Diabetes deutlich häufiger bei Down-Syndrom

Das Down-Syndrom ist mit vielen Erkrankungen assoziiert. Eine davon ist der Diabetes mellitus. Er tritt überproportional häufig auf - ebenso wie Adipositas. Früherkennung ist besonders wichtig.

Risikoanalyse

Diabetes mellitus ist in der Bevölkerung ungleichmäßig vertreten. Mit verantwortlich dafür ist eine genetische Prädisposition innerhalb mancher Familien. Diese kann zu einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM) führen. Eine Bevölkerungsgruppe, die vermutlich deutlich häufiger von Diabetes mellitus betroffen ist, sind Menschen mit Down-Syndrom.

Das Down-Syndrom (DS) ist die häufigste Form chromosomaler Trisomien und betrifft das Chromosom 21. Es geht einher mit Geburtsanomalien und geistiger Behinderung. Bereits bei der Geburt fallen klassische Gesichtszüge auf. Aber auch angeborene Herzfehler, gastrointestinale Veränderungen, hämatologische Abnormalitäten und Immundysregulationen sind häufig. Bei etwa jeder 1.000 Geburt kommt schätzungsweise ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt. Jedes dieser Kinder ist gefährdet, eine genetische Prädisposition für Diabetes zu haben, da auf dem Chromosom 21 einige Diabetes-relevante Gene liegen.

Genetische Prädisposition durch Chromosom-21-Anomalien

Aktuell werden vor allem drei Gene diskutiert, die mit Diabetes mellitus in Verbindung zu stehen scheinen: AIRE, DYRK1A und RCAN1 - alle auf Chromosom 21 lokalisiert. AIRE, was für „autoimmune regulatory protein“ steht, ist bei Menschen mit DS reduziert. Das könnte, so wird vermutet, Autoimmunitäten befördern. Das zweite Gen, DYRK1A - kurz für „dual-specificity tyrosine phosphorylation regulated kinase 1A“ - hängt direkt mit der Proliferation von beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zusammen. Wird es unterdrückt, werden mehr beta-Zellen gebildet. Ist es allerdings überexprimiert, sinkt die Proliferation von beta-Zellen. Für das dritte der Gene, RCAN1, wurde in Studien an Nagetieren gezeigt, dass ebenfalls mit Diabetes und altersassoziierter Hyperglykämie vergesellschaftet ist. RCAN1 steht für „regulator of calcineurin 1“. Bei Überexpression kommt es neben Diabetes und altersassoziierter Hyperglykämie auch zu gestörter Glukosetoleranz, Hypoinsulinämie und Verlust von beta-Zellen. Zusätzlich werden die Schlüsselgene von beta-Zellen herunterreguliert.

Da alle drei Gene aufgrund der Trisomie 21 eng mit dem Down-Syndrom zusammenhängen, ist es wichtig, zu verstehen, wie viele Menschen in dieser Bevölkerungsgruppe von Diabetes mellitus betroffen sind. Eine Bevölkerungsstudie aus Großbritannien hat sich mit dem Thema beschäftigt und die Daten im Journal »Diabetes Care« veröffentlicht.

Zielsetzung

Ziel der Studie war es, die Inzidenz von Diabetes bei Menschen mit Down-Syndrom zu untersuchen. Gleichzeitig wurde analysiert, wie sich Adipositas - ein Risikofaktor für Diabetes mellitus - in den verschiedenen Altersgruppen der von DS-Betroffenen verteilt und ob hier ein Zusammenhang besteht.

Methodik

Für die Studie wurden Daten aus der „UK Clinical Practice Research Datalink (CPRD) GOLD“-Datenbank verwendet. Als Beobachtungszeitraum wählte das Team die Jahre von 1990 bis 2020 und wies alle Daten von Menschen mit DS bis zu vier Kontrollpatientinnen und -patienten zu. Die dadurch entstandene retrospektive, gematched populationsbasierte Kohortenstudie umfasste Daten von etwa 7% der britischen Familienpraxen sowie anonymisierte Daten von weiteren ca. 9 Millionen Patientinnen und Patienten.

Klassifikationen

Als an Diabetes erkrankt wurde klassifiziert, wer entweder eine Diabetesdiagnose erhalten hatte, orale Antidiabetika oder Insulin bekam oder einen HbA1c von mindestens 48 mmol/mol bei mindestens zwei Untersuchungen vorwies. Das Diagnosedatum musste mindestens 365 Tage nach Registrierung liegen und wurde als Inzidenzdatum gewählt. Alle Inzidenzen wurden standardisiert pro 1.000 Personenjahren berechnet.

Bekamen Betroffene innerhalb von 91 Tagen nach der Diabetesdiagnose Insulin verschrieben und waren jünger als 35 Jahre, wurde der Diabetes als Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM) klassifiziert. Alle anderen Fälle wurden dem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) zugerechnet.

Zusätzlich zum Diabetes wurde bei allen Eingeschlossenen der Body-Mass-Index (BMI) erhoben und gemäß WHO-Kriterien eingeteilt. Ab dem 18. Lebensjahr galt:

  • Untergewichtig: BMI<18,5 kg/m²
  • Normalgewichtig: BMI=18,5-24,9 kg/m²
  • Übergewichtig: BMI=25-29,9 kg/m²
  • Adipös: BMI≥30 kg/m²

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wurden gemäß internationaler BMI-Standards in die gleichen Kategorien klassifiziert.

Ergebnisse

Aus der Datenbank konnten Daten zu 9.917 Menschen mit Down-Syndrom und 38.266 Kontrollpatientinnen und -patienten extrahiert werden, auf die die Kriterien zutrafen. Von diesen wurden im Beobachtungszeitraum 287 Menschen mit DS neu mit Diabetes diagnostiziert und 1.254 in der Kontrollgruppe. Die Mehrheit davon hatte einen T2DM (87,9% in der DS-Gruppe und 96,1% in der Kontrollgruppe). Die Geschlechterverteilung war in etwa gleich.

Inzidenzentwicklung

Wie in der allgemeinen Bevölkerung auch, verdreifachten sich die Inzidenzen pro 1.000 Personenjahre für Diabetes mellitus in den letzten drei Jahrzehnten. Lagen sie in der DS-Gruppe in den 90er-Jahren noch bei 1,29 und in der Kontrollgruppe bei 1,16, so waren die Inzidenzen zwischen 2010 und 2020 bereits auf 4,40 in der DS-Gruppe und 4,30 in der Kontrollgruppe angestiegen.

Altersverteilung

Wurden die verschiedenen Altersgruppen betrachtet, zeigte sich der erste Unterschied zwischen den beiden Gruppen: Menschen mit Down-Syndrom erkrankten deutlich früher an Diabetes mellitus und deutlich häufiger.

Das mediane Erkrankungsalter lag in der DS-Gruppe bei 38 Jahren (Interquartilenabstand [IQR] 28-49), in der Kontrollgruppe hingegen bei 53 Jahren (IQR 43-61). Kinder und junge Erwachsene mit DS waren viermal so häufig von Diabetes betroffen. Die Inzidenz lag hier bei den 5-14-Jährigen bei 1,55 pro 1.000 Personenjahre (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,95 bis 2,39) im Vergleich zu gerade einmal 0,38 (95%-KI 0,48 bis 0,93) in der Kontrollgruppe und bei 2,75 (95%-KI 1,90 bis 3,84) versus 0,68 (95%-KI 0,48 bis 0,93) in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen. Mit zunehmendem Alter näherten sich die Inzidenzen an, bis in der Gruppe der über 54-Jährigen die Kontrollpatientinnen und -patienten zweimal häufiger an Diabetes mellitus erkrankten als die Menschen mit DS.

Das Inzidenzratenverhältnis zeigte mit 3,67 (95%-KI 2,43 bis 5,55) und einem p-Wert von <0,0001 eine statistisch signifikante Häufung der Diabetesdiagnose bei Menschen mit DS - mit der Spitze bereits in jungem Alter.

Unterschiedlich häufige Diabetesformen

Werden die zwei Hauptformen des Diabetes mellitus - der Typ-1- und der Typ-2-Diabetes - einzeln betrachtet, unterscheiden sich auch hier die beiden Bevölkerungsgruppen.

Menschen mit DS hatten eine dreifach höhere Gesamtinzidenzrate für T1DM als die gleichaltrigen Kontrollpatientinnen und -patienten (0,44; 95%-KI 0,31 bis 0,61 bei DS vs. 0,13; 95%-KI 0,09 bis 0,17 in der Kontrollgruppe). Am stärksten ausgeprägt war dieser Effekt in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen.

Für T2DM sah es ähnlich aus. Auch hier war die Inzidenz bei jungen Menschen mit DS deutlich höher: In der Gruppe der 5- bis 14-Jährigen war sie zehnmal höher als in der Kontrollgruppe (0,62; 95%-KI 0,27 bis 1,22 vs. 0,06; 95%-KI 0,02 bis 0,16). Mit zunehmendem Alter kehrte sich dieser Trend jedoch um. In der Gruppe der über 54-Jährigen war die Inzidenz in der Kontrollgruppe dann doppelt so hoch wie in der DS-Gruppe.

Risikofaktor Übergewicht

Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Inzidenzen, vor allem bei T2DM, könnte das Gewicht sein. Übergewicht und Adipositas gelten als Risikofaktoren für einen T2DM. Menschen mit Down-Syndrom haben bereits in jungem Alter einen zu hohen BMI. Männer mit DS erreichten mit 31 Jahren den durchschnittlichen Spitzen-BMI der Gruppe von 31,2 kg/m², Frauen mit 43 Jahren und einem durchschnittlichen Spitzen-BMI von 32,1 kg/m². In der Kontrollgruppe hingegen lag der durchschnittliche Spitzen-BMI bei 29,5 kg/m² bei Männern und bei 29,2 kg/m² bei Frauen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich bereits 54 Jahre und 51 Jahre alt.

Adipositas selbst war in beiden Gruppen assoziiert mit einer erhöhten Inzidenz von T2DM. In der DS-Gruppe lag die Inzidenzrate pro 1.000 Personenjahre für Adipositas bei 8,07 (95%-KI 6,82 bis 9,48), bei 4,23 (95%-KI 3,15 bis 5,56) für Übergewicht und gerade einmal bei 2,50 (95%-KI 1,70 bis 3,55) für Normalgewicht. Die Inzidenz von T1DM war mit keiner der verschiedenen BMI-Kategorien assoziiert.

Fazit

Gerade in jungem Alter sind Menschen mit Down-Syndrom gefährdeter, an Diabetes mellitus zu erkranken. Die Inzidenz für T1DM ist hier viermal höher als bei gleichaltrigen Kontrollpatientinnen und -patienten. Beim T2DM ist das Risiko in jungen Jahren sogar mehr als zehnfach erhöht. Auch das mediane Alter, in dem der Diabetes diagnostiziert wird, lag zwischen 1990 und 2020 bei Menschen mit Down-Syndrom etwa 15 Jahre früher als in der Kontrollgruppe.

Auffällig ist, dass auch der durchschnittliche Spitzen-BMI in der Gruppe mit Down-Syndrom früher erreicht ist und höher liegt. Das trägt zum Risiko für T2DM bei. Die Autorinnen und Autoren schlagen deshalb vor, bereits während der Adoleszenz den HbA1c von Kinder und jungen Erwachsenen mit Down-Syndrom proaktiv zu überwachen und ein mögliches Diabetesrisiko so möglichst früh zu erkennen.

Autor:
Stand:
24.01.2023
Quelle:

Aslam A.A., et al. (2022): Diabetes and obesity in down syndrom across the lifespan: a retrospective cohort study using U.K. electronic health records. Diabetes Care. DOI: 10.2337/dc22/0482

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