oxalatsteinbildner (SF). Die Wissenschaftler bestimmten den Urinspiegel an Kalzium, Oxalat und Citrat – also den Hauptrisikofaktoren für Kalziumsteine – bei 18 Patienten mit idiopathischer Nephrolithiasis. Das erwartete Ergebnis, dass alkalischeres Wasser die Ausscheidung von Urincitrat erhöht, konnte in der Studie nicht bestätigt werden. Letztlich hatten aber die Patienten, die hartes Mineralwasser (255 mg/L Ca2+) tranken, eine signifikant höhere Kalziumkonzentration im Urin als diejenigen, die weiches Mineralwasser (22 mg/L Ca2+) oder örtliches Leitungswasser (63 ± 8 mg/L Ca2+) zu sich nahmen.
USA: Kalziumspiegel im Urin steigt mit zunehmender Wasserhärte
Eine US-amerikanische Studie unter der Leitung von Majid Mirzazadeh verglich den 24-Stunden-Urin von 15 Oxalatsteinbildnern mit dem von 14 Nicht-Oxalatsteinbildnern bezüglich der Aufnahme von weichem Leitungswasser, Leitungswasser mittlerer Härte und Mineralwasser. Analysiert wurde die Urin-Konzentration von Kalzium, Phosphor, Harnsäure, Oxalat, Citrat, Magnesium, Natrium, Kalium und Kreatinin. Auch in dieser Studie erhöhte sich bei den Oxalatsteinbildnern der Kalziumspiegel im Urin mit steigender Trinkwasserhärte.
In einer anderen US-amerikanischen Studie untersuchten Bradley F. Schwartz und Team 3.270 Urolithiasis-Patienten in Korrelation mit ihrem Aufenthaltsort und der Wasserhärte in diesem Gebiet. Die Menge der 24-Stunden-Urin-Kalziumausscheidung variierte je nach Wasserhärtegrad und stieg direkt proportional mit zunehmendem Härtegrad an. Jedoch nahm das steinhemmende Urincitrat ebenfalls mit steigender Wasserhärte zu. Keine Korrelation zwischen der Wasserhärte und der Urinkonzentration wurde bei Magnesium, Oxalat oder Harnsäure gefunden. Die Patienten in den Gebieten mit dem weichsten Wasser hatten durchschnittlich 3,4 Steinepisoden, verglichen mit 3 Episoden bei Bewohnern in Regionen mit hartem Wasser.
Iran: Wasserhärte beeinflusst die Steinbildung kaum
Abbas Basiri und Mitarbeiter untersuchten den Zusammenhang zwischen 1.755 Patienten mit Urolithiasis und der Härte des Wassers in 24 iranischen Provinzhauptstädten. Trotz erheblicher Schwankungen der Wasserhärte im ganzen Land fanden sie keinen Zusammenhang zwischen der Menge an Kalzium und Bikarbonat oder der Gesamthärte des Trinkwassers und der Bildung von Nierensteinen. Sie konnten jedoch eine inverse Korrelation zwischen dem Magnesiumgehalt des Leitungswassers und der Inzidenz von Nierensteinen zeigen. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die Wasserhärte nur ein sehr geringes Problem in Bezug auf die Steinbildung darstellt. Leitungswasser könnte den Autoren zufolge allenfalls bei Risiko-Patienten eine Urolithiasis begünstigen.
Deutschland: Kalziumausscheidung im Urin ist ernährungsabhängig
Roswitha Siener aus der Urologischen Abteilung der Bonner Universität bewertete mit ihrem Team die Auswirkung von Magnesium- (337 mg/L), Kalzium- (232 mg/L) und Bikarbonat-reichem (3388 mg/l) Mineralwasser auf die Urinzusammensetzung und das Risiko einer Kalziumoxalat-Kristallisation bei üblicher und kalziumstandardisierter Ernährung. Im Ergebnis führte ein hoher Magnesium- und Bikarbonatgehalt im Mineralwasser unter standardisierten und normalen Ernährungsbedingungen zu einem Anstieg des Urin-pH-Werts sowie einer erhöhten Magnesium- und Citratausscheidung. Eine signifikant erhöhte Kalziumausscheidung im Urin wurde nur bei der kalziumstandardisierten Ernährung festgestellt. Bei der üblichen Nahrungsaufnahme kam es hingegen zu einem deutlich höheren Harnvolumen und einer geringeren Übersättigung mit Kalziumoxalat. Demnach kann eine erhöhte Kalziumkonzentration im Harn durch die relative Übersättigung von Kalziumoxalat ausgeglichen werden.
Fazit
Nach Auswertung aller Studien lässt sich immer noch nicht genau sagen, ob hartes Leitungswasser die Bildung von Kalziumsteinen begünstigt, resümieren Willis und Kollegen. Es ist bekannt, dass Kalziumoxalat die Aufnahme von Kalzium im Darm begrenzt und das Steinbildungsrisiko bei Kalziumoxalatbildnern erhöht. Bei einer kalziumarmen Ernährung wird proportional mehr Oxalat im Harn ausgeschieden. Dieses ist lithogener als Kalzium. Kalziumoxalat-Steinbildner könnten demnach das Auftreten von Rezidiven verringern, wenn sie sich bei ihrer Ernährung an die allgemein empfohlene Kalziummenge halten. Für diese Patienten könnte sogar hartes Leitungs- oder Mineralwasser von Vorteil sein. Der alkalische pH-Wert des Mineralwassers muss dabei nicht beachtet werden. Vielmehr sollte das Wasser einen ausreichend hohen Gehalt von Bikarbonat oder anderen alkalischen Puffern aufweisen. Ein Wasserfilter zum Herausfiltern von harten Mineralien aus dem harten Trinkwasser ist laut Willis und Team für Patienten, die zur Bildung von Kalziumoxalatsteinen neigen, nicht erforderlich.