Long-Covid umfasst rund 200 Symptome, die während oder nach einer akuten Covid-19-Erkrankung auftreten und über Wochen, Monate oder Jahre hinweg bestehen bleiben können. Die Behandlung sollte multimodal und symptomorientiert erfolgen.
Als Long-Covid und Post-Covid werden gesundheitliche Langzeitfolgen nach einer Covid-19-Erkrankung bezeichnet, die nach der Akutphase der SARS-CoV-2-Infektion anhalten oder neu auftreten. Die Symptomatik ist breit gefächert. Körperliche, kognitive und psychische Beschwerden – allein oder in Kombination – können die Lebensqualität mittel- oder langfristig beeinträchtigen. Häufige Symptome sind Fatigue, Dyspnoe, körperliche Leistungsschwäche, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit [1]. Die Dauer ist individuell verschieden, ein einheitliches Krankheitsbild ist derzeit nicht abzugrenzen. Zudem sind die zugrunde liegenden Pathomechanismen nicht vollständig geklärt. Möglicherweise spielen chronische Entzündungen und Mikrothromben, eine Aktivierung des Epstein-Barr-Virus (EBV) und Autoimmunprozesse eine Rolle [2].
AWMF-Leitlinie
Eine international anerkannte klinische Definition gibt es bislang nicht. Gemäß der deutschen S1-Leitlinie „Long/Post-Covid“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) kann eine der folgenden drei Kategorien herangezogen werden, um ein Long/Post-Covid-Syndrom zu diagnostizieren:
Symptome, die nach der akuten Covid-19-Erkrankung oder deren Behandlung fortbestehen
neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase auftreten, aber als Folge der SARS-CoV-2-Infektion verstanden werden können
Verschlechterung einer vorbestehenden Erkrankung in Folge einer SARS-CoV-2-Infektion
Beschwerden jenseits einer Zeitspanne von vier Wochen nach der SARS-Cov-2-Infektion werden als Long-Covid bzw. post-akute Folgen einer Covid-19-Erkrankung bezeichnet. Bei Persistenz der Symptome von mehr als zwölf Wochen wird von Post-Covid-Syndrom gesprochen [1].
NICE-Definition
Die Leitlinie des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) bewertet Long-Covid als Anzeichen und Symptome, die während oder nach einer mit Covid-19 konsistenten Infektion auftreten, länger als vier Wochen anhalten und nicht durch eine alternative Diagnose erklärt werden können [3].
WHO-Falldefinition Post-COVID
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Long-Covid-Beschwerden als die Fortsetzung oder Entwicklung neuer Symptome drei Monate nach einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion, die über mindestens zwei Monate hinweg andauern. Diese dürfen nicht durch eine anderweitige Diagnose erklärt werden können [4].
Epidemiologie
Die Prävalenz von Long-Covid und Post-Covid variiert abhängig der untersuchten Patientenpopulation (Alter, Geschlecht, Kollektivgröße, Studiendesign, Selektionsprozess, etc.) und ist nicht unmittelbar vergleichbar. Über alle PatientInnen hinweg kann mit einer Häufigkeit von bis zu 15% gerechnet werden [5]. Nach Angaben der WHO entwickeln etwa 10–20% der an Covid-19 Erkrankten anhaltende Symptome im Sinne von Long-/Post-Covid [4].
Risikofaktoren
Grundsätzlich sind Long-Covid und Post-Covid sowohl nach einer schweren als auch nach einer mild verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion möglich. Nach bisherigem Kenntnisstand gibt es allerdings Anzeichen, dass ein erhöhtes Risiko für Langzeitfolgen mit dem Ausprägungsgrad der Erkrankung assoziiert ist – insbesondere bei PatientInnen, die hospitalisiert werden mussten oder intensivmedizinische Pflege benötigten. Weiterhin gibt es Beobachtungen, dass Frauen häufiger zu Long-/Post-Covid neigen als Männer. Zudem scheinen Menschen im jungen und mittleren Erwachsenenalter häufiger Langzeitbeschwerden zu entwickeln [6].
Die Manifestation eines Long- oder Post-Covid-Syndroms scheint unabhängig von vorbestehenden Komorbiditäten zu sein. Es deutet sich aber an, dass ähnliche somatische oder psychosomatische Vorerkrankungen in der Anamnese bzw. eine hohe psychosoziale Belastung deren Entwicklung begünstigen [1]. Als weitere Risikofaktoren werden eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) und ein bereits bestehender Diabetes mellitus angesehen. Darüber hinaus ist bei Menschen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, von einem berufsbedingt erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und somit für ein Long-/Post-Covid-Syndrom auszugehen [6,7].
Offenbar haben auch Menschen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind und sich infizieren, ein höheres Risiko für eine Covid-Folgeerkrankung als geimpfte Personen mit einer Durchbruchsinfektion [7].
Ursachen
Die genauen Ursachen für Post- und Long-Covid sind bislang nicht bekannt. Jeder, der sich mit SARS-CoV-2 infiziert hat, kann Beschwerden im Sinne von Long-/Post-Covid entwickeln [6].
Pathogenese
Wie und warum es bei manchen Menschen zu einem Post-/Long-Covid-Syndrom kommt, ist noch unklar. Bislang fehlen für viele Symptome pathophysiologische Erklärungen. Vermutet wird eine multifaktorielle Genese, die individuell verschieden sein kann.
Pathogenetisch könnte die Persistenz des SARS-CoV-2-Virus bzw. von Virusbestandteilen über Wochen und Monate eine Rolle spielen. Hier wäre eine dadurch Immunaktivierung denkbar – zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß. Weitere diskutierte Trigger sind:
andauernde postinfektiöse strukturelle Gewebeschäden, inklusive Endothelläsionen und einer gestörten Mikrovaskularisierung, Hyperkoagulabilität und Thrombosen
eine chronische Immundysregulation, (Hyper-)inflammation bzw. Autoimmunphänomene
eine Dysregulation des Renin–Angiotensin–Aldosteron-Systems (RAAS)
potenzielle Nebenwirkungen einer Covid-19-Therapie [1]
Folgende Fragen sind nach wie vor unklar:
Ist eine Viruspersistenz bei PatientInnen mit Long-/Post-Covid häufiger als bei Menschen ohne Folgesymptome bzw. ohne Long-/Post-Covid-Symptome?
Liegt eine genetische Disposition für ein Post-Covid-Syndrom vor?
Gibt es pathophysiologisch unterscheidbare Subformen von Post-Covid?
Wie werden Autoimmunphänomene ausgelöst (molecular mimicry, bystander Aktivierung?) und wie sind diese einzuordnen (nur temporär mit der Infektion assoziiert oder unabhängig)?
Ansteckungsfähigkeit
Personen mit Long- und Post-Covid sind in der Regel nicht ansteckend – es sei denn, es liegt erneut eine akute Infektion mit SARS-CoV-2 bzw. einer der Virusvarianten im Sinn einer Reinfektion vor [2].
Symptome
Long- und Post-Covid-Symptome umfassen ein breites Spektrum an anhaltenden Gesundheitsproblemen, die nicht bei allen PatientInnen in gleicher Weise auftreten müssen. Die Beschwerden können nach einer Covid-Infektion bestehen bleiben oder erst nach der Genesung einsetzen, Wochen, Monate oder Jahre andauern, sich verbessern, verschwinden und sogar wiederkehren [4,7]. Häufig ähneln die Symptome denen von Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und anderen schlecht verstandenen chronischen Krankheiten, die nach Infektionen auftreten können [7].
Länger bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion werden gerade intensiv erforscht. Menschen, die unter Langzeitbeschwerden bzw. Covid-Folgen leiden, berichten am häufigsten über [1,7]:
Allgemeine Symptome
ausgeprägte Müdigkeit oder dauerhafte Erschöpfung, die das tägliche Leben beeinträchtigen
Beschwerden, die sich nach körperlicher oder geistiger Anstrengung verschlimmern (postexertionelle Fatigue; PEM)
Fieber
Atemwegsprobleme und Herz-Kreislauf-Beschwerden
Dyspnoe
Husten
Thoraxschmerzen
Palpitationen
Tachykardie
Neurologische Symptome
Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen (auch als Gehirnnebel bezeichnet)
Kopfschmerzen
Schlafprobleme (Ein-, Durchschlaf- und Konzentrationsstörungen)
Kopfschmerzen - primär vom Migräne-Phänotyp und/oder Spannungskopfschmerz, New daily persistent headache - sekundär nach Covid-19 assoziierten zerebrovaskulären Erkrankungen
Muskel- und Gelenkschmerzen - nicht entzündlich und mutilokulär (fibromyalgieform), auch mit CFS überlappend möglich - Polyarthritis, ähnlich wie bei rheumatoider Arthritis - Polyarthralgien, ähnlich wie bei Kollagenosen - Critical Illness Myopathie
dermatologische Auffälligkeiten - makulopapulöse und morbilliforme (flach bis kleinknotig-erhaben) Hautläsionen - Livedo reticularis/racemosa-artige (netzartig, bläulich) und urtikarielle (flüchtig, quaddelförmig) Hautausschläge - Erythema multiforme-artige (vielgestaltig bis großblasig auf rotem Grund) sowie varizelliforme (klare Bläschen auf gerötetem, oft juckendem Grund) Hautveränderungen - bläuliche, kissenartige Verdickungen über den kleinen Zehen- und/oder Fingergelenken (sogenannte Covid-Zehen), vor allem bei jüngeren und nur wenig symptomatischen PatientInnen - Haarausfall - Hyperästhesie - Rhagaden - Exsikkosen der Hände im Sinne eines toxischen Handekzems
Komplikationen
In den ersten sechs Monaten nach einer Covid-19-Erkrankung ist das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen signifikant erhöht. Hierzu gehören venöse Thrombosen, ischämische Schlaganfälle, Myokardinfarkte, Lungenembolien und Herzinsuffizienz. Ebenso wurden nach Covid-19 ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS), Hirnnervenausfälle, Myositiden, Plexopathien und eine autoimmune Enzephalomyelitis beobachtet [1].
Diagnostik
Viele Symptome bei Long- und Post-Covid sind nur schwer zu erklären und zu handhaben. Es gibt keine spezifischen klinischen Tests, Laboruntersuchungen, Röntgen- oder EKG-Befunde, um die Diagnose zu objektivieren. Ebenso wenig ist ein Post-/Long-Covid-Syndrom bei Normalbefunden auszuschließen.
Gemäß der S1-Leitlinie „Post-Covid/Long-Covid“ werden folgende Diagnosemaßnahmen empfohlen [1]:
Primärärztliche Versorgung
Die primärärztliche Versorgung sollte eine ausführliche Anamnese (inklusive Screeningfragen auf Depression, Schlafprobleme und Angststörung) sowie eine körperliche Untersuchung (einschließlich neurologischem, psychischem und funktionellem Status) umfassen. Von zentraler Bedeutung ist die gezielte Befunderhebung von neu aufgetretenen oder aber durch die Erkrankung vermehrt auftretenden Einschränkungen und eine Labor-Basisdiagnostik. Ein Orthostase-Test (zum Beispiel passiver 10-Minuten-Stehtest) wird angeraten. Zur Einschätzung der Fatigue-Symptomatik sollen psychometrische Selbstauskunftsinstrumente wie die Fatigue Skala (FS), die Fatigue Severity Scale (FSS) oder die Fatigue Assessment Scale (FAS) zum Einsatz kommen.
Spezialärztliche Abklärung
Eine vertiefende Diagnostik ist bei Alarmzeichen in der Basisdiagnostik, einer klinischen Verschlechterung und eventuellen Unklarheiten anzuraten. Warnhinweise sind:
länger als drei Monate anhaltende Einschränkungen
schlechter Allgemeinzustand
signifikante Gewichtsabnahme
unerklärliche oder neu aufgetretene neurologische Defizite/Auffälligkeiten
neue Schmerzsymptomatik
schlechte oder sich verschlechternde somatische oder psychische Befunde
unerklärliche physische, psychische und kognitive Auffälligkeiten
In diesen Fällen ist eine weiterführende spezialärztliche Abklärung – zum Beispiel in einer Post-Covid-Ambulanz oder einem Long-Covid-Center – indiziert.
Diagnostische Besonderheiten bei Schmerzen
Schmerzcharakter und Schweregrad von chronischen Schmerzen werden mit einfach zu erhebenden psychometrischen Selbstauskunftsinstrumenten wie der deutschen Version des Brief Pain Inventory eruiert. Abhängig von Lokalisation und Schmerztyp stehen spezifische Fragebögen zur Verfügung – bei multilokulären Muskel- und Gelenkschmerzen etwa ein Fibromyalgie-Symptom-Fragebogen wie von der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung (DFV), bei Kopfschmerzen der Kieler Kopfschmerzfragebogen und bei neuropathischen Schmerzen der DN4-Fragebogen.
Eine schmerzmedizinische, rheumatologische und/oder neurologische Abklärung ist bei Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, neuropathischen Schmerz, eine small fiber Neuropathie oder dem Fibromyalgie-Syndrom erforderlich, ebenso zur Einordnung der Kopfschmerzsymptomatik.
Diagnostische Besonderheiten bei kardiovaskulärer Symptomatik
Alle PatientInnen, die im Rahmen einer akuten Covid-19-Erkrankung kardiovaskuläre Komplikationen erlitten haben, sollten nach etwa sechs bis zwölf Wochen klinisch beurteilt und mittels EKG und Echokardiographie – einschließlich der laborchemischen Bestimmung von NT-pro-BNP und hochsensitivem Troponin – nachuntersucht werden.
Bei persistierenden Symptomen wie belastungsinduzierter Tachykardie und Dyspnoe, Thoraxschmerzen und/oder Abgeschlagenheit sind neben einer pneumologischen Abklärung eine Echokardiographie und ein Belastungs-EKG indiziert. Weitere bildgebende Diagnostikverfahren sollten im Einzelfall erwogen werden. Eine generelle Empfehlung für die routinemäßige Durchführung einer kardialen Magnetresonanztomografie (MRT) in der Post-Covid-19-Phase wird von den Leitlinienexperten derzeit nicht ausgesprochen. Eine zwingende Indikation ist jedoch der Nachweis eines pathologischen Befunds im Echokardiogramm (reduzierte linksventrikuläre Funktion, diastolische Funktionsstörung).
Bei thorakalen Schmerzen, Abgeschlagenheit oder Dyspnoe unter Belastung sowie pathologischen Befunden im Belastungs-EKG kann im Einzelfall eine CT-Angiographie (pulmonal und koronar) im Sinne eines „Double-Rule- Out“ sinnvoll sein.
Diagnostische Besonderheiten bei neurologischen Beschwerden
Wenn nach einer Covid-19-Infektion neurologische Herdzeichen, epileptische Anfälle oder Verwirrtheit (Delir) auftreten, sind weiterführende spezialärztliche Untersuchungen erforderlich.
Ebenso sind länger als drei Monate persistierende kognitive Einschränkungen, Riechanomalien und Schmeckstörungen abzuklären. Zur Objektivierung einer Hyposmie oder Anosmie hat sich beispielsweise der SS-16-Item Sniffin-Sticks-Test bewährt. Ergänzend kann eine MR-tomographische Beurteilung des Bulbus olfactorius erwogen werden.
Bei kognitiven Defiziten ist eine neuropsychologische Untersuchung inklusive des Montreal Cognitive Assessment (MoCA)-Tests indiziert. Klinisch sollten insbesondere Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen, Sprach- und Wortfindungsstörungen sowie Probleme des planerischen Denkens beachtet werden.
Bei Hinweisen auf eine Enzephalopathie ist eine cMRT obligat, in Einzelfällen kann eine 18FDG-PET als kombinierte Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und Computertomographie (CT) hilfreich sein. Bei anhaltenden objektivierbaren neurologischen Symptomen wird eine Untersuchung von Serum und ggf. auch Liquor auf ZNS-Autoantikörper gegen intrazelluläre und Oberflächenantigene empfohlen. Laborchemisch sollten Entzündungsmarker, Gerinnungsparameter (speziell Thrombozyten) und (Inflammations-)Zytokine untersucht werden.
Periphere neurologische Manifestationen erfordern eine entsprechende neurophysiologische Diagnostik.
Bei Schlafstörungen ist ausprägungsabhängig eine Screening-Polygraphie (PG) zu erwägen, gegebenenfalls auch eine (Video-)Polysomnographie.
Diagnostische Besonderheiten bei Husten und Dyspnoe
Husten zählt zu den häufigen Problemen nach einer akuten Covid-Infektion. Bei persistierendem Husten wird zur weiterführenden Abklärung auf die aktuelle S3-Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ verwiesen. Wichtige diagnostische Untersuchungen sind die Lungenfunktion mit Bronchospasmolyse und ggf. ein unspezifischer Provokationstest.
Dyspnoe und unspezifische thorakale Beschwerden treten oft drei bis sechs Monate nach der Erkrankung auf und bedürfen der Abklärung mittels Funktionstests in Ruhe (insbesondere Lungenfunktion, Diffusionskapazität, Blutgasanalyse) und unter Belastung (6-Minuten-Gehtest, Ergospirometrie). Entsprechend der Befunde können sich weitere Untersuchungen anschließen, zum Beispiel eine:
kardiale Diagnostik
Röntgenuntersuchung und Computertomografie (CT) des Thorax
CT in Exspiration (airtrapping) bei postinfektiöser obliterativer Bronchiolitis
Pleurasonografie
(Angio)-CT bzw. wenn verfügbar eine Dual Energy CT (DECT)
Ventilations-Perfusions-Szintigraphie bei Hinweisen auf eine periphere Thromboembolie
Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) und ggf. Biopsie bei Anzeichen für einen progressiven interstitiellen Prozess
Diagnostische Besonderheiten bei schlafmedizinischen Störungen (Ein-, Durchschlaf-, und Konzentrationsstörungen)
Schnarchen, Atemaussetzer oder imperative Einschlafneigung tagsüber können Anzeichen einer potenziell gefährlichen schlafbezogenen Atmungsstörung sein. Je nach Ausprägung der Symptomatik sollte eine Screening-Polygraphie (PG) erfolgen und ggf. auch eine (Video-)Polysomnographie in Betracht gezogen werden.
Diagnostische Besonderheiten bei psychischen Störungen
Psychische Beschwerden wie anhaltende Erschöpfung, fortwährende Niedergeschlagenheit, unbegründete Ängste und eine Einschränkung der Lebensqualität sollten angehört, ernst genommen und diagnostisch abgeklärt werden. Bei klinischem Verdacht auf psychische Probleme im Sinne einer Fatigue, Depression, Angststörung, Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Zwangsstörung, Somatisierungsstörung, Anpassungsstörung, Psychose oder Suizidalität nach Covid-19 ist eine entsprechende Diagnose mit einem geeigneten validierten Screeninginstrument anzustreben. Die Leitlinie führt in diesem Zusammenhang folgende Verfahren auf:
Fear Survey Schedule (FSS)
Patient Health Questionnaire (PHQ)
Generalized Anxiety Disorder Scale (GAD)
Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)
Global Assessment of Functioning (GAF)
WHO Disability Assessment Schedule (WHODAS) 2.0
Symptomcheckliste SCL90
Screening für Somatoforme Störungen (SOMS)
Impact of Event Scale (IES)
Internationalen Diagnose-Checklisten für ICD-10 (ICDL)
Die Datenlage zu Laboruntersuchungen, speziell um eine stress-assoziierte Diagnose zu erhärten, ist derzeit noch uneinheitlich. Die Diagnostik sollte entsprechend den Richtlinien für die jeweilige Verdachtsdiagnose erfolgen.
Diagnostische Besonderheiten bei neuropsychologischen Störungen
Die umfassende Diagnose und Behandlung von neuropsychologischen Störungen erfordern die Expertise qualifizierter Neuropsychologen.
Patienten mit kognitiven Beschwerden sollten stufenweise diagnostiziert werden:
Anamnese, die auf neuropsychologische Symptome eingeht und den zeitlichen Zusammenhang zu einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion berücksichtigt, sowie gegebenenfalls ein geeignetes kognitives Screening (zum Beispiel MOCA).
Bei Anzeichen von kognitiven Einschränkungen durch die Anamnese oder ein kognitives Screening ist eine umfassende neuropsychologische Untersuchung indiziert.
Die Interpretation kognitiver Störungen soll unter Berücksichtigung der psychischen Gesundheit sowie einer möglichen Fatigue erfolgen. Überdies sind fahreignungsrelevante und berufsrelevante kognitive Leistungsminderungen zu beachten.
Diagnostische Besonderheiten bei ophthalmologischen Beschwerden
Bei neu auftretenden oder andauernden ophthalmologischen Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung rät die Leitlinie zu einem ophthalmologischen Konsil. Abhängig von den Befunden wird dann eine gezielte Diagnostik eingeleitet. Diese kann folgendes umfassen:
Überprüfung der Sehschärfe und des intraokularen Drucks
Spaltlampenuntersuchung der Vorderabschnitte
Überprüfung des Gesichtsfeldes mittels Perimetrie
Untersuchung auf mögliche vaskuläre oder inflammatorische Ereignisse durch Fluoreszenzangiographie, optische Kohärenztomographie (OCT) und OCT-Angiographie
Erhebung eines neuro-ophthalmologischen Status
entsprechender Blutserologie, um eine rheumatologische oder andere infektiöse Ursache auszuschließen
Differenzialdiagnosen
Deuten Symptome oder Beschwerden nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion auf den Verdacht von Post-/Long-Covid hin, sind immer auch Differentialdiagnosen zu bedenken und ggf. auszuschließen. Aufgrund der umfassenden Symptomvariation kommen hier nahezu alle Organpathologien sowie eine Vielzahl psychischer und kognitiver Erkrankungen in Betracht.
Therapie
Die Therapie von Long- und Post-Covid erfolgt symptomorientiert. Eine ursächliche oder spezifische Behandlung gibt es bislang nicht. Ebenso wenig ist die Effektivität einer therapeutischen Vakzinierung bei Long-/Post-Covid gesichert.
Grundsätzlich sollte ein multimodales Behandlungskonzept, einschließlich der Einbindung von Selbsthilfe-Gruppen (zum Beispiel Long COVID Deutschland) und sozialen Interventionen, angestrebt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hatte bereits im Jahr 2021 die Entwicklung einer S1-Leitlinie eingeleitet [1]. Die aktuelle Version dieser Leitlinie mit Stand vom 17. August 2022 war bis zum 21. August 2023 gültig. Ein Manuskript der aktualisierten Leitlinie wurde am 10. Oktober eingereicht; der Review-Prozess läuft noch.
Die nachfolgend aufgeführten Therapieempfehlungen basieren auf der S1-Leitlinie „Post-COVID/Long-COVID“ [1]. Ergänzt werden sie durch Einschätzungen der Professorin Jördis Frommhold, Fachärztin für Innere Medizin, Notfallmedizin und Pneumologie. Die Gründerin des 'Instituts LongCovid' in Rostock hat ihre Erkenntnisse aus der Behandlung von Long-Covid-Patienten während der Scheele-Tagung 2023 in Binz präsentiert [8].
Fatigue
Therapieziele sind eine Linderung der Beschwerde und die Vermeidung einer Chronifizierung. Hierfür kommen folgende Maßnahmen in Betracht:
Förderung des Schlafs
Schmerztherapie
Kreislaufsupport
Verfahren zur Stressreduktion und Entspannung
Stärkung von persönlichen Ressourcen
Unterstützung eines adäquaten Coping-Verhaltens
kontrollierte Anleitung zu körperlicher Betätigung bzw. dosierten körperlichen Trainings
Training der kognitiven Leistungsfähigkeit
psychotherapeutische Verfahren
psychopharmakologische Behandlung
ergotherapeutische Unterstützung
Fatigue-Patienten sollten Überanstrengungen mit etwaiger nachfolgender Symptomverschlechterung (PEM) vermeiden und regelmäßig Pausen einlegen, insbesondere während positiver Phasen mit geringeren Beschwerden. Aktivierung sei wichtig, jedoch in einem moderaten Maß, betont Frommhold. Als bevorzugte Behandlungsmethode empfiehlt sie das sogenannte Pacing. Hierbei geht es um das frühzeitige Erkennen von Erschöpfungsanzeichen und eine rechtzeitige Intervention. Die Pacing-Strategie hilft den Betroffenen, ihre persönliche Balance zwischen Schonung und Belastung zu finden.
Anstelle detaillierter Symptomtagebücher sollten Fatigue-Patienten ihr tägliches Befinden auf einer Skala von 1–10 bewerten und gleichzeitig ihr Aktivitätsniveau notieren, so die Empfehlung der Long-Covid-Expertin. Falls die Kurven abfallen, könne niedrig dosiertes Prednisolon als Crash-Prophylaxe (5 mg täglich für ein bis drei Tage) verabreicht werden. Bei muskulärer Fatigue wäre das indirekt wirkende Parasympathomimetikum Pyridostigmin eine Option, bei Fatigue mit kognitiven Einschränkungen käme das atypische NeuroleptikumAripiprazol infrage.
Das Long-Covid-Institut setzt bei Fatigue-Patienten außerdem auf manuelle Therapie, nicht aktivierende Physiotherapie sowie Osteo- und Kryotherapie.
Schmerzen
Bislang ist keine kausale Therapie oder Prävention von Long-Covid-assoziierten Schmerzen bekannt. Abhängig vom Schmerzcharakter sollte eine symptomatische Behandlung in Anlehnung an die jeweiligen AWMF-Leitlinien erfolgen. Komorbiditäten sind im Therapiekonzept zu berücksichtigen.
Die medikamentöse Behandlung von Schmerzen bei Long-Covid erfolgt derzeit off Label, da es keine spezifische Leitlinie gibt. Klassische Schmerzmittel zeigen oft nur eine geringe Wirkung. Metamizol kann in einigen Fällen hilfreich sein, so die Erfahrungen aus dem Long-Covid-Institut.
Von der Gabe hochpotenter Opioide wird dringend abgeraten; stattdessen käme eine einschleichende Behandlung mit Pregabalin in Betracht, erklärt Frommhold in Binz. Bei starken Kopfschmerzen könnte eine Prednisolon-Stoßtherapie Erleichterung bringen. Amitriptylin oder niedrig dosiertes Naltrexon wäre ebenfalls eine Option.
Hautläsionen
Die meisten Hautläsionen im Zusammenhang mit Covid-19 heilen spontan und ohne spezifische Behandlung innerhalb weniger Wochen ab.
Bei behandlungsbedürftigem Befund (etwa quälender Juckreiz, entstellende Läsionen) kann symptombezogen behandelt werden. Infrage kommen Antihistaminika, kühlende und abdeckende Externa sowie deeskalierende, läsional und lokal kurzzeitig anzuwendende Kortikosteroide. Bei Exsikkosen kann der Einsatz rückfettender und befeuchtender Externa empfohlen werden. Bei nicht-kontrollierbaren Symptomen und hautdestruktiver Entwicklung (zum Beispiel fehlende Spontanheilung, Nekrosen) ist ein fachspezifisches Konsil indiziert, bei Hinweisen auf eine psychische Belastung (beispielsweise ausgeprägte Entstellungsbefürchtung bei Haarausfall, zwanghaftes Waschen der Hände) eine psychosomatische Mitbetreuung.
Kardiovaskuläre Beschwerden
Bei Herz-Kreislauf-Beschwerden sollte eine symptomorientierte, an den aktuellen Leitlinien zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen angelehnte Behandlung erfolgen. Hierzu gehören etwa leitliniengerechte pharmakologische Maßnahmen bei reduzierter Ventrikelfunktion und eine leitliniengerechte Antikoagulationstherapie bei in der Akutphase aufgetretenen thromboembolischen Komplikationen. Eine generelle Empfehlung zu einer venösen Thromboembolieprophylaxe bei unkompliziertem Akutverlauf wird für die Post-Covid-19-Phase nicht ausgesprochen. Bei Hochrisiko-PatientInnen sollte die Indikation hierzu jedoch großzügig gestellt werden.
Bei orthostatischer Tachykardie oder inadäquater Sinustachykardie unter körperlicher Belastung ist eine Therapie mit einem niedrig dosierten Beta-Blocker oder Ivabradin zu erwägen. Alternativ stehen hier Fludrokortison, Midodrin, Mestinon zur Verfügung.
Amiodaron zur chronischen Behandlung von Vorhofflimmern bei PatientInnen mit fibrotischen Lungenveränderungen in der Akutphase einer SARS-CoV-2-Infektion sollte nur sehr vorsichtig und unter entsprechender Überwachung eingesetzt werden. Für PatientInnen mit normaler linksventrikulärer Pumpfunktion und normalen NT-pro-BNP-Werten mit inadäquater Belastbarkeit und belastungsinduzierter Tachykardie empfehlen die Leitlinienexperten ein sich langsam steigerndes kardiales Ausdauertraining.
Im Long-Covid-Institut haben sich bei kardialen Symptomen wie Perimyokarditis oder dem posturalem Tachykardie-Syndrom (POTS) verschiedene Behandlungsoptionen bewährt, darunter Candesartan, Atorvastatin oder Rosuvastatin, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Colchicin; insbesondere bei POTS auch Ivabradin. Erfolge beim POTS sind zudem mit einer nicht medikamentösen Therapie zu erzielen. Die Leitlinie empfiehlt eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, 8–10g Salz pro Tag (soweit keine arterielle Hypertonie vorliegt) und Kompressionsstrümpfe bzw. eine Leibbinde.
Für Patienten mit einer Neigung zu Mikroembolien empfiehlt die Long-Covid-Expertin Präparate mit Ginkgo biloba. Alternative Optionen sind ASS oder Clopidogrel, Heparin s.c. oder ein direktes orales Antikoagulanz (DOAK). Eine Off-Label-Triple-Therapie sollte aber keinesfalls durchgeführt werden.
Husten und Dyspnoe
Nach der Akutphase einer SARS-Cov-2-Infektion anhaltender Husten sollte symptomorientiert und, sofern möglich, leitlinienadaptiert behandelt werden. Eine unterstützende Atem- und Physiotherapie kann hilfreich sein. Von einer routinemäßigen Steroid-Gabe und einer antifibrotischen Therapie raten die Leitlinienexperten ab.
Bei ausgeprägterer Symptomatik oder anhaltenden Beschwerden könnte, analog zu den Empfehlungen für postinfektiösen Husten (S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin), eine Behandlung mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) und/oder Beta-2-Sympathikomimetika durchgeführt werden, insbesondere wenn Anzeichen für eine bronchiale Hyperreagibilität vorliegen. Mitunter sind auch langwirksame antimuskarinerge Antiobstruktiva (LAMA) bei postinfektiösem Husten wirksam.
Neurologische Aspekte
Bei Hinweisen auf eine autoimmune neurologische Manifestation mit Autoantikörpernachweis sollte die intravenöse Gabe von Immunglobulinen und Kortikoiden oder eine Plasmapherese erfolgen, bei entsprechender Risikofaktorenkonstellation eine Thromboseprophylaxe.
Abhängig von der neurologischen Symptomatik sind physio- und ergotherapeutische, neuropsychologische sowie sozialpädagogische Unterstützungen in Form von ambulanten Heilmitteln indiziert; je nach Beschwerdebild auch eine ambulante oder stationäre Neurorehabilitation.
Riech- und Schmeckstörungen
Riech- und Schmeckstörungen heilen meist komplett oder nahezu vollständig binnen ein bis zwei Monaten ab und bedürfen keiner spezifischen Behandlung. Relevante Einschränkungen bleiben in circa 5-20%der Fälle bestehen [9]. Sofern eine Covid-19-assoziierte Riechstörung nicht innerhalb von vier bis zwölf Wochen weitgehend abklingt oder vollständig verschwindet, empfiehlt die Long-/Post-Covid-Leitlinie eine neurologische oder HNO-ärztliche Vorstellung mit Anamnese, psychophysischer Testung und einer nasalen Endoskopie. Hält eine Riechstörung länger an, kann eine Therapie mit konsequentem, strukturiertem Riechtraining versucht werden. Klassischerweise eingesetzte Düfte sind Rose, Zitrone, Eukalyptus und Gewürznelke. Betroffene riechen jeweils morgens und abends an jedem der vier Düfte, bis sich das Riechvermögen wieder normalisiert hat. Dies kann Wochen oder Monate dauern.
Neuropsychologische Aspekte
Daten zu kausalen neuropsychologischen Therapien für Long-Covid-Patienten liegen bislang nicht vor. Die Leitlinienexperten empfehlen eine symptomatische Behandlung, die sich je nach Art der Funktionsbeeinträchtigung an den entsprechenden AWMF-Leitlinien orientiert. Eine spezifisches, differenziertes und an den individuellen Verlauf angepasstes Therapiemanagement kann oft bedeutende therapeutische Fortschritte und Verbesserungen in Bezug auf die Teilhabe bewirken.
Die neuropsychologische Therapie sollte ein funktionsorientiertes Training, die Anpassung von Kompensationsstrategien und den Umgang mit kognitiven Leistungsminderungen einbeziehen.
Psychische Störungen
Bei Sicherung einer klinisch relevanten Diagnose oder bei einer die Lebensqualität und den Alltag deutlich einschränkenden subjektiven Belastung ist eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Aktuell laufen Studien zur Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Konzepte bei PatientInnen mit psychopathologischen Störungen nach einer Covid-19-Erkrankung.
Bei schweren Formen von Depressionen und Angststörungen kann eine leitliniengerechte psychopharmakologische Mitbehandlung erforderlich werden. Persistiert die Symptomatik im ambulanten Setting oder exazerbieren die Beschwerden ist eine stationäre Akut-Behandlung bzw. Rehabilitation indiziert.
Ophthalmologische Aspekte
Augenbeteiligungen bei Long-Covid sind im Rahmen der Akutinfektion oft selbstlimitierend und erfordern daher keine umfassende Behandlung.
Inflammatorische, vaskuläre oder neurologische Entitäten werden gemäß den spezifischen Krankheitsbildern behandelt. Bei einer anhaltenden Sicca-Symptomatik können Tränenersatzpräparate eingesetzt werden.
Schlafstörungen
Bei bzw. nach schweren Covid-19-Verläufen leiden viele Patienten unter Schlafproblemen, die zu anhaltender Müdigkeit führen und in der Folge Ängstlichkeit und depressive Verstimmung auslösen können.
Bei Schlafstörungen sollten zunächst die herkömmlichen Maßnahmen wie Schlafhygiene, Entspannungstechniken und Phytopharmaka erfolgen. Falls die Beschwerden weiterhin bestehen, können Melatonin (2–5 mg) oder Mirtazapin (7,5 mg) versucht werden. Frommhold berichtet von positiven Erfahrungen mit der Kombination von Melatonin und Antihistaminika.
Bei Problemen mit der Atemmuskulatur ist eine Masken-Therapie (CPAP) anzuraten. Bei Schwierigkeiten mit der Atemmechanik empfiehlt die Long-Covid-Expertin, an der Atemmuskulatur und -technik zu arbeiten. Dies könne beispielsweise durch Logopädie, Yoga oder Atemübungen wie Lippenbremse und Kutschersitz erfolgen. Inhalatoren zeigen in der Regel keine Wirkung.
Histamin-Intoleranzen bei Long-Covid
Long-Covid-Patienten weisen häufiger Histamin-Intoleranzen auf, wie die Erfahrungen aus dem Long-Covid-Institut zeigen. Eine dauerhafte histaminarme Ernährung ist bei den meisten Betroffenen aber nicht erforderlich. Zur medikamentösen Behandlung können Desloratadin, Famotidin und Cromoglicinsäure erwogen werden.
Paxlovid bei erneuter Ansteckung
Im Falle einer erneuten Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus könnten Long-Covid-Patienten Paxlovid ausprobieren, berichtet Frommhold bei der Scheele-Tagung. Der Nutzen einer therapeutischen Corona-Impfung als Booster sei bislang noch nicht bestätigt.
Alternativtherapien bei Long-Covid
Ob Nahrungsergänzungsmittel bei Long Covid unterstützend wirken, ist unklar. Frommhold empfiehlt allenfalls Probiotika, alles andere sei ihrer Ansicht nach eher wenig effektiv.
Selbstzahler-Leistungen wie Help-Apherese (ggf. bei Gerinnungsstörungen) oder hyperbare Sauerstofftherapie (evtl. bei kognitiven Problemen, nicht bei Fatigue) sollten nur in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Möglichkeiten wie Physio-, Ergo- und Psychotherapie ausgeschöpft sind, so die Long-Covid-Expertin.
Krankheitsakzeptanz und proaktive Maßnahmen
Eine gewisse Krankheitsakzeptanz zu entwickeln ist gut, gleichzeitig dürfen die Symptome aber nicht einfach hingenommen werden. Vielmehr sollten Betroffene aktiv nach Hilfe suchen und eine geeignete Behandlung beginnen. Obwohl es noch keine zugelassenen Arzneimittel speziell für Long-Covid gibt, ist in den meisten Fällen eine Linderung der Beschwerden möglich, so die Erfahrungen aus dem Long-Covid-Institut.
Die pharmakologische Behandlung sollte schrittweise erfolgen und eine Multimedikation nach Möglichkeit vermieden werden. Grundsätzlich sind Medikamente aber immer nur als Teil eines Gesamtkonzepts zu betrachten, betont die Long-Covid-Expertin.
Weiterhin ermutigt sie Betroffene, selbstständig Übungen durchzuführen. Für das Selbstmanagement von Long-Covid-Patienten mit Fatigue gibt es auch Apps wie Fimo Health. Obwohl diese nicht im DiGA-Verzeichnis aufgeführt ist, übernehmen wohl einige Krankenkassen die Kosten. Bei kognitiven Einschränkungen können Gedächtnistraining-Apps hilfreich sein, beispielsweise NeuroNation (in eingeschränkter Version kostenfrei).
Rehabilitation
Ersten Untersuchungen zufolge scheint eine Rehabilitation (ambulant, teilstationär oder stationär) die Genesung bei Post-/Long-Covid zu unterstützen, insbesondere um eingeschränkte Körperfunktionen wiederherzustellen und Aktivitätslimitierungen mit daraus resultierender Partizipationsrestriktion zu verhindern. Geeignete ambulante Verfahren sind beispielsweise Physiotherapie, Ergotherapie, Neuropsychologie, Psychotherapie und/oder Logopädie [1].
Gemäß der S1-Leitlinie „Post-Covid/Long-Covid“ ist eine teilstationäre bzw. ganztägig ambulante oder stationäre medizinische Rehabilitation immer dann zu verordnen, wenn nach einer akuten Covid-19-Erkrankung dauerhafte Beeinträchtigungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft einschränken oder bedrohen und ambulante Heilmittel für die Behandlung nicht ausreichen. Ein pneumologisches Rehabilitationskonzept ist beispielsweise bei Dyspnoe, körperlicher Minderbelastbarkeit und/oder Fatigue sinnvoll, neurorehabilitative Maßnahmen bei sensorischen, sensomotorischen und/oder kognitiven Veränderungen. Bei schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen wie einer Lungenarterienembolie (LAE), Myokarditis oder einem akuten Koronarsyndrom (ACS) soll eine kardiologische Rehabilitation erfolgen. Bei persistierenden psychischen Krankheitsfolgen nach Covid-19 kann bei anhaltenden Symptomen oder einer Exazerbation der Beschwerden unter der ambulanten Therapie eine akutstationäre Behandlung oder eine psychosomatische (teil-)stationäre Rehabilitation indiziert sein.
Funktionsbezogene Therapiemaßnahmen sollten im Anschluss an eine Frührehabilitation/Rehabilitation beschwerdeabhängig ambulant fortgeführt werden.
Der Rehabilitationsfortschritt sowie ein weiterer Rehabilitations-, Therapie- oder psychosozialer Unterstützungsbedarf werden im ersten Jahr nach der Akuterkrankung zunächst mindestens einmal im Quartal geprüft.
Prognose
Ein Long- und Post-Covid-Syndrom kann sowohl nach leichten als auch nach schweren Covid-19-Krankheitsverläufen auftreten. Bei einigen Betroffenen heilen die Beschwerden spontan aus oder verbessern sich deutlich. Selbst PatientInnen mit schwerer Lungenbeteiligung können (nahezu) komplett rekonvaleszieren [1].
Nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit Multiorganeffekten und/oder Autoimmunphänomenen können die Symptome noch Wochen und Monate, vermutlich sogar lebenslang anhalten. Diese PatientInnen haben im Vergleich zu Menschen ohne schwere Covid-19-Erkrankung ein höheres Risiko, weitere gesundheitliche Störungen wie Diabetes, kardiovaskuläre Krankheiten oder neurologische Erkrankungen zu entwickeln [7].
Prophylaxe
Bislang ist keine sichere Prophylaxe bekannt, um Long- und Post-Covid-Folgen zu verhindern. Vielmehr gilt es, eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu vermeiden und die Verbreitung des Coronavirus zu verringern. Die wichtigsten Instrumente hierfür sind Corona-Impfungen sowie Sozial- und Hygienemaßnahmen. Die WHO empfiehlt [4]:
Mindestabstand (1m) zu anderen Personen einhalten
Tragen einer gutsitzenden (medizinischen) Maske, die Nase und Mund bedeckt
bei Aufenthalt in geschlossenen Räumen regelmäßig lüften bzw. Fenster öffnen
Husten oder Niesen in die Ellenbeuge
sorgfältige Händehygiene und häufige Händedesinfektion
Impfungen entsprechend den gültigen Impfempfehlungen
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): S1-Leitlinie Long/Post-COVID, Stand 17. August 2022; abgerufen am 28. November 2023.
Robert Koch-Institut (RKI), Long-COVID, Stand 22. August 2023; abgerufen am 28. November 2023.
National Institute for Health and Care Excellence (NICE), Leitlinie Long-COVID, Stand 03. November 2023; abgerufen am 28. November 2023.
Weltgesundheitsorganisation (WHO), Long-COVID, Stand 07. Dezember 2022; abgerufen am 28. November 2023.
Sudre, C. H. et al. (2021): Attributes and predictors of long COVID. Nat Med. 2021 Apr; 27(4):626–31; DOI: 10.1038/s41591-021-01292-y.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Long-COVID, Stand 22. Mai 2023; abgerufen am 28. November 2023.
Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Long-COVID, Stand 20. Juli 2023; abgerufen am 28. November 2023.
Isenmann, S., Haehner, A., Hummel, T. (2021): Störungen der Chemosensorik bei Covid-19: Pathomechanismen und klinische Relevanz. Fortschr Neurol Psychiatr. 2021 Feb; 89(06):281–8; DOI: 10.1055/a-1375-0761.