Genanalyse bei Krebs für alle Patienten

Einer von acht Krebspatienten besitzt erblich bedingte Genveränderungen, die für die Krebsentstehung mitverantwortlich sind. Fast die Hälfte dieser Mutationen wären mit einer Untersuchung den Leitlinien-entsprechend nicht entdeckt worden.

Genanalyse

Hintergrund

Krebserkrankungen können durch verschiedene Umwelteinflüsse entstehen und circa 5-10% sind erblich bedingt. Diese sind auf spezifische Genmutationen zurückzuführen deren Identifizierung heutzutage entscheidenden Einfluss auf Therapieentscheidungen, risiko-minimierende Eingriffe und die Krebsvorsorge der Angehörigen von betroffenen Patienten hat. Eine erbliche Anlage liegt insbesondere bei Brust-, Prostata- und Darmkrebs vor.

Die aktuellen Leitlinien befürworten Gentests, wenn verschiedene Faktoren vorliegen. Hierzu zählen unter anderem spezifische pathologische Tumoreigenschaften, Alter bei Diagnose, sowie eine familiäre Krebsbelastung. Es liegen jedoch nur wenige Studien vor, die allgemein die Prävalenz von genetischen Veränderungen in Krebspatienten untersuchen ohne eine vorherige Selektion die von den Leitlinien vorgegeben wird.

Zielsetzung

Die Studie untersucht, ob ein allgemeiner Ansatz der Gentestung in Krebspatienten mehr erbliche bedingte Genveränderungen identifizieren kann als ein Leitlinien-basierter Ansatz.

Methodik

In die prospektive Studie wurden Krebspatienten eingeschlossen, die sich aufgrund eines soliden Tumors einer Anti-Krebstherapie in den vier Krebszentren der Mayo-Klinik (USA) und einer Gemeinschaftspraxis in Wisconsin unterzogen haben. Alle Patienten wurden auf Veränderungen in 84 Genen mittels Next-Generation Sequencing (NGS) getestet. Es erfolgte keine vorherige Patientenselektion nach Krebsart, Krankheitsstadium, Ethnizität, Alter oder Familienanamnese. Die NGS-Ergebnisse wurden mit Ergebnissen die nach den aktuellen Leitlinien ermittelt wurden verglichen.

Ergebnisse

Patientencharakteristika

In die Studie wurden insgesamt 2.984 Krebspatienten mit einem mittleren Alter von 61,4 ± 12,2 Jahren eingeschlossen. 1.582 Patienten (53,0%) waren männlichen Geschlechts. Zu den diagnostizierten Krebsarten zählten Brust-, Darm-, Lungen-, Eierstock-, Bauchspeicheldrüsen-, Prostata- und Gebärmutterkrebs.

Bei der Charakterisierung nach dem vorliegenden Krankheitsstadien konnten 535 Patienten (18,6%), dem Stadium 0/I, 477 Patienten (16,7%) dem Stadium II, 593 Patienten (20,7%) dem Stadium III und 1.257 Patienten (43,9%) dem Stadium IV zum Zeitpunkt der genetischen Analyse zugeordnet werden. Bei der Erstellung der Familienanamnese berichteten 1.019 Patienten (34,1%), dass ein Verwandter ersten Grades ebenfalls an Krebs erkrankt ist.

Ergebnisse der NGS-Analyse

Bei insgesamt 397 Patienten (13,3%) konnte eine pathogene Mutation identifiziert werden. Von diesen trugen 282 Patienten (70%) Gene mit einer moderaten (n=133) bis hohen (n=149) Penetranz, die das Krebsrisiko erhöhen und 1.415 Patienten (47,4%) zeigten Genvarianten mit einer unbekannten Signifikanz. Als Konsequenz wurde bei 42 Patienten (28,2%), bei denen Gene mit einer hohen Penetranz nachgewiesen wurden, die Krebstherapie verändert. Zu den Modifikationen zählten: chirurgisches Management, Immuntherapie, Chemotherapie oder Einschluss in eine Klinische Studie, die erst aufgrund dieser Ergebnisse möglich wurde.

Vergleich der Testmethoden

Die allgemeine Testmethode mittels NGS-Analyse identifizierte 192 Patienten (6,4% aller Patienten und 48,4% der Patienten mit nachgewiesenen pathogenen Mutationen), die bei der Durchführung der Leitlinien-gerechten Testmethode (Phänotyp oder Familienanamnese) nicht erkannt worden wären. Hiervon hatten 83 Patienten (43,2%) eine moderate und 35 Patienten (18,2%) eine hohe Penetranz.

Familienanamnese und die Konsequenzen

Pathogene Genmutationen in der Keimbahn wurden ausschließlich bei Patienten nachgewiesen, die bereits in jungen Jahren (<50 Jahre) an Krebs erkrankt sind (Odds Ratio: 1,38; 95%-KI: 1,06-1,78). Den Angehörigen dieser Patienten wurde eine kostenlose Genanalyse angeboten. Dieses Angebot nahmen lediglich 176 Angehörige von 70 Patienten (17,6%) wahr. Bei 79 Angehörigen (45%) wurden ebenfalls pathogene Genmutationen nachgewiesen.

Fazit

Der allgemeine Ansatz der Genanalyse bei Krebspatienten kann weitaus mehr klinisch signifikante Mutationen insbesondere auch Keimbahnmutationen nachweisen als ein spezifischer Ansatz der in den aktuellen Leitlinien empfohlen wird. Bei einem von acht getesteten Patienten wurden erblich bedingte Genvariationen nachgewiesen, die mit einer Leitlinien-gerechten Analyse nicht identifiziert worden wären. So profitierten in dieser Studie fast 30% von diesem neuartigen Ansatz, da aufgrund der vorliegenden Analyse ihre Krebstherapie optimiert werden konnte.

Es zeigte sich aber auch, dass nur wenige Angehörige die ein Familienmitglied mit einer erblich bedingten Krebserkrankung haben, dass Angebot wahrgenommen haben sich ebenfalls testen zu lassen. Es scheint, dass hier sozioökonomische und emotionale Aspekte eine Barriere bilden, die es zu durchbrechen gilt.

Zusammenfassend sollte darüber nachgedacht werden, nach Diagnosestellung bei jedem Krebspatienten eine allgemeine Genanalyse durchzuführen. Die heutigen Kosten sind mit Entwicklung von NGS überschaubar und sparen dem Gesundheitssystem auf lange Sicht viel Geld.

Autor:
Stand:
18.11.2020
Quelle:

Samadder N.J. et al. (2020): Comparison of Universal Genetic Testing vs Guideline-Directed Targeted Testing for Patients With Hereditary Cancer Syndrome. JAMA Oncology, DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.6252

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