ASCO GU 2023: Nur OP bei Seminom IIA/B?

Bei Seminom im Stadium IIA/B wird adjuvant eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie empfohlen. Beides kann mit einer signifikanten Langzeittoxizität einhergehen. In Köln wird untersucht, ob DNA-schädigende Therapien operativ vermieden werden können.

Hodenkrebs Seminom

Nur etwa 10% bis 15% der Seminome werden in einem klinischen Stadium IIA/B diagnostiziert. Die Leitlinien empfehlen laut Professor Dr. Tim Nestler von der Abteilung für Urologie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz zur Behandlung entweder eine Strahlentherapie mit 30 oder 36 Gy Gesamtdosis oder eine Chemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin, Etoposid und Bleomycin (PEB, alternativ vier Zyklen EP bei Kontraindikation gegen Bleomycin) [1,2].

Damit einher gehen zwar hohe Heilungsraten, aber auch entsprechende Toxizitäten und eine im Langzeitverlauf erhöhte Mortalität, wie Nestler erläuterte. Die prospektive Studie COTRIMS (Cologne Trial of Retroperitoneal Lymphadectomy in Metastatic Seminoma) untersucht, ob die Nerven-sparende retroperitoneale einseitige Lymphadenektomie mit modifiziertem Template (nsRPLND) als einzige Behandlungsmodalität ebenso effektiv ist und ermöglicht, DNA-schädigende Therapien zu vermeiden. Nur als Rezidivtherapie wurden in der Studie drei bis vier Zyklen PEB eingeplant.

nsRPLND ist machbar

Nestler berichtete anlässlich des 2023 ASCO-GU Symposiums über die ersten 30 Patienten, die auf diese Weise behandelt worden waren [1]. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 34,2 Jahren, bei 63,3% lag nach nsRPLND ein Stadium IIA, bei 36,4% ein Stadium IIB vor. Bei 27 Patienten (90%) erfolgte die Operation offen, bei 3 (10%) roboterassistiert. Eine antegrade Ejakulation trat bei 26 Patienten (86,7%) auf. Komplikationen des Clavien-Dindo-Grads IIIa bis IV wurden bei 4 Patienten (13,3%) beobachtet. Es handelte sich dabei um Lymphozelen, chylösen Aszites und paralytischen Ileus.

Pathologie mit Überraschungen

Im Mittel wurden 17,1 Lymphknoten entfernt. 1,4 Lymphknoten waren im Mittel pro Patient positiv. Positive Lymphknoten hatten einen mittleren Durchmesser von 2,1 cm. Die pathologische Untersuchung ergab bei 26 Patienten (86,7%) ein Seminom, das in 7 Fällen (33%) extrakapsulär ausgedehnt war.

Bei 3 Patienten (10%) fand sich aber auch eine benigne Histologie und bei einem Patienten ein embryonales Karzinom. 4 von 30 Patienten (13,3%) wiesen also keine Seminom-Metastasen auf. Explorativ war bei 18 Patienten der potenzielle Biomarker miR371 mit erhoben worden. Er war bei den benignen Tumoren in allen Fällen negativ, betonte Nestler.

Behandlungsergebnisse

Die mediane Beobachtungsdauer der Auswertung lag bei 29,4 Monaten. Das rezidivfreie Überleben betrug 86,7%. Drei Patienten entwickelten nach vier, sechs beziehungsweise neun Monaten ein Rezidiv und erhielten eine Chemotherapie. Das Gesamtüberleben liegt bislang bei 100%, sagte Nestler. Insgesamt beurteilte er die nsRPLND als eine sehr wirksame Therapie von Seminomata des klinischen Stadiums IIA/B, die mit wenig chirurgischen Komplikationen und kaum Langzeittoxizität einhergeht.

Ausblick

Neben der COTRIMS-Studie in Köln untersuchte die PRIMETEST-Studie in Düsseldorf und assoziierten Zentren die nsRPLND zur Therapie von Patienten mit Seminom im klinischen Stadium II A/B [3]. Dort wurde der primäre Endpunkt mit einer Rezidivrate von 31% allerdings nicht erreicht und der nsRPLND wird dort inzwischen ein Zyklus Carboplatin nachgeschaltet, berichtete Nestler.

In einer US-amerikanischen Studie lag die Rezidivrate bei ausschließlich offener nsRPLND bei 16%. In allen Studien waren die Patientenzahlen bislang klein und prospektive randomisierte Studien, die eine nsRPLND mit einer Standardtherapie vergleichen, fehlen.

Die nsRPLND ist damit aktuell noch eine auf wenige Zentren mit besonderer chirurgischer Expertise beschränkte Behandlungsoption bei Seminomen im Stadium IIA/B. Eine Phase-III-Studie zum Vergleich dieser Methode mit einer Strahlentherapie plus Carboplatin ist laut Nestler in Planung.

Die COTRIMS-Studie ist im Deutschen Register Klinischer Studien unter der Nummer DRKS00025384 registriert und wurde von der Universität Köln finanziert.

Autor:
Stand:
23.02.2023
Quelle:
  1. Prof. Dr. Tim Nestler für Prof. Dr. Axel Heidenreich: „Interim analysis of the prospective COTRIMS (Cologne Trial of Retroperitoneal Lymphadectomy in Metastatic Seminoma) trial.“, 2023 ASCO Genitourinary Cancers Symposium. San Francisco, 16-18. Februar 2023, Abstract 409.
  2. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens. Langversion 1.1 – Februar 2020. AWMF-Registernummer: 043/049OL
  3. Hiester A, Che Y, Lusch A et al. (2022): Phase 2 Single-arm Trial of Primary Retroperitoneal Lymph Node Dissection in Patients with Seminomatous Testicular Germ Cell Tumors with Clinical Stage IIA/B (PRIMETEST).European Urology. DOI: 10.1016/j.eururo.2022.10.021.
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