Long COVID auch bei neurologischen Symptomen

Zwei Studien dokumentieren die neurologischen und neuropsychiatrischen Spätfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Dabei lagen im Schnitt bei jedem sechsten Patienten noch drei Monate nach der überstandenen Akuterkrankung neurologische Symptome vor.

Long-COVID-Syndrom

Über die zunehmende Dauer der COVID-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass nach der überstandenen Akuterkrankung weitere Einschränkungen in Form von Langzeitschäden bestehen bleiben können. Etwa 10% der Patienten sind davon betroffen. Auch wenn es bislang (Stand April 2021) noch keine einheitliche Definition gibt, werden diese Langzeitfolgen unter den Begriffen „Long COVID“ oder „Post COVID Syndrom“ zusammengefasst. Hauptsymptome davon sind Müdigkeit, mangelnde Belastbarkeit, Luftnot und Herzbeschwerden.

In mehreren aktuellen Studien werden neurologische und neuropsychiatrische Spätfolgen beschrieben. So führt die Infektion mit SARS-CoV-2 nicht nur zu akuten neurologischen Problemen, bezeichnet als Neuro-COVID, sondern auch neurologische Langzeitfolgen können auftreten.

Neurologische Spätfolgen nach unterschiedlicher Schwere von COVID-19

Eine Studie aus Österreich von Dr. Verena Rass und Kollegen aus der Universitätsklinik Innsbruck beschreibt bei jedem sechsten Patienten neurologische und neuropsychiatrische Manifestationen, die drei Monate nach der Akuterkrankung noch anhielten [1].

In der prospektiven multizentrischen Kohortenstudie wurden insgesamt 135 Patienten untersucht, die drei Monate vorher aufgrund einer akuten COVID-19-Erkrankung behandelt worden waren. Insgesamt waren 23% des Patientenkollektivs auf der Intensivstation behandelt worden, weitere 53% auf der Normalstation und 24% ambulant.

Geruchsstörungen, Polyneuro- und -myopathien

Drei Monate nach der überstandenen Akuterkrankung zeigten 15% der Teilnehmer noch neurologische Symptome. Am häufigsten wurde eine Hyposmie oder Anosmie diagnostiziert, bei 17% der Teilnehmer. Manchen Betroffenen war dies zunächst nicht bewusst. Durch eine gezielte Untersuchung mittels SS-16-Test (16-Item Sniffin-Sticks-Test) wurde bei weiteren Teilnehmern (27%) eine Geruchsstörung diagnostiziert. Insgesamt waren damit 45% der Teilnehmenden von Geruchsstörungen in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Poylneuropathien und Polymyopathien wurden bei 12% festgestellt, milde Enzephalopathien bei 2,2% der Teilnehmer. In Einzelfällen bestanden Folgen eines Guillain-Barré-Syndroms und eines ischämischen Schlaganfalls.

Befunde bei ehemaligen Intensivpatienten

Bei jedem dritten Intensivpatient waren in der Akutphase Critical-Illness-Polyneuropathien oder  myopathien aufgetreten. Diese hatten sich nach drei Monaten gebessert, bei acht Patienten waren aber noch Restsymptome davon vorhanden. Eine Enzephalopathie, die akut ebenfalls bei einem Drittel der Intensivpatienten vorlag, persistierte bei einem Patienten. Kognitive Defizite konnten die Forscher bei insgesamt 23% der Teilnehmer nachweisen (< 26 Punkte im MoCA [Montreal Cognitive Assessment]), wobei der Anteil bei Patienten nach Enzephalopathie in der Akutphase bei 50% lag.

Lebensqualität bei jedem Dritten nach 3 Monaten noch eingeschränkt

Das funktionelle Ergebnis nach drei Monaten war insgesamt gut, nahezu alle Patienten konnten ihren Alltag unabhängig bewältigen. Dennoch berichteten alle Teilnehmer, unabhängig von der Schwere der Akuterkrankung, subjektiv über Vergesslichkeit, Konzentrations- und Denkschwierigkeiten und jeder Dritte fühlte sich in seiner Lebensqualität eingeschränkt. Auch die mentale Gesundheit war weiterhin angeschlagen. So zeigten einige Teilnehmer Depressionen (11%), Angst (25%) und posttraumatische Belastungsstörungen (11%).

Neurologische Symptome auch nach milden COVID-19-Verläufen

An einer US-amerikanischen prospektiven Studie aus Chicago nahmen insgesamt 100 Patienten teil [2]. Alle hatten in der Akutphase von COVID-19 nur einen milden Verlauf gezeigt, der keine stationäre Therapie erfordert hatte. Trotzdem klagten die Teilnehmer über seit mindestens 6 Wochen und darüber hinaus anhaltende neurologische Beschwerden.

Fatigue und kognitive Störungen sehr häufig

Die Ergebnisse des Teams um Dr. Edith Graham von der neurologischen Abteilung der Northwestern University Feinberg School of Medicine zeigten folgende neurologischen Manifestationen:

  • Fatigue (85%)
  • Kognitive Störungen (81%)
  • Kopfschmerzen (68%)
  • Taubheitsgefühle oder Kribbelparästhesien (60%)
  • Geschmacksstörungen (59%)
  • Anosmie oder Myalgie (jeweils 55%).

Limitationen der Studie

Bei der Betrachtung der Ergebnisse dieser Studie ist zu beachten, dass lediglich 50% der Teilnehmer einen positiven SARS-CoV-2-Test hatten. Die Patienten wurden auch in die Studie inkludiert, wenn sie die von der Infectious Diseases Society of America festgelegten Symptome von COVID-19 zeigten.

Dabei zeigte sich, dass eine Anosmie bei den SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten signifikant häufiger als bei den negativ getesteten Patienten vorlag (74% vs. 36%).

Quelle:
  1. Rass et al. (2021): Neurological outcome and quality of life three months after COVID‐19: a prospective observational cohort study. European Journal of Neurology, DOI: https://doi.org/10.1111/ene.14803
  2. Graham et al. (2021): Persistent neurologic symptoms and cognitive dysfunction in non‐hospitalized Covid‐19 “long haulers”. Annals of Clinical and Translational Neurology, DOI: https://doi.org/10.1002/acn3.51350
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