Semaglutid erhält erweiterte FDA-Zulassung

Mit Semaglutid wurde in den USA der erste GLP-1-Rezeptoragonist zur gewichtsreduzierenden Therapie zugelassen. Das Antidiabetikum überzeugte in drei Phase-IIIa-Studien gegenüber Placebo.

Waage Uebergewicht2

Hintergrund

Übergewicht und Adipositas sind ein weltweites Problem. In den USA allein sind etwa 70% aller Menschen übergewichtig oder adipös. Das bringt nicht nur erhöhte Kosten für das Gesundheitswesen mit sich, sondern kann auch schwere Erkrankungen für die Betroffenen zur Folge haben. Dazu zählen beispielsweise Herzerkrankungen, Schlaganfälle, Diabetes mellitus oder Gelenkbeschwerden, aber möglicherweise auch Krebs. Deshalb kann es gerade bei bereits vorerkrankten Patientinnen und Patienten wichtig sein, das Gewicht zu reduzieren. Gelingt es, das Gewicht durch Sport und eine Ernährungsumstellung um 5% bis 10% zu reduzieren, sinkt bereits das kardiovaskuläre Risiko der betroffenen Erwachsenen.

Eine erfolgreiche und langfristige Gewichtsreduktion jedoch ist häufig nicht so einfach. Sport und Ernährungsumstellung reichen nicht immer aus, um das Gewicht effektiv zu reduzieren oder sind für die Betroffenen nicht in ausreichendem Maß möglich. Hier kann eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein, um diese Patientinnen und Patienten zu unterstützen. Eine Möglichkeit könnte der GLP-1-Rezeptoragonist Semaglutid bieten. Bisher ist er bei Diabetes mellitus Typ 2 als Antidiabetikum zugelassen, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Die Food and Drug Administration (FDA) in den USA – die amerikanische Zulassungsbehörden für Arzneimittel - hat dem Wirkstoff nun auch eine Zulassung für eine gewichtsreduzierende Therapie erteilt. Das Arzneimittel der Firma Novo Nordisk mit dem Marktnamen Wegovy muss einmal wöchentlich mit einer Dosis von 2,4mg unter die Haut (subkutan) gespritzt werden.

Indikationsgebiet

Die bisherige Zulassung für Semaglutid beschränkte sich auf Diabetes mellitus Typ 2. Die durch die FDA erteilte Zulassungserweiterung umfasst nun auch Erwachsene, bei denen das Körpergewicht reduziert werden soll. Als Kriterien gelten eine Adipositas mit einem initialen BMI (Body-Mass-Index) von mindestens 30 kg/m2 oder ein Übergewicht mit einem initialen BMI von mindestens 27 kg/m2 und mindestens einer gewichtsassoziierten Komorbidität. Semaglutid ist der erste GLP-1-Rezeptoragonist, der von der FDA zugelassen wurde, um das Gewicht bei adipösen Patientinnen und Patienten zu managen.

Wirkmechanismus bei Übergewicht

GLP-1 steht für Glucagon-like Peptid 1. Dabei handelt es sich um ein natürlich im menschlichen Magen-Darm-Trakt vorkommendes Peptidhormon. Es wird von neuroendokrinen Zellen im Darm produziert und freigesetzt, wenn Nahrung aus dem Darm in den Blutstrom gelangt. In der Bauchspeicheldrüse bindet es an den GLP-1 Rezeptor auf B-Zellen und befördert so die Sekretion von Insulin. Zusätzlich sorgt GLP-1 dafür, dass weniger Glucagon freigesetzt wird, der Magen sich verzögert entleert und die Betroffenen weniger Appetit verspüren.

Semaglutid hat eine etwa 95%ige Ähnlichkeit mit dem natürlich im Menschen vorkommenden GLP-1-Hormon. Es bindet daher ebenfalls an die GLP-1 Rezeptoren. So sorgt der Wirkstoff dafür, dass das Körpergewicht sinken kann, indem es den Hunger reduziert und das Sättigungsgefühl verstärkt.

Da der Wirkstoff zusätzlich auch an Albumin bindet, muss er nur einmal wöchentlich appliziert werden.

Zulassungsstudie

Untersucht wurden die Wirkung und Sicherheit von Semaglutid als Wirkstoff zur Gewichtsreduktion in drei randomisiert-kontrollierten, doppelt verblindeten und parallel laufenden Phase-IIIa-Studien, den STEP 3-Studien in den USA. Exemplarisch wird hier von einer der Studien, in JAMA - Original Investigation publiziert, berichtet. An allen Studien zusammengefasst nahmen etwa 2.600 Patientinnen und Patienten teil.

Methodik

Die Studienpopulation bestand aus insgesamt 611 Teilnehmenden, von denen 495 (81,0%) weiblich waren. Die Studie lief für insgesamt 68 Wochen im Zeitraum August 2018 bis April 2020 plus sieben weitere Wochen als Follow-up für unerwünschte andere Wirkungen des Wirkstoffs. Das Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren (SD 13) und einem Körpergewicht von 105,8 kg (SD 22,9). Der BMI der Teilnehmenden lag bei durchschnittlich 38,0 (SD 5,7). Insgesamt 92,8% beendeten die komplette Studie.

Um in die Studie eingeschlossen zu werden, mussten die Teilnehmenden mindestens 18 Jahre alt sein und einen oder mehrere erfolglose Diätversuche hinter sich haben. Der BMI musste bei ≥27 kg/m2 liegen bei gleichzeitigem Vorliegen von mindestens einer Komorbidität oder er musste >30 kg/m2 sein. Ausgeschlossen wurden Diabetiker, Menschen mit einem HbA1c von ≥6,5%, selbstberichteten Gewichtsschwankungen von mehr als 5 kg in den letzten 90 Tagen oder bereits geplanter oder durchgeführter gewichtsreduzierender Operation oder anderer gewichtsreduzierender Hilfsmittel.

Alle Teilnehmenden wurden randomisiert und erhielte entweder einmal wöchentlich Semaglutid oder Placebo. Der Wirkstoff wurde über 16 Wochen mit einer Startdosis von 0,25 mg im vierwöchigen Rhythmus aufdosiert. Vertrugen Teilnehmende die volle Dosis nicht, wurde eine Ersatzdosis von 1,7 mg gewählt.

In den ersten acht Wochen wurde die Ernährung aller Teilnehmenden auf eine low-calorie-Diät mit 1.000 bis 1.200 kcal/Tag umgestellt. Die Diät bestand aus Mahlzeitersatz. Anschließend wurde in eine hypokalorische Diät mit 1.200 bis 1.800 kcal/Tag mit konventionellem Essen für die restliche Zeit umgestellt. Die Teilnehmenden mussten zusätzlich 100 Minuten pro Woche Sport treiben, aufgeteilt auf vier bis fünf Tage. Alle vier Wochen wurde die Dauer um weitere 25 Minuten erhöht, bis 200 Minuten pro Woche erreicht waren. Zusätzlich erhielten alle Teilnehmenden insgesamt 30 Einzelsitzungen Verhaltenstherapie mit registrierten Diätassistentinnen und -assistenten.

Endpunkte

Als primäre Endpunkte der Studie wurden die prozentuale Gewichtsveränderung und der Anteil der Teilnehmenden, der mindestens 15% Körpergewicht über den Studienzeitraum verlor, definiert. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem:

  • Anteil der Teilnehmenden, die mindestens 10% oder 15% Gewicht über den Studienzeitraum verloren,
  • Eine Veränderung des Taillenumfangs zwischen Studienbeginn und Studienende,
  • Der systolische Blutdruck und
  • Der physische Funtionsscore im 36-Item Short Form Health Survey (kurz SF-36).

Zusätzlich wurden unerwünschte andere Wirkungen und schwere Nebenwirkungen erfasst.

Statistische Analyse

Analysiert wurden die erhobenen Daten in 95%igen Konfidenzintervallen (95%-KI) und mit p-Wert-Signifikanz <0,05. Bei 600 Teilnehmenden lag die vorab errechnete Power der Studie bei 86% für die gewählten Endpunkte und 99% für weitere Co-Endpunkte. Als Methoden wurden unter anderem Covarianz und logistische Regression eingesetzt.

Ergebnisse

Über den Studienzeitraum von 68 Wochen verloren die Teilnehmenden der Semaglutidgruppe durchschnittlich etwa 16,0% ihres Körpergewichts, die der Placebogruppe 5,7%. Die Differenz zwischen den beiden Gruppen lag bei -10,3% (95%-KI -12,0bis -8,6; p<0,001). Den 5%-Gewichtsreduktionsendpunkt erreichten in der Semaglutidgruppe 86,6%, in der Placebogruppe 47,6% (p<0,001). Auch die 10% und 15% Endpunkte erreichten signifikant mehr Teilnehmende in der Semaglutidgruppe mit 75,3% vs. 27,0% und 55,8% vs. 13,2% (p<0,001).

Sekundäre Endpunkte wie eine Verringerung des Taillenumfangs oder des systolischen Blutdrucks wurden ebenfalls signifikant häufiger in der Interventionsgruppe mit Semaglutid erreicht als in der Placebogrupppe. Die Differenz lag hier bei -8,3 cm (95%-KI -10,1 bis -6,6; p<0,001) und -3,9 mmHg (95%-KI -6,4 bis -1,5; p=0,001). Die physikalische Funktionalität, gemessen mittels SF-36 veränderte sich bis zum Ende der 68. Studienwoche um 0,8 (95%-KI -0,2 bis 1,9; p=0,12). Auch der BMI, der diastolische Blutdruck und einige Blutwerte wurden durch die Semaglutidgabe positiv beeinflusst.

Die berichteten unerwünschten anderen Wirkungen decken sich mit denen, die bereits bekannt sind. Am häufigsten traten gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Obstipationen, Durchfall oder Erbrechen auf. Erbrechen trat nur bei weniger insgesamt 5% der Teilnehmenden auf. Diese waren häufiger unter Semaglutid (82,2%) als in der Placebogruppe (63,2%). Das Maximum an gastrointestinalen Nebenwirkungen lag unter Semaglutid in der 20. Woche bei 25%. Danach sank die Rate auf 15%.

Eingestuft wurden die gastrointestinalen Nebenwirkungen überwiegend als mild bis moderat und von relativ kurzer Dauer. Schwere unerwünschte andere Wirkungen traten unter Semaglutid bei 9,1% der Teilnehmenden auf und in der Placebogruppe bei 2,9%. Andere unerwünschte andere Wirkungen waren unter anderem Kopfschmerzen, Müdigkeit, Aufstoßen, Schwindel, Blähungen.

Die Studie abgebrochen haben aufgrund der Nebenwirkungen insgesamt 3,4% der Teilnehmenden in der Semaglutidgruppe und 0% in der Placebogruppe.

Detaillierte Empfehlung nach Zulassungsänderung

Die Zulassung durch die FDA geht dem aktuell laufenden Verfahren bei der European Medicine Agency (EMA) voraus. Dort hat Novo Nordisk Ende 2020 ebenfalls einen Antrag auf Marktzulassung eingereicht. Dieser Antrag wird derzeit durch die EMA bearbeitet.

Autor:
Stand:
03.08.2021
Quelle:
  1. FDA: FDA Approves New Drug Treatment for Chronic Weight Management, First Since 2014. Pressemitteilung 4. Juni 2021 [Zuletzt aufgerufen am 31. Juli 2021].
  2. Novo Nordisk: Novo Nordisk files for EU regulatory approval of once-weekly semaglutide 2.4 mg for weight management. Pressemitteilung 18. Dezember 2020 [Zuletzt aufgerufen am 31. Juli 2021]
  3. Novo Nordisk: Wegovy (semaglutide 2.4 mg), the first and only once-weekly GLP-1 therapy for weight management, approved in the US. Pressemitteilung 4. Juni 2021 [Zuletzt aufgerufen am 31.07.2021]
  4. Wadden TA. et al. Effect of Subcutaneous Semaglutide vs Placebo as an Adjunct to Intense Behavioral Therapy in Body Weight in Adults With Overweight or Obesity - The STEP 3 Randomized Clinical Trial. Jama 2021 Online ahead of print. DOI: 10.1001/jama.2021.1831 [Zuletzt aufgerufen am 31. Juli 2021]
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