Schwierige PCOS-Diagnose bei Mädchen

Ein polyzystisches Ovarialsyndrom (engl. polycystic ovary syndrome, PCOS) ist eine Ausschlussdiagnose. Typische PCO-Zeichen wie Akne und unregelmäßige Blutungen sind kurz nach der Menarche allerdings normal. Die richtige Diagnose ist aber auch in der Jugend wichtig für eine frühzeitige Beratung und Therapie.

Gynäkologische Erkrankungen

Die Kriterien für das polyzystische Ovarial-Syndrom bei erwachsenen Frauen sind nur bedingt auf Mädchen und junge Frauen zu übertragen, erläuterte Privatdozentin Dr. Bettina Böttcher von der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck [1]. Ein internationales Konsortium für Pädiatrische Endokrinologie hat in einem Konsensus die Kriterien wie folgt umschrieben [2]:

  • Unregelmäßige Zyklen später als zwei Jahre nach Menarche
  • persistierende biochemische/klinische Hyperandrogenämie (schwere Akne, Hirsutismus)
  • keine anderen Ursachen für die Beschwerden.

Definition unregelmäßiger Zyklen

Unregelmäßige Zyklen werden abhängig von der geschlechtlichen Entwicklung definiert [3]. Im ersten Jahr nach der Menarche sind irreguläre Zyklen normal und Ausdruck der Transition in der Pubertät. Mehr als ein Jahr nach der Menarche kann bei einem Abstand von mehr als 90 Tagen zwischen zwei Zyklen von unregelmäßigen Zyklen gesprochen werden, mehr als drei Jahre nach der Menarche bei mehr als 35 Tagen zwischen zwei Zyklen oder bei weniger als acht Zyklen pro Jahr. Auch eine primäre Amenorrhö wird unter die irregulären Zyklen gefasst.

Kriterien der Erwachsenen nicht uneingeschränkt anwendbar

Andere für die PCOS-Diagnose bei erwachsenen Frauen angewendeten Kriterien gelten für Mädchen nicht. So sind die Kriterien des PCOS-Ultraschall erst mehr als acht Jahre nach der Menarche zu verwenden und höchstens zur Einschätzung des PCOS-Phänotyps hilfreich, sagte Böttcher.

Bei der Bestimmung des Androgenprofils (freies Testosteron/freier Androgenindex und sexualhormonbindende Globulin, SHBG) ist zu beachten, dass es keine einheitlichen Referenzwerte für Jugendliche dazu gibt und die Assays nicht alle zuverlässig genug sind. Spezielle Hirsutismus-Scores für Mädchen im Alter unter 15 Jahren gibt es nicht.

Anti-Müller-Hormon hilft auch nicht weiter

Mit Hilfe der Bestimmung von Prolaktin, 17-Hydroprogesteron und Follikelstimulierendem Hormon (FSH) lassen sich andere hormonelle Ursachen der Zyklusunregelmäßigkeiten und Symptome ausschließen. Das Anti-Müller-Hormon (AMH) ist keine diagnostische Alternative, weil es ebenfalls keine Referenzwerte für Jugendliche gibt, sagte Böttcher. Bei PCOS besteht zwar ein etwa dreifach erhöhtes Risiko für ein metabolisches Syndrom (metSyn), aber auch das ist kein diagnostisches Kriterium für ein PCOS.

Risiko für Überdiagnosen

Die Diagnose eines PCOS muss bei allen diesen Unsicherheiten bei Mädchen und jungen Frauen vorsichtig gestellt werden, da das Risiko für Überdiagnosen besteht. Die könne mit einer zusatzlichen psychischen Belastung einhergehen, betonte Böttcher. Auf der anderen Seite eröffnet die frühzeitige Diagnose eines PCOS die Möglichkeit einer frühen Therapie und Verhinderung von chronischen Erkrankungen und des Progresses des PCOS-Phänotyps. Hinweise für ein hohes Risiko für ein späteres PCOS sind laut Böttcher

  • prämature Pubarche vor dem achten Lebensjahr.
  • verzögert ablaufende Pubertät
  • Zyklusstörungen mehr als drei Jahre nach Menarche
  • ausgeprägte Köperbehaarung
  • besonders schwer behandelbare Akne
  • rasche Gewichtszunahme in der Pubertät, Übergewicht, Adipositas.

Behandlung bei PCOS von Mädchen

Die Behandlung sollte bei jungen Frauen abhängig von den individuellen Beschwerden erfolgen. Wichtig ist, welche Ursachen wirklich einen Leidensdruck verursachen. Böttcher empfahl eine interdisziplinäre Betreuung. Besonders wichtig sei die Aufklärung: Eine Veränderung des Lebensstils und ein Gewichtsverlust könne oft schon zu einem regelmäßigen Zyklus führen, berichtete sie. Die medikamentöse Erstlinientherapie besteht aus oralen Kontrazeptiva, wobei in den Leitlinien keine bestimmte Empfehlung ausgesprochen wird.

Zusätzliche Therapiemaßnahmen

Wenn Lebensstilmodifikation und orale Kontrazeptiva die Beschwerden nicht ausreichend verringern, können laut Böttcher je nach Symptomen erwogen werden:

  • Metformin (off-label, positive Effekte auf Abnahme der Testosteronwerte, Body Mass Index und Triglyceride)
  • Antiandrogene (off-label: Spironolacton, Effekt auf Akne)
  • Medikamente gegen Adipositas (GLP-1 -Agonisten, keine Daten für Adoleszente mit PCOS)
  • Inositol (Nahrungsergänzungsmittel, verstärkt Wirkung von Insulin und Glukoseaufnahme in die Zellen).
Autor:
Stand:
08.11.2022
Quelle:
  1. PD Dr. Bettina Böttcher: „Update zu Diagnostik und Therapie des PCOS in der Adoleszenz“ anlässlich des 64. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in München am 14. Oktober 2022.
  2. Ibáñez L, Oberfield SE, Witchel S et al. (2017): An International Consortium Update: Pathophysiology, Diagnosis, and Treatment of Polycystic Ovarian Syndrome in Adolescence. Hormone Research in Paediatrics. DOI: 10.1159/000479371.
  3. Teede HJ, Misso ML, Costello MF et al. (2018): Recommendations from the international evidence-based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome. Human Reproduction. DOI: 10.1093/humrep/dey256.

 

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