Sport verbessert den Insulintransport ins Gehirn

Wer sich sportlich betätigt, tut seinem Körper etwas Gutes. Das gilt auch für das Gehirn. Sport verbessert die kognitiven Fähigkeiten. Dafür verantwortlich sein könnte unter anderem das körpereigene Hormon Insulin, wie sich in aktueller Forschung mehr und mehr widerspiegelt.

Blut-Hirn-Schranke

Insulin spielt eine zentrale Rolle bei Diabetes mellitus. Kann der Körper keine für seinen Bedarf ausreichenden Mengen an Insulin mehr produzieren, entstehen Symptome eines Prädiabetes oder einer manifesten Erkrankung. Dem Typ-2-Diabetes dabei eine Insulinresistenz zugrunde. Sie kann peripher oder zentral auftreten.

Zentrale Insulinresistenz

Die zentrale Insulinresistenz betrifft das zentrale Nervensystem (ZNS). Sie ist häufig mit (milden) kognitiven Beeinträchtigungen verbunden, wie sie auch bei Alzheimererkrankungen auftreten. Dahinter könnte eine gestörte Blut-Hirn-Schranke (Blood-Brain-Barrier, BBB) stecken, denn Insulin muss diese Schranke überwinden, um im ZNS zu wirken. Bei Menschen mit Alzheimer beispielsweise ist der Transport von Insulin über die BBB vermindert. Deshalb wird vermutet, dass Alzheimer auch mit einer ZNS-Insulinresistenz zusammenhängen könnte.

Sport und Insulinresistenz

Sportliche Betätigung kann sich positiv auf eine Insulinresistenz auswirken. Das ist für die periphere Insulinresistenz schon länger bekannt. Auch bekannt ist, dass Sport die kognitiven Fähigkeiten von Menschen verbessert. Deshalb wird vermutet, dass körperliche Aktivität nicht nur peripher das Insulinlevel und die Insulinsensitivität erhöht, sondern auch im ZNS, und so zu verbesserten kognitiven Fähigkeiten führt. Darauf deuten Studien hin, in denen das Insulinlevel im ZNS bei Nagetieren und bei Menschen gezielt erhöht wurde. Sie wiesen bessere Gedächtnisfunktionen auf.

Einfluss auf Pharmakokinetik des Insulins

Die Insulinpharmakokinetik an der Blut-Hirn-Schranke wird durch viele Faktoren beeinflusst. Dazu zählen physiologische Zustände und verschiedene Serumfaktoren, wie Alzheimer, Diabetes, Adipositas, Serumtriglyzeride und das Insulinlevel.

Sport beeinflusst die Pharmakokinetik des Insulins über Veränderungen des physiologischen Zustands und der Level verschiedener Serumfaktoren, wie beispielsweise der Triglyzeride. Sie sind bekannt dafür, den Insulintransport über die BBB zu verschlechtern und sich somit negativ auf die Signalantwort des Insulinrezeptors im ZNS auszuwirken. Gleichzeitig sorgt Sport dafür, dass mehr Proteine in der Peripherie freigesetzt werden. Dazu zählen Myokine wie Irisin, Leberproteine wie das Gpdl1 oder Wachstumsfaktoren wie der brain-derived neurotorphic factor, kurz BDNF. Letzterer hilft auch, das Gedächtnis zu verbessern.

Sport und Hormontransport über BBB

Zwar ist schon länger bekannt, dass Sport hier überall Einfluss nimmt und auch eine gestörte Blut-Hirn-Schranke verbessern kann, welchen Effekt ein Training auf den Hormontransport über die Blut-Hirn-Schranke hat, ist bis auf den Laktattransport, die Clearance von Amyloid-beta und den Glukosetransport wenig erforscht. Eine amerikanische Studie hat sich deshalb nun näher mit dem Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke befasst. Die Ergebnisse wurden im »Journal of Applied Physiology« veröffentlicht.

Zielsetzung

Die präklinische Studie sollte untersuchen, ob Sport den Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke verbessern kann. Dadurch wollte das Team um Caitlin Brown und Elizabeth M. Rhea herausfinden, ob sich so das Signaling des ZNS-Insulinrezeptors verbessern ließe und dies ein Mechanismus sein könnte, der den trainingsinduzierten Verbesserungseffekt auf das Gedächtnis erklärt.

Methodik

Das Team forschte an zwei Monate alten männlichen und weiblichen CD-1 Mäusen. Die Tiere wurden bei 12-stündigen hell-dunkel Zyklen mit Futter und Wasser ad libitum gehalten. Vor Beginn der eigentlichen Interventionsphase wurden die Tiere zwei Tage lang an ihre neue Umgebung mit einem statischen Laufrad gewöhnt. Anschließend erfolgte die zufällige Zuteilung in eine der folgenden Gruppen:

  • Trainingsgruppe (n=24) für die Transportpharmakokinetik
  • Sitzgruppe (n=16) für die Transportpharmakokinetik
  • Trainingsgruppe (n=12) für die regionale Verteilung
  • Sitzgruppe (n=8) für die regionale Verteilung
  • Trainingsgruppe (n=5) für die biochemische Analyse
  • Sitzgruppe (n=5) für die biochemische Analyse

In den Trainingsgruppen wurden die Laufräder für jeweils 24 Studnen freigeschaltet. In diesen Zeiten konnten die Tiere die Laufräder so viel verwenden, wie sie wollten. Die durchschnittlich gelaufene Distanz unterschied sich nicht zwischen den jeweiligen Kohorten. Die Männchen liefen durchschnittlich 2,6 ± 0,3 km, die Weibchen 5,5 ± 0,6 km. Die Laufgeschwindigkeit war bei den Weibchen mit 26,0 ± 1,2 m/min größer als bei den Männchen mit 19,0 ± 0,9 m/min.

Um die Pharmakokinetik an der Blut-Hirn-Schranke zu quantifizieren, setzte das Team selbst hergestellte radioaktive Tracer ein. So konnten sie vermeiden, hohe Dosen an Insulin geben zu müssen.

Nach der 24-stündigen Laufzeit wurden die Mäuse anästhetisiert und ihnen das radioaktiv gelabelte Insulin und Albumin in die rechte Jugularvene gespritzt. Nach 0,5 bis 10 Minuten wurden Blutproben aus der linken Karotisarterie entnommen und analysiert. Anschließend wurden den Tieren der olfaktorische Bulbus, das gesamte Gehirn und der Hypothalamus entfernt und gewogen. Die Proben sowie Blutproben aus verschiedenen Körperstellen, unter anderem der Aorta descendens, den Jugularvenen und dem Hirn, wurden untersucht. Im Serum maß das Team die Konzentration von acht verschiedenen metabolischen Hormonen: Ghrelin, Glucose-dependent Insulinotropic Peptide (GIP), Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1), Glucagon, Insulin, Leptin, Plasminogen activator inhibitor-1 (PAI-1) und Resistin. Die Gewebeproben, unter anderem auch eine aus dem Gastrocnemiusmuskel als Referenz für periphere Werte, wurden mittels Pierce BCA Protein Assay Kit und Western Immunoblot auf ihren Proteingehalt getestet.

Ergebnisse

Die Experimente zeigten, dass sich das Training nicht auf die Clearance von Seruminsulin ausgewirkt hatte - weder bei den weiblichen noch bei den männlichen Tieren.

Insulintransport und vaskuläre Bindung

Bei den Männchen war auch kein signifikanter Unterschied in der Insulintransportrate im olfaktorischen Bulbus zu messen, wohl aber in der vaskulären Bindung von Insulin. Hier zeigten die Tiere, die trainiert hatten, ein signifikant höheres Bindeniveau (Sitzgruppe Vi = 0,97±2,5 mL/g vs. Trainingsgruppe Vi = 10,09 ±2,8 mL/g, p=0,0001). Im Hypothalamus ließ sich ebenfalls kein Unterschied in der Insulinpharmakokinetik finden. Der Gesamtinsulintransport über die Blut-Hirn-Schranke war aber fast zweifach höher in den Tieren, die 24 Stunden lang ad libitum im Laufrad gelaufen waren (Sitzgruppe Ki = 0,95± 0,18 mL/g·min vs. Trainingsgruppe Ki = 1,81± 0,21 mL/g·min, p=0,0072).

Bei den Weibchen wirkte sich das Training anders aus. Die Ergebnisse waren insgesamt weniger robust als bei den männlichen Tieren. Auf das gesamte Gehirn gesehen zeigte sich kein Trainingseffekt hinsichtlich des Insulintransportes über die Blut-Hirn-Schranke (Sitzgruppe Ki = 1,94 ± 0,23 mL/g·min vs. Trainingsgruppe Ki = 1,94 ± 0,24 mL/g·min, p=0,998). Anders sah das aber aus, wenn nur die vaskuläre Insulinbindung nach dem Training betrachtet wurde. Hier hatten die trainierten Tiere ein fast 50% größeres Bindeniveau (Sitzgruppe Vi = 4,8±1,3 mL/g vs. Trainingsgruppe Vi = 7,3 ± 1,8 mL/g, p= 0,054). Im olfaktorischen Bulbus wurde isoliert auch bei den weiblichen Tieren kein Unterschied zwischen den Gruppen gemessen, wohl aber ein signifikant niedrigeres Level von vaskulärer Insulinbindung in der Trainingsgruppe (Sitzgruppe Vi = 2,9± 6,3 mL/g vs. Trainingsgruppe Vi = 1,1± 2,2 mL/g, p=0,004).

Insulinaufnahme nach Hirnregionen und Training

Auch die regionale Aufnahme von Insulin unterschied sich je nach Geschlecht der Tiere. Während sie durch das Training bei männlichen Tieren nicht beeinflusst wurde, zeigten die weiblichen Tiere einen signifikanten Effekt des Trainings auf regionale Aufnahmen (F(1,192)=4,226, p=0,0412).

Die Trainingsgeschwindigkeit hatte keinen Einfluss auf die Insulinaufnahme im Gehirn. Auch die gelaufene Distanz wirkte sich nicht auf die Insulinaufnahme im gesamten Gehirn aus. Auf die einzelnen Hirnregionen gesehen bestand jedoch eine signifikant positive Korrelation zwischen der Insulinaufnahme im Hirn und der gelaufenen Distanz im olfaktorischen Bulbus (Männchen r=0,616, p=0,0336; Weibchen r=0,612, p=0,045). Bei den Weibchen fand sich zusätzlich ein ähnlicher Effekt im frontalen Kortex (r=0,727, p=0,010), während in allen anderen Hirnregionen keine Korrelation zwischen der Insulinaufnahme und der Laufgeschwindigkeit gemessen werden konnte.

Einfluss des Trainings auf Serumfaktoren

Neben der Insulinaufnahme in den verschiedenen Hirnregionen untersuchte das amerikanische Team auch, wie sich das Training auf Serumfaktoren wie verschiedene Hormone auswirkt. Sie fanden eine signifikante Interaktion zwischen dem Training und dem Geschlecht für das Hormon Leptin (F(1,14)=8,572, p=0,001). Bei Weibchen war das Hormon nach dem Training signifikant niedriger (F(1,14)=14,35, p=0,002). GLP-1 konnte aufgrund zu niedriger Werte nicht präzise genug gemessen werden. Die Triglyzeridlevel waren bei allen Tieren von Geschlecht und Training unbeeinflusst. Lediglich im Serumlevel von Ghrelin, Glucagon, Insulin und PAI-1 gab es noch signifikante Unterschiede aufgrund des Geschlechts.

Signaling des Insulinrezeptors nach dem Training

Als Maß für das Signaling der Insulinrezeptoren nahm das Team die Proteinphosphorylierung von Akt (pAkt). Bei Weibchen war der basale pAkt im Verhältnis zum totalen Akt im frontalen Kortex größer als bei Männchen (F(1,15)=7,674, p=0,014). Im Hippocampus war er nach dem Training niedriger (F(1,15)=6,472, p=0,023). Daraus schließt das Team, dass Training die Insulininteraktion an der Blut-Hirn-Schranke und das Insulinrezeptorsignaling im ZNS bei jungen und gesunden Mäusen beeinflussen kann. Im olfaktorischen Bulbus und im Hypothalamus hingegen zeigten sich keine Unterschiede. Hier wirkte sich das Training weder positiv noch negativ auf die Rezeptoraktivität aus.

Fazit

Sportliches Training verbessert den Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke bei Mäusen. Auch die Insulinbindung an das Gefäßsystem im Gehirn verbessert sich. Die Effekte sind jedoch unterschiedlich je nach Geschlecht der Tiere. Bei männlichen Tieren war der Effekt robuster. Sie zeigten nach dem Training einen signifikant größeren Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke. Bei weiblichen Tieren hingegen waren die Effekte insgesamt deutlich schwächer ausgeprägt.

Auf Serumfaktoren, die bekannterweise die Pharmakokinetik von Insulin an der Blut-Hirn-Schranke verändern können, wirkte sich das sportliche Training bei Mäusen nicht aus.

Das Team schließt aus den Ergebnissen, dass sportliches Training die Kognition beeinflussen könnte, in dem es den Insulintransport über die Blut-Hirn-Schranke und die Bindung von Insulin an das vaskuläre System im Gehirn beeinflusst. Nun brauche es aber weitere Forschungsvorhaben, um die Geschlechtsunterschiede zu untersuchen.

Autor:
Stand:
22.08.2022
Quelle:

Brown C. Et al. Insulin blood-brain barrier transport and interactions are greater following exercise in mice. Journal of applied physiology 2022; 132:824-834. DOI: 10.1152/japplphysiol.00866.2021

 

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