Rückzug der KV Schleswig-Holstein vom E-Rezept-Rollout

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) gab ihren Rückzug vom Rollout des E-Rezepts im September bekannt. Grund sind Lücken beim Datenschutz, wenn E-Rezepte per E-Mail oder SMS weitergeleitet werden. Die KV Westfalen-Lippe hingegen will weiterhin wie geplant am Rollout teilnehmen.

E-Rezept Arzt

Die Gesellschafter der gematik haben für das Rollout des elektronischen Rezeptes den 1. September 2022 festgelegt. Starten sollen zum einen bundesweit die Apotheken und zum anderen Pilotpraxen und -Kliniken in den Regionen Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) hat nun allerdings verkündet, dass sie sich bis auf Weiters aus der Rollout-Phase des E-Rezeptes zurückzieht. Die Datenschutzbehörde SH habe den essenziellen Übertragungsweg der elektronischen Verordnungen per Mail oder SMS untersagt.

QR-Code mit Schlüsselfunktion

Die E-Rezepte werden vom Arzt mit dem jeweiligen Praxisverwaltungssystem (PVS) erstellt und dann digital über die Telematik Infrastruktur (TI) an den Fachdienst der gematik weitergeleitet. Der Patient erhält in der Praxis einen QR-Code, der als eine Art Schlüssel zum vollständigen E-Rezept dient. Der Code selbst enthält keine Daten und kann vom Patienten entweder per App gescannt oder als Papierausdruck mitgenommen werden. Die Apotheken können die vollständigen Verordnungsdaten dann mithilfe des QR-Codes abrufen.

Keine sichere Übertragung per E-Mail und SMS

Ein PVS bot zusätzlich die Möglichkeit an, die QR-Codes per E-Mail- oder SMS-Verfahren an die Patienten oder auch Apotheken zu senden. Die Datenschutzbehörde SH hat das nun untersagt, auch wenn die Patienten dieser Art der Übermittlung persönlich zugestimmt haben und dieses Einverständnis dokumentiert wurde. Selbst die Versendung datenloser QR-Codes bedeute bereits die Übermittlung von Gesundheitsdaten. Die Behörde weist darauf hin, dass auf dem Markt frei erhältliche Apps aus dem Apothekenumfeld jeder Person, die befugt oder unbefugt im Besitz des QR-Codes ist, die Kenntnisnahme von Daten einer Verordnung erlaubten, da beim Hochladen in diese Apps die Daten ermittelt und angezeigt würden. Ein Mailingverfahren käme nur dann in Betracht, wenn dem QR-Code zusätzlich eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung angefügt werde. Die Funktion wird daher in Kürze abgeschaltet.

Ärzte haften für Dritte

Problematisch hierbei ist zudem, dass Ärztinnen und Ärzte für das Fehlverhalten oder die missbräuchliche Anwendung datenloser QR-Codes durch Dritte in Haftung genommen werden können. Während bei analogen Rezepten die Verantwortung für den formalen Umgang mit der Abgabe der Verordnung an den Patienten übergeht, ist dies im digitalen Rahmen nicht der Fall.

Keine alternativen digitalen Verfahren

Hinzu kommt, dass laut der KVSH durch das Abschalten des Mail- und SMS-Verfahrens in etwa 99% der Fälle der digitale Weg des E-Rezeptes unterbunden werde. Das liege an den folgenden Punkten.

  • Aufgrund des Chipmangels haben die Krankenkassen bisher nur wenigen Versicherten eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) ausliefern können. Diese ist jedoch für die Nutzung der E-Rezept-App der gematik notwendig.
  • Viele Menschen haben kein NFC-fähiges Smartphone, um die E-Rezept-App vollständig zu aktivieren.
  • Aufgrund sicherheitstechnischer Probleme wurde das Video-Ident-Verfahren untersagt, das genutzt wird, um die zu der eGK gehörige PIN möglichst einfach zu erhalten. Versicherte müssen dafür nun die Geschäftsstellen der Kassen aufsuchen oder ein Postident-Verfahren durchlaufen.
  • Die KVSH steht der Alltagstauglichkeit der E-Rezept-App aufgrund dessen sowie wegen des nötigen 6-stelligen Anmeldecodes skeptisch gegenüber.
  • Der E-Rezept-Code kann nach Zustimmung des Patienten zwar per KIM an Apotheken gesendet werden, allerdings nutzen bisher wenige Apotheken diesen Dienst.
  • Die gematik gab kürzlich bekannt, dass in Zukunft auch E-Rezepte mit der eGK eingelöst werden können. Außerdem fehle noch die Klärung, ob dieses Verfahren seitens des Datenschutzes für zulässig befunden wird, denn grundsätzlich sei auch ein missbräuchlicher Umgang mit eGKs möglich, so die KVSH.
  • Bisher ist es nicht möglich das E-Rezept in die elektronische Patientenakte (ePA) einzuspeisen.

Einstellung weiterer Aktivitäten

Die KVSH gab bekannt, dass zunächst aus den oben genannten Gründen noch vor dem Beginn des Rollouts alle weiteren Aktivitäten eingestellt werden. Das gilt nicht für bereits terminierte Schulungen mit Softwarehäusern, die als Videokonferenzen durchgeführt werden sollen. Auch die Patienteninformationen werden freigegeben, sobald diese hergestellt und ausgeliefert werden können.

KVSH bedauert Rückzug vom Rollout

Die Situation sei außerordentlich bedauerlich, da die Praxen erstmals Aussicht auf eine nutzbringende TI-Anwendung gehabt hätten. Die KVSH habe Anfang August in einem Anschreiben mitgeteilt, dass sie den E-Rezept-Rollout unterstützt, weil grundsätzlich für die Praxen eine Entbürokratisierung des Massenprozesses Rezept durch die Digitalisierung erreicht werden könne. Nach zwei Monaten intensiver Vorbereitung, Abklärung aller Wege und permanenter Absprache mit allen Akteuren werde aktuell nicht gesehen, dass das Ziel in den nächsten Monaten erreicht werden könne.

Papierausdruck kann genutzt werden

Die KVSH weist darauf hin, dass das Ausdruckverfahren des E-Rezept-Codes weiterhin genutzt werden könne. Dabei sei zu bedenken, dass damit zwar die Prozessorganisation umgestellt und geübt werden könne, ansonsten aber kein Mehrwert erzielt werde. Außerdem sei darauf zu achten, dass eine Übermittlung des Ausdrucks per Fax ebenso datenschutztechnisch unzulässig ist.

Zudem könnten Apotheken insbesondere von Praxen, die viele Versicherte in Heimen betreuen und dementsprechend viel rezeptieren, darauf hingewiesen werden, dass per KIM eine digitale Option bestünde. Allerdings sei der KIM keine Vorgabe der gematik, um als E-Rezept-ready zu gelten, zudem erhalten Apotheken keine finanzielle Erstattung für dieses Modul.

KV Westfalen-Lippe bleibt „an Board“

Während es von der KVSH heißt, sie werde sich unterstützend wieder einschalten, wenn ggf. durch Gesetzesanpassungen und/oder technische gematik-Aktivitäten eine Entbürokratisierung für Praxen und eine Alltagstauglichkeit absehbar sei, verkündete die KV Westfalen-Lippe weiter am Rollout teilnehmen zu wollen. „Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens besser ist, auf dem Fahrersitz zu sitzen und den Kurs mitzubestimmen – damit wir möglichst unfallfrei durch diese Entwicklung kommen“, so Thomas Müller, Vorstand der KVWL und unter anderem für IT und Digitalisierung zuständig. Auch die Apotheken stehen bereits in den Startlöchern.

E-Rezept über eGK als Grundvoraussetzung

Der KVWL-Vorstand erklärt jedoch eines sei unverhandelbar: „Für ein digitales Angebot wie das E-Rezept kann es nur eine digitale Lösung zur Übertragung geben. Den Weg dafür haben wir mit dem Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte bereits aufgezeigt. Wir erwarten von der gematik, dem Bundesgesundheitsministerium und den Apothekenverwaltungssystem-Herstellern, dass das E-Rezept spätestens in drei Monaten mit der eGK übertragen und eingelöst werden kann. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezepts und nicht verhandelbar.“

Auch seitens der Apotheken wird die Nutzung des E-Rezeptes über die eGK gefordert. "Wenn Patientinnen und Patienten zur Übermittlung des E-Rezeptes zunächst in der Arztpraxis und dann in der Apotheke einfach ihre eGK in ein Kartenlesegerät einstecken können, ist das ein erstrebenswerter und sehr komfortabler Prozess. Das muss in den kommenden Monaten möglich werden", so Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA - Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände.

250 Praxen starten im September

Am 1. September starten in Westfalen-Lippe rund 250 Praxen mit dem E-Rezept-Rollout. Die Anzahl soll sukzessive gesteigert werden, um die Funktionsfähigkeit des E-Rezepts in der Arbeitsrealität der Ärztinnen und Ärzte erproben zu können.

Autor:
Stand:
25.08.2022
Quelle:
  1. ABDA: Pressemitteilung – E-Rezept: Mehr als 10.000 Apotheken sind startklar (24.08.2022)
  2. Datenschutzbehörde SH: Einschätzung zur Verarbeitung vertragsärztlicher elektronischer Verordnungen (19.08.2022)
  3. KVSH: eRezept – Newsletter vom 22.08.2022
  4. KVWL: Pressemitteilung – KVWL bleibt beim E-Rezept-Rollout an Bord und fordert weiter eine digitale Lösung (23.08.2022)
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