
Hintergrund:
Das Auftreten einer venösen Thromboembolie muss vor allem bei elektiven Eingriffen bedacht werden. Ihre jährliche Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung beträgt im Mittel 1/1000 mit alterslinearer Zunahme. Die Verwendung medizinischer Kompressionsstrümpfe zur Prävention von tiefen Beinvenenthrombosen gilt als evidenzbasiert.
Dies wurde kürzlich auch in einer Meta-Analyse und systematischem Review, welches 20 Studien in den Cochrane Database of Systematic Reviews evaluierte, bestätigt. Diese Analyse schlussfolgerte, dass mit der Verwendung von Kompressionsstrümpfen postoperativ deutlich seltener tiefe Beinvenenthrombosen auftreten als ohne (9,8% versus 21,2%). Zu bedenken bei dieser Analyse ist, dass 19 der 20 Studien vor dem Jahr 2000 durchgeführt wurden. In den letzten 50 Jahren konnte jedoch die Häufigkeit von venösen Thrombosen durch eine konsequente medikamentöse Prophylaxe deutlich gesenkt werden. Dennoch empfehlen die meisten aktuellen Leitlinien die Verwendung einer Kombination aus Kompressionsstrümpfen und medikamentöser Thromboseprophylaxe bei Patienten mit einem moderaten oder hohen Risiko für eine venöse Thromboembolie vor elektiven chirurgischen Eingriffen.
Studiendesign
Wissenschaftler untersuchten deshalb zwischen Mai 2016 und Januar 2019 im Rahmen einer multizentrischen, randomisiert kontrollierten Nicht-Unterlegenheitsstudie erneut den Nutzen von Kompressionsstrümpfen an 1858 (63.3% Frauen, 37,7% Männer) Erwachsenen. Die Patienten wiesen gemäß dem Fragebogen des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) ein mäßiges (15,9%) bis hohes (84,1%) Risiko für die Entwicklung einer postoperativen Thrombose auf.
Die Patienten wurden vor der Durchführung ihrer elektiven chirurgischen Eingriffe (Allgemeinchirurgie und Gynäkologie) in die zwei Gruppen: medizinische Kompressionsstrümpfe (n=921; Kontrollgruppe) während des Klinikaufenthaltes versus keine medizinischen Kompressionsstrümpfe für mindestens 90 Tage (n= 937; Interventionsgruppe) eingeteilt. Alle Patienten erhielten eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin.
Als primären Studienendpunkt definierten die Wissenschaftler ein innerhalb von 90 Tagen postoperatives Auftreten einer venösen Thromboembolie. Die venöse Thromboembolie kam mit oder ohne Symptome vor und wurde innerhalb von 14 bis 21 Tagen postoperativ mittels Duplex-Sonografie bestätigt oder zeigte sich via Bildgebung als nachgewiesene pulmonale Embolie mit Symptomen innerhalb von 90 Tagen postoperativ.
Ergebnisse
Bei den Patienten, die lediglich eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten hatten, kam es bei 16 der 937 Patienten (1,7%) zu einer venösen Thromboembolie, während die Patienten, die zusätzlich medizinische Kompressionsstrümpfe trugen, zu 1,4% (13 von 921 Patienten) eine venöse Thromboembolie entwickelten. Die Risikodifferenz zwischen beiden Gruppen betrug 0,3% (95% Konfidenzintervall: -0,65-1,26%; p<0,001 für Nicht-Inferiorität).
Die am meisten gefürchtete Komplikation der tiefen Beinvenenthrombose ist die Lungenembolie. Diese trat insgesamt bei 3 Patienten auf (1 Patient aus der Kompressionsstrumpfgruppe versus 2 Patienten aus der rein medikamentösen Gruppe).
Die Autoren wiesen als Einschränkung ihrer Studienergebnisse darauf hin, dass 281 von den 1858 Patienten (15,1%) nicht zu der geplanten Sonographie erschienen sind.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass eine rein medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin bei den meisten Patienten als VTE Prophylaxe einer zusätzlichen Kompressionsstrumpftherapie nicht unterlegen zu sein scheint.