
Jede Covid-19-Erkrankung birgt, unabhängig von ihrer Schwere, das Risiko für ein Post-Covid- oder Long-Covid-Syndrom. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sind davon betroffen. Auf die Entstehung von Long-Covid könnte sich eine Behandlung mit Paxlovid (Nirmatrelvir plus Ritonavir) positiv auswirken. Das zeigen Daten einer kürzlich veröffentlichten Preprint-Studie von Dr. Yan Xie und Team vom Clinical Epidemiology Center des VA Saint Louis Health Care Systems in Saint Louis, Missouri [1]. Paxlovid ist das bisher einzig verfügbare SARS-CoV-2-spezifische Arzneimittel.
Zielsetzung
Xie und Kollegen untersuchten, ob die Behandlung mit Nirmatrelvir in der akuten Phase von Covid-19 das Risiko für postakute Folgeerkrankungen verringert.
Methodik
Die Arbeitsgruppe ermittelte in den Gesundheitsdatenbanken des US Department of Veterans Affairs 67.579 Personen, die zwischen dem 01. März und 30. Juni 2022 positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Unter diesen Patienten wählten sie diejenigen aus, die am Tag des positiven Tests nicht stationär aufgenommen werden mussten, mindestens einen Risikofaktor für eine schwere Covid-19-Erkrankung aufwiesen und die ersten 30 Tage nach der SARS-CoV-2-Diagnose überlebten.
Zu den Risikofaktoren zählten ein Alter ab 60 Jahre, ein BMI über 25, ein aktiver Raucherstatus, eine Krebs-, Herz-Kreislauf-, Nieren- oder chronische Lungenerkrankungen, Diabetes mellitus sowie Immunstörungen.
Überdies detektierte das Team Patienten, die innerhalb von fünf Tagen nach dem positiven Corona-Test mit dem Paxlovid-Wirkstoff Nirmatrelvir behandelt wurden (n=9.217). Als Kontrollgruppe dienten diejenigen, die während der akuten Phase der SARS-CoV-2-Infektion keine antivirale Covid-19-Therapie oder Antikörper erhalten hatten (n=47.123).
Die Wirkung von Nirmatrelvir wurde anhand von zwölf vordefinierten, bei Long-Covid typischerweise auftretenden Symptomen in der Verum- und Kontrollgruppe verglichen. Dazu bestimmten die Forschenden die Hazard Ratio (HR) und die jeweils absolute Risikoreduktion (ARR) nach 90 Tagen.
Ergebnisse
Im Vergleich zur Kontrollgruppe barg die Behandlung mit Nirmatrelvir ein verringertes Risiko für Long-COVID(HR 0,74, 95%-KI: 0,69 bis 0,81). Die Ereignisrate nach 90 Tagen lag in der Kontrollgruppe bei 9,43 (95%-KI: 9,14 bis 9,72) und in der Nirmatrelvir-Gruppe bei 7,11 (95%-KI: 6,57 bis 7,64) pro 100 Personen. Dies entsprach einer ARR von 2,32 (95%-KI 1,73 bis 2,91) pro 100 Personen nach 90 Tagen.
Im Detail verringerte sich das Risiko für zehn der zwölf vordefinierten postakuten Covid-Folgen. Das galt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzrhythmusstörungen und ischämische Herzerkrankungen), Gerinnungs- und hämatologische Störungen (tiefe Venenthrombose und Lungenembolie), Müdigkeit, Lebererkrankungen, akute Nierenerkrankungen, Muskelschmerzen, neurokognitive Beeinträchtigungen und Kurzatmigkeit. Dieser Effekt betraf geimpfte und geboosterte Personen ebenso wie ungeimpfte Menschen und war unabhängig vom Genesenenstatus.
Ferner war die Behandlung mit Nirmatrelvir mit einem verringerten Risiko eines postakuten Todes (HR 0,52; ARR 0,28) und einer postakuten Hospitalisierung (HR 0,70; ARR 1,09) assoziiert.
Fazit
Die Behandlung mit Paxlovid verringerte das Risiko für postakute Covid-19-Symptome um 26%, für einen postakuten Tod um 48% und für einen postakuten Krankenhausaufenthalt um 30%. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass bei Personen mit einer SARS-CoV-2-Infektion, die mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf aufwiesen, die Behandlung mit Nirmatrelvir innerhalb von fünf Tagen nach einem positiven SARS-CoV-2-Test das Long-Covid-Risiko verringert, unabhängig vom Impfstatus und der Covid-19-Anamnese.
Trotz noch fehlender fachlicher Prüfung der Arbeit äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf dem Kurznachrichtendienst Twitter optimistisch: „Diese neue US.Studie zeigt, dass die Gabe von Paxlovid nach Covid-Infektion das Risiko von #LongCovid um 25% senkt. Gilt für Geimpfte, Ungeimpfte und für Geboosterte.“
Paxlovid wird zu selten eingesetzt
Neben den beschriebenen positiven Resultaten wirft die Studie Fragen zur Verordnungspraxis für Paxlovid auf. Von den 56.340 Personen mit akuter SARS-CoV-2-Infektion und mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf – also diejenigen mit einer Paxlovid-Indikation – wurden nur 9.217 (16,4%) tatsächlich mit dem Arzneimittel behandelt. Entsprechend hatten 47.123 (83,6%) Patienten keine antivirale Therapie erhalten. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass Risikopatienten derzeit deutlich unterbehandelt sind und diesbezüglich ein dringender Verbesserungsbedarf besteht.