
Hintergrund
Ein ischämischer Schlaganfall liegt bei 80% der Schlaganfälle vor. Risikofaktoren sind unter anderem Hypertonie, Myokardinfarkte oder Vorhofflimmern. Damit keine bleibenden Schäden entstehen, muss der Blutfluss schnellstmöglich medikamentös mittels Lysetherapie oder durch einen endovasalen Eingriff bzw. Gefäßkatheter-Eingriff wiederhergestellt werden.
Die endovasale Therapie beim akuten ischämischen Schlaganfall hat einen Evidenzgrad von eins. Dennoch scheinen Daten zum Outcome nach endovasaler Therapie im Real-World-Setting schlechter zu sein als in randomisierten-kontrollierten Studien (RCTs). Weiterhin ist die Wirkung der endovasalen Therapie bei Patienten mit milden Symptomen und bei solchen mit schweren Symptomen unklar im Vergleich zur Wirkung der medikamentösen Therapie.
Zielsetzung
Forscher um Zixu Zhao von der Nanchang University in Jiangxi (China) untersuchten in einer Metaanalyse die endovasale Therapie im Vergleich zur medikamentösen Therapie bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall [1].
Methodik
In einer Literaturrecherche wurden Studien aus dem Zeitraum von 2009 bis 2019 gesucht, die entweder als RCTs oder als Beobachtungsstudien die endovasale Therapie mit der medikamentösen Therapie bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall verglichen haben.
Die Beobachtungsstudien wurden basierend auf Bildgebungsdaten in drei Gruppen kategorisiert:
- Leichte Schlaganfälle mit NIHSS-Score < 6
- Schwere Schlaganfälle mit Alberta Stroke Program Early CT Score (ASPECT) < 6 oder Infarkt-Kernzone ≥ 50 ml
- Andere mittelschwere Schlaganfälle.
Das Outcome wurde mittels modifizierter Rankin-Skala von 0 bis 2, der 90-Tages-Mortalität und der Rate symptomatischer Hirnblutungen (sICH) in den ersten 24 Stunden nach Behandlung beurteilt.
Ergebnisse
Insgesamt gingen 15 RCTs mit insgesamt 3.694 Teilnehmern und 37 Beobachtungsstudien (9.090 Teilnehmer) in die Metaanalyse ein.
Mittelschwere Schlaganfälle
Die endovasale Therapie war mit einer höheren modifizierten Rankin-Skala und einer niedrigeren Mortalität in den RCTs und bei Patienten mit mittelschweren Schlaganfällen assoziiert. Endovasale Eingriffe waren mit einer höheren Rate an sICH in der Gruppe mit den mittelschweren Schlaganfällen assoziiert. Keine Unterschiede zeigten sich in den sICH-Raten zwischen der endovasalen und der medikamentösen Therapie in den RCTs.
Schwere Schlaganfälle
In dieser Gruppe war die endovasale Therapie mit einer höheren modifizierten Rankin-Skala und einer niedrigeren Mortalität assoziiert. Es zeigten sich keine Unterschiede in der sICH-Rate.
Leichte Schlaganfälle
Bei Patienten mit leichten Schlaganfällen zeigte sich kein Unterschied in den Werten der modifizierten Rankin-Skala zwischen der medikamentösen und der endovasalen Therapie. Letztere war in dieser Gruppe jedoch mit einer höheren Mortalität und einer höheren sICH-Rate assoziiert.
Fazit
Die Ergebnisse korrespondieren mit den aktuellen Leitlinien und zeigen eine Evidenz, sowohl in RCTs als auch in Beobachtungsstudien, für die endovasale Therapie als erste Wahl bei Patienten mit mittelschweren und schweren akuten ischämischen Schlaganfällen. Im Gegensatz zu den aktuellen Leitlinien unterstützen die Daten dieser Metaanalyse allerdings nicht den Einsatz der endovasalen Therapie bei Patienten mit leichten Schlaganfällen.
„Wichtig ist also eine kluge Patientenstratifizierung, in die neben der Schwere des Insults auch andere Faktoren eingehen sollten, beispielsweise das mögliche Narkoserisiko bei älteren Menschen“, erklärt der Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Professor Dr. Hans-Christoph Diener [2].
„Die Studie zeigt aber auch die Notwendigkeit, die Versorgungsstrukturen zu verbessern und Netzwerke zu bilden, mit dem Ziel auch Menschen in ländlichen Regionen den Zugang zur mechanischen Thrombektomie in einem erfahrenen Zentrum zu ermöglichen. Bei schweren Schlaganfällen müssen Betroffene auf dem Land die gleiche Chance auf eine vollständige Genesung haben wie Patienten in Ballungsgebieten“, so Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN [2]. „Während wir für die Lysebehandlung nur ein Behandlungsfenster von 4,5 Stunden haben, profitieren schwerer Betroffene auch noch später von einer Thrombektomie. Unverändert gilt bei Schlaganfällen aber die Regel: ‘Time is brain‘.“