Topische Glucocorticoide

Topische Glucocorticoide zeichnen sich durch eine starke Lipophilie, hohe Rezeptoraffinität und geringe Bioverfügbarkeit aus. Dies ermöglicht bei kontinuierlicher Anwendung eine hohe lokale Wirksamkeit bei einem geringen Nebenwirkungsrisiko.

Allergie, Pollen

Sie werden als Nasenspray angewendet und gelten als effektivste Substanzen in der Therapie von persistierender allergischer Rhinitis und mäßigen bis schweren Symptomen mit nasaler Obstruktion.

Die Behandlung sollte im Idealfall einige Tage vor der Allergenexposition begonnen werden [1].

Rezeptfrei sind Präparate mit Beclometasondipropionat (ratioAllerg), Fluticason-17-propionat (Otri-Allergie Nasenspray) und Mometasonfuroat (MometaHEXAL, Mometason-ratiopharm).

Was gibt es zu beachten?

  • Der Wirkeintritt der lokalen Glucocorticoide erfolgt verzögert nach einem Tag bis maximal wenigen Wochen.
  • Die Patienten sollten mit der richtigen Anwendung der Nasensprays vertraut gemacht werden, um eine optimale Wirkung bei möglichst geringen Nebenwirkungen zu erzielen [1].
  • Da es sich um Suspensionen handelt, sollten die Präparate vor jeder Anwendung geschüttelt werden.
  • Topische Glucocorticoide werden in der Regel zweimal täglich angewendet [20-22].
  • Zu Therapiebeginn oder bei schweren Symptomen ist die Applikation der doppelten Dosis über maximal zwei Wochen möglich.
  • Bei Symptomkontrolle kann die Standarddosis nach drei Monaten reduziert werden [1].
  • Mometason kontrolliert die Symptome der allergischen Rhinitis etwas länger und besser als andere intranasale Glucocorticoide [7]. Ansonsten zeigen die Wirkstoffe aber keine wesentlichen Unterschiede in der Wirksamkeit [2,3].
  • Da Mometason und Fluticason vor allem über CYP3A4 biotransformiert werden, kann eine Kombination mit Inhibitoren des Enzyms zu einem erhöhten Risiko systemischer Nebenwirkung führen [21,22].
  • Das Risiko systemischer Nebenwirkungen ist sehr gering. Es können bei inkorrekter Anwendung lokal Blutbeimengungen zum Nasensekret oder Krustenbildung auftreten [1].
  • Eine Langzeitgabe der modernen Glucocorticoide verursacht über ein Jahr keine Atrophie oder Störung der mukoziliären Clearance [1-3].
  • Aufgrund der immunsupprimierenden Wirkung sollten bestehende Mykosen im Mund- und Rachenraum therapiert werden [7].

Vergleich der topischen Glucocorticoide

Glucocorticoide vergleich

Kinder und ältere Patienten

Topische Glucocorticoide sind auch für Kinder und ältere Patienten eine gute Therapieoption [1]. Fluticason und Mometason sollten insbesondere bei Kindern bevorzugt und in der kleinstmöglichen Dosierung angewendet werden [2].

Schwangerschaft

Für Schwangere konnte bisher keine nachteiligen Effekte beschrieben werden [10, 20-22]. Die Erfahrungswerte für nasal angewendetes Mometason in der Schwangerschaft sind hoch, für Fluticason und Beclometason sogar sehr hoch. Die Wirkstoffe können demnach in der Schwangerschaft angewendet werden. Beclometason sollte bevorzugt angewendet werden, da der Wirkstoff in der Plazenta teilweise enzymatisch inaktiviert wird [10].

Studienlage

Die »Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis« der Amercian Academy of Otolaryngology-Head and Neck Surgery (AAO-HNSF) empfiehlt den Einsatz intranasaler Glucocorticoide für Patienten mit Symptomen, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Grundlage dieser Empfehlung ist eine hohe Evidenzlage basierend auf randomisierten kontrollierten Studien sowie eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung.

  • Glucocorticoide beeinflussen direkt die Pathophysiologie der allergischen Rhinitis aufgrund ihrer antiinflammatorischen Wirkung [2].
  • Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit der verschiedenen Wirkstoffe beobachtet, nur Mometason zeigte eine bessere und längere Symptomkontrolle [7]. Die Langzeittherapie ist effektiver als eine kurzfristige Anwendung [1-3].
  • Studien zur Bedarfsanwendung von intranasalem Fluticason zeigten allerdings ebenso eine Überlegenheit gegenüber Placebo [3].

Nebenwirkungsprofil

Die häufigsten Nebenwirkungen der topischen Glucocorticoide werden durch lokale Irritationen hervorgerufen, die durch die richtige Applikationstechnik minimiert werden können [1]. Selten wurden Septumperforationen beobachtet. Patienten mit ganzjähriger Rhinitis, die ein bis fünf Jahre kontinuierlich intranasale Glucocorticoide anwendeten, zeigten keine Anzeichen einer Nasenschleimhautatrophie.

Studien zum Einfluss der intranasalen Glucocorticoide auf die Hypothalamus-Hypophysen-Achse zeigten keine negativen Auswirkungen.

Ein Zusammenhang zwischen der Anwendung intranasaler Glucocorticoide und der Entwicklung eines Katarakts oder Glaukoms konnte nicht nachgewiesen werden [3].

Es gibt laut der Leitlinie „Allergische Rhinokonjunktivitis“ der DGAKI (Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie) Studien, die die Hemmung des Längenwachstums bei Kindern und Jugendlichen nach Langzeitgebraucht von Beclometasondipropionat berichten.

  • Allerdings haben zeitlich begrenzte Untersuchungen über das Längenwachstum keine klinische Relevanz für die tatsächlich erreichte Körpergröße.
  • Für Kinder werden vorsichtshalber Wirkstoffe mit möglichst geringer Bioverfügbarkeit empfohlen [1].
  • Für Mometason und Fluticason konnte beispielsweise keine Beeinträchtigung des Wachstums festgestellt werden [2].

Vergleich mit H1-Antihistaminika

In Vergleichsstudien mit oralen H1-Antihistaminika waren intranasale Glucocorticoide effektiver bei der Kontrolle nasaler Symptome. In Bezug auf Symptome am Auge konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Wirkstoffklassen festgestellt werden [3]. Eine Kombination oraler Antihistaminika und topischer Glucocorticoide kann nicht empfohlen werden, da groß angelegte Studien keinen Zusatznutzen feststellen konnten.

Der Wirkeintritt der nasalen H1-Antihistaminika ist dem der Glucocorticoide überlegen. Hier kann eine Kombination bei Patienten mit durch Monotherapie unzureichend kontrollierten Symptomen eine wirksame Option darstellen, wie in verschiedenen Studien bei Patienten mit moderaten bis schweren Symptomen gezeigt wurde [2,3].

Autor:
Stand:
27.09.2021
Quelle:
  1. DGAKI: Leitlinie Allergische Rhinokonjunktivitis
  2. Sedman et al. Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis. Otolaryngol Head Neck Surg 2015 Feb;152(1 Suppl):S1-43. DOI: 10.1177/0194599814561600
  3. Wise et al. International Consensus Statement on Allergy and Rhinology: Allergic Rhinitis. Int Forum Allergy Rhinol 2018 Feb;8(2):108-352. DOI: 10.1002/alr.22073
  4. Klimek et al. ARIA guideline 2019: treatment of allergic rhinitis in the German health system Allergol Select. 2019; 3(1): 22–50. 2019 Dec 30. DOI: 10.5414/ALX02120E
  5. Church MK, Maurer M, Simons FER, Bindslev-Jensen C, van Cauwenberge P, Bousquet J, Holgate ST, Zuberbier T. Risk of first-generation H1-antihistamines: a GA2LEN position paper. Allergy 2010; 65: 459–466. DOI: 10.1111/j.1398-9995.2009.02325.x
  6. Fein, M.N., Fischer, D.A., O’Keefe, A.W. et al. CSACI position statement: Newer generation H1-antihistamines are safer than first-generation H1-antihistamines and should be the first-line antihistamines for the treatment of allergic rhinitis and urticaria. Allergy Asthma Clin Immunol 15, 61 (2019). DOI: 10.1186/s13223-019-0375-9
  7. Neubeck (2019) Evidenzbasierte Selbstmedikation, 4. Auflage, Deutscher Apothekerverlag
  8. Lennecke, Hagel (2016) Selbstmedikation – Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung, 6. Auflage, Deutscher Apothekerverlag
  9. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  10. Charité Universitätsmedizin Berlin: Embryotox
  11. Heumann Pharma: Fachinformation Cetirizin Heumann
  12. Ratiopharm GmbH: Fachinformation Levozetirizin-ratiopharm
  13. Hexal AG: Fachinformation Lorano akut
  14. Hexal AG: Fachinformation LoranoPro
  15. Novartis Consumer Health GmbH: Fachinformation Fenistil Tropfen
  16. Novartis Consumer Health GmbH: Fachinformation Tavegil
  17. MEDA Pharma GmbH & Co. KG: Fachinformation Allergodil Nasenspray
  18. McNeil GmbH & Co. oHG: Fachinformation Livocab direkt
  19. Théa Pharma GmbH: Fachinformation Zadithen ophtha sine Augentropfen
  20. Ratiopharm GmbH: Fachinformation ratioAllerg
  21. GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG: Fachinformation OtriAllergie Nasenspray Fluticason
  22. Hexal AG: Fachinformation MometaHexal
  23. Hexal AG: Fachinformation CromoHEXAL Kombi
  24. Merck Selbstmedikation GmbH: Fachinformation Nasivin Erwachsene
  25. Cassella-med GmbH & Co. KG: Fachinformation nasic Nasenspray
  26. Johnson & Johnson GmbH: Fachinformation Reactine duo
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige

Orphan Disease Finder

Orphan Disease Finder

Hier können Sie seltene Erkrankungen nach Symptomen suchen:

 

Seltene Krankheiten von A-Z
Schwerpunkt Seltene Erkrankungen