
Das Psychostimulans Methylphenidat, bekannt vor allem unter dem Handelsnamen Ritalin, kann zur Pharmakotherapie bei ADHS eingesetzt werden. Eine weitere Indikation ist Narkolepsie. Mehrere kleine Studien haben die Wirkung von Methylphenidat bei Alzheimer-Patienten mit Apathie untersucht, größere Studien fehlten bisher.
Bei Patienten mit Demenz kann eine Vielzahl neuropsychiatrischer Symptome auftreten. Neben Aggressivität, Unruhe und Depressionen, kann es auch zu apathischem Verhalten kommen. Die Patienten sind passiv und zeigen einen Verlust von Enthusiasmus, Interessen und Empathie. Studien zeigen, dass Apathie bereits früh im Verlauf der Erkrankung auftritt und häufig auch über die Dauer der Erkrankung anhält.
Apathie bei Alzheimerdemenz belastet nicht nur das Pflegepersonal und die Angehörigen, sondern führt zu einer verminderten Lebensqualität der Betroffenen und verstärkt deren funktionelle und kognitive Defizite. Außerdem scheint das Auftreten von Apathie bei Demenzpatienten mit einer erhöhten Mortalität assoziiert zu sein. Weitere Daten zum Einsatz von Methylphenidat bei Patienten mit Apathie im Zuge einer Alzheimerdemenz sind demnach dringend erforderlich.
Zielsetzung
Ein Team um Dr. Jacobo Mintzer von der Medical University of South Carolina in Charleston, USA, untersuchte, ob Methylphenidat die Apathie-Symptome bei Alzheimer-Patienten im Vergleich zu Placebo senken kann [1].
Methodik
In der multizentrischen Studie nahmen Patienten aus neun Zentren in den USA und einem Zentrum in Kanada teil. Die Teilnehmer wurden im Zeitraum von August 2016 bis Juli 2019 rekrutiert. Die Teilnehmer litten an Alzheimerdemenz und zeigten milde bis moderate kognitive Beeinträchtigungen. Sie wurden 1:1 in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe erhielt Methylphenidat in einer Dosierung von 10 mg zweimal täglich, die andere Gruppe erhielt einen Placebo.
Als primäre Endpunkte wurden Änderungen nach 6 Monaten Therapie im Vergleich zur Baseline auf der Neuropsychiatric Inventory (NPI) Subskala für Apathie sowie Änderungen des Alzheimer’s Disease Cooperative Study Clinical Global Impression of Change (ADCS-CGIG) beurteilt. Beide Instrumente werden häufig im Rahmen von Studien zur neuropsychiatrischen Evaluierung von Interventionen bei Alzheimerdemenz eingesetzt. Sekundäre Endpunkte waren Sicherheit, kognitive Änderungen und die Lebensqualität der Teilnehmenden.
Ergebnisse
Insgesamt gingen 200 Patienten in die Studie ein, wovon 99 in die Methylphenidat-Gruppe randomisiert wurden und 101 in die Placebo-Gruppe. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer lag bei 76 Jahren, 34% waren weiblichen Geschlechts und 66% waren Männer. Etwa 75% der Teilnehmer nahmen bereits vor Studieneinschluss Cholinesterasehemmer ein, 38% Memantin und etwa ein Drittel SSRI. Die jeweilige Medikation wurde bei Teilnehmern der Verum-Gruppe beibehalten. 21% der Teilnehmer nahmen keine Medikamente zur Alzheimer-Therapie.
Rückgang der Apathie unter Methylphenidat
Bei den Patienten, die Methylphenidat erhielten, kam es zu einem stärkeren Abfall der Apathie auf dem NPI-Score im Vergleich zur Baseline als bei den Patienten der Placebo-Gruppe (mittlere Differenz -1,25; 95% Konfidenzintervall [CI] -2,03 bis -0,47; p = 0,002). Der stärkste Abfall des NPI-Apathie-Scores zeigte sich innerhalb der ersten 100 Behandlungstage.
Kein Einfluss auf Lebensqualität, keine schweren Nebenwirkungen
Änderungen des kognitiven Status zwischen beiden Gruppen traten nicht auf. Auch die Lebensqualität zeigte sich in beiden Gruppen gleich. Während des Beobachtungszeitraums traten 17 Fälle von schweren Nebenwirkungen auf, die aber nicht mit Methylphenidat in Zusammenhang standen. Signifikante Änderungen des Sicherheitsprofils zwischen beiden Gruppen zeigten sich demnach nicht.
Fazit
Die Ergebnisse dieser Phase-III-Studie zeigen Methylphenidat als sicheres und wirksames Medikament zum Erreichen einer Apathieremission bei Patienten mit Alzheimerdemenz. Methylphenidat hatte jedoch keine Auswirkungen auf Kognition und Lebensqualität, aufgrund des guten Sicherheitsprofils wäre die Therapie allerdings mit wenigen Risiken behaftet.