
Ende August 2022 beschloss die Gesellschafterversammlung der gematik die E-Rezept-Funktion der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Ursprünglich sollte diese ab November 2022 zur Verfügung stehen. Allerdings haben sowohl der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Ulrich Kelber, als auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Bedenken bezüglich der Datensicherheit geäußert. Die gematik gab nun bekannt, dass sich die Einführung der E-Rezept-Funktion der eGK daher bis Mitte 2023 verzögert.
Spezifikation verstößt gegen DSGVO
Der BfDI kritisiert, dass die geplante Schnittstelle zum Abruf der E-Rezepte in der Apotheke nicht nach dem Stand der Technik abgesichert sei und damit gegen die DSGVO verstoße. Kelber erklärt weiter, dass die geplante Datenverarbeitung mit der zunächst von der gematik vorgelegten Umsetzung ein großes Risiko für die Rechte und Freiheiten aller Nutzerinnen und Nutzer des E-Rezepts, bundesweit und bei allen Arztpraxen und Apotheken verursache. Die Vorschläge zur Minderung des Problems, die der BfDI abseits einer anderen Umsetzung erhalten habe, verringerten die Gefahren für die Versicherten nicht ausreichend.
Sichere Lösung bis Sommer 2023
Im Falle eines Hacks hätte das Vertrauen in das E-Rezept und die Digitalisierung des Gesundheitswesens enorm gelitten. "Ich erwarte von allen Beteiligten, dass bis zum Sommer 2023 eine sichere Lösung für das Abholen von E-Rezepten durch Stecken der eGK zur Verfügung steht.", so Kelber. Er schlägt eine funktionsgleiche Alternative vor, bei der im Hintergrund andere Verfahren genutzt werden. Eine Umsetzungszeit von sechs Monaten sei dabei in der Softwareentwicklung durchaus üblich und notwendig.
Der BfDI fordert außerdem das Bundesministerium für Gesundheit und den Deutschen Bundestag dazu auf, vorhandene sichere und bequeme Authentisierungsmittel zum Standard werden zu lassen, wie beispielsweise eine PIN für die Gesundheitskarte. „Digitalisierung im Gesundheitssektor muss richtig umgesetzt werden: Sicher, datenschutzkonform und bequem zu nutzen. Unzureichend gesicherten Lösungen werden wir auch weiter eine datenschutzrechtliche Absage erteilen.“
Wenig Verständnis bei Apothekern und Ärzten
Die Apotheker- und Ärzteschaft zeigt wenig Verständnis für die Bedenken des Datenschutzbeauftragten.
Apotheken kein Risiko für Datensicherheit
Dass Apothekerinnen und Apotheker die einmal abgerufenen Daten einer Gesundheitskarte für spätere E-Rezepte speichern und damit die freie Apothekenwahl der Patienten verhindern, verbiete sich durch das besondere Vertrauensverhältnis sowie strikte rechtliche Vorgaben, erklärte der Deutsche Apothekerverband. Auch Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) erklärte, „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind ein Garant für Datensicherheit und sind kein Risiko für Datensicherheit.“
Der dritte Weg über die elektronische Gesundheitskarte müsse möglich sein, um das elektronische Rezept „zum Fliegen zu bringen“. Das sei für die Akzeptanz bei den Patienten notwendig. Man müsse dem Datenschutz gerecht werden, aber auch der Patientenversorgung, so die ABDA-Präsidentin.
Rückzug der KVWL aus Rollout
Der Vorstand der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Thomas Müller, hatte bereits zu Beginn der E-Rezept-Einführung erklärt, die eGK-Lösung sei unverhandelbar. Die Vereinigung zieht nun Konsequenzen aus der Verzögerung der Funktion und stoppt vorerst den Rollout. Damit verbleibt keine KV mehr im Einführungsprozess der elektronischen Verordnung. Die KV Schleswig-Holstein hatte sich bereits vor dem Start aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken aus dem Rollout zurückgezogen.
„Die Entscheidung des Datenschützers ist eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung. Für die mehr als 13.000 ärztlichen Mitglieder der KVWL wäre die digitale Lösung der ersten Massenanwendung ein großer Schritt gewesen – nun wird einmal mehr eine große Chance leichtfertig vertan!“, so KWVL-Vorstand Thomas Müller. Die Ablehnung des BfDI bedeute eine „eklatante zusätzliche Verzögerung“, da verschiedene technische Anpassungen notwendig werden. Es sei für die Ärzteschaft nicht zumutbar, noch bis Mitte des nächsten Jahres nahezu ausschließlich papiergebundene E-Rezepte auszustellen.
Andere Möglichkeiten zur E-Rezept-Nutzung verfügbar
Seiten des BfDI heißt es, dass es unverständlich sei, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Apothekerverband dieses Problem, dass ihnen seit Monaten und damit länger als dem BfDI selbst bekannt sei, nicht wahrnehmen wollten und stattdessen schon Basisabsicherungen von IT-Lösungen als überzogen diffamierten. Leidtragende seien die Patientinnen und Patienten, die gerne das E-Rezept auf einem der bereits funktionierenden Wege nutzen möchten.
Darum erklärt Kelber, dass die kassenärztlichen Vereinigungen ihren Ausstieg aus dem Pilotprojekt überdenken sollten. Schließlich stünden alle Möglichkeiten der Einreichung von E-Rezepten, die auch zum Start des Pilotprojektes vorhanden waren, weiter uneingeschränkt zur Verfügung. Auch die gematik macht deutlich, dass trotz der aktuellen Entscheidung E-Rezepte weiterhin ausgestellt und eingelöst sowie die Prozesse weiterentwickelt werden.