ESMO 2022: TIL als neue Option beim Melanom

Schon lange werden tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) als Form der Immuntherapie untersucht. Durch den Erfolg der Checkpoint-Inhibitoren war es ruhig um diesen Ansatz geworden. Jetzt belegt eine Phase-III-Studie die Machbarkeit und Effektivität dieser Immuntherapie beim nicht resektablen Melanom.

T-Zelle Krebs

Die von Professor Dr. John Haanen, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, beim ESMO Congress 2022 vorgestellten Studienergebnisse [1] nähren die Hoffnung, mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TILs) die Therapie von metastasierten soliden Tumoren zu verbessern und für mehr Betroffene die Chance auf Heilung zu eröffnen. Die Studie schloss Patientinnen und Patienten mit einem nicht resektablen Melanom Stadium IIIC oder IV ein, die nach einer Linie einer Systemtherapie einen Progress entwickelt hatten. Ipilimumab war als Vortherapie ausgeschlossen.

TIL-Produktion im eigenen Labor

Die TIL-Produktion erfolgte im Labor der jeweiligen Klinik. Für die Gewinnung von TIL wurde zunächst eine Melanomläsion entfernt, das Tumorgewebe enzymatisch verdaut und fragmentiert und unter Hinzugabe von Interleukin-2 auf Platten kultiviert. Nach Anwachsen erfolgte die Expansion der Zellen nach einem festgelegten Protokoll und die Abfüllung in einen Infusionsbeutel. Die Patientinnen und Patienten erhielten die Infusion ihrer individuellen TIL nach einer nicht-myeloablativen, lymphodepletierenden Chemotherapie mit Cytarabin und Fludarabin.

Nach TIL-Infusion erfolgte die Gabe von hoch dosiertem Interleukin-2 i.v. alle acht Stunden (maximal 15 Dosen). Insgesamt lagen zwischen Metastasektomie und TIL-Infusion etwa fünf Wochen, erklärte Haanen. 84 Patientinnen und Patienten erhielten im Rahmen der Studie die TIL-Therapie, 84 als aktive Kontrolle eine Ipilimumab-Therapie (3 mg/kg alle drei Wochen, maximal vier Dosen).

PFS verlängert – Plateau erkennbar

Nach median 33 Wochen zeigte sich ein Vorteil für die TIL-Therapie im primären Endpunkt, dem progressionsfreien Überleben (engl. progression-free survival, PFS) nach RECIST-Kriterien. In der TIL-Gruppe war das Risiko für Progress oder Tod gegenüber der Ipilimumab-Gruppe halbiert (Hazard Ratio [HR] 0,50; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,35–0,72; p<0,001). Das mediane PFS lag bei Therapie mit TIL bei 7,2 Monaten, bei Therapie mit Ipilimumab bei 3,1 Monaten. Nach 24 Monaten zeigte sich in der TIL-Gruppe eine Plateaubildung bei etwa 25% ab.

Ansprechrate mehr als verdoppelt

Die Gesamtansprechrate betrug in der TIL-Gruppe 48,8% (Komplettansprechen 20,2%), mit Ipilimumab 21,4% (Komplettansprechen 7,1%). Ein Ansprechen oder eine stabile Erkrankung wiesen 67,9% bzw. 39,3% der Patientinnen und Patienten in den beiden Gruppen auf. Die Studie war nicht dafür konzipiert, einen Unterschied im Gesamtüberleben (engl. overall survival, OS) nachzuweisen. Das mediane OS zeigte in der aktuelle Analyse einen numerischen, aber nicht signifikanten Unterschied (25,8 vs. 18,9 Monate, HR 0,83; 95% KI 0,54–1,27; p=0,39).

Unterschiedliches Nebenwirkungsprofil

Die Nebenwirkungen waren in der Studie laut Haanen gut beherrschbar, auch wenn alle Patientinnen und Patienten bei TIL-Therapie und 57% derjenigen mit Ipilimumab-Therapie unerwünschte Ereignisse (UE) des Grads 3 oder höher entwickelten. Bei TIL-Therapie resultierten die UE Grad ≥3 aus der lymphodepletierenden Therapie (Zytopenien mit 83,8% febrilen Neutropenien) sowie der hochdosierten Interleukin-Gabe (72,5% febrile Neutropenien, 60,0% Hypophosphatämie, 45,0% Fieber).

Trotz der hohen Nebenwirkungsrate war die Lebensqualität im Studienarm mit TIL-Therapie signifikant besser als mit Ipilimumab-Therapie, wo Kolitis (19,5%) und Diarrhö (14,6%) die häufigsten UE des Grads ≥3 darstellten.

Zulassung noch nicht absehbar

Die Studie ist auf ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT02278887 registriert. Sie wurde öffentlich von der Dutch Cancer Society, der Netherlands Organization for Health Research and Development und dem Dutch Ministry of Health sowie dänischen und norwegischen Organisationen finanziert. Mit der Förderung durch niederländische Organisationen und Behörden ist die Kostenübernahme für diese Immuntherapie-Methode in den Niederlanden, sagte Haanen.

Über die Registrierung bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA wird diskutiert. Inzwischen haben pharmazeutische Unternehmen ihr Interesse an der Mitentwicklung geäußert, berichtete er anlässlich der ESMO-Pressekonferenz am 10. September 2022. Es ist aber noch nicht entschieden, wie die Methode breiter verfügbar gemacht werden kann.

Autor:
Stand:
16.09.2022
Quelle:

Prof. Dr. John B.A.G. Haanen: „Treatment with tumor infiltrating lymphocytes (TIL) versus ipilimumab (IPI) for advanced melanoma: results from a multicenter, randomized phase 3 trial“, ESMO Congress 2022, Abstract LBA3, Paris, 10. September 2022. Annals of Oncology. DOI: 10.1016/j.annonc.2022.08.036

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