
Hintergrund
Die randomisierte multizentrische RECOVER-Studie unter Federführung des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) untersuchte, wie sich eine Therapie mit Blutplasma genesener Covid-19-PatientInnen auswirkt. Die Analyse umfasste vier Gruppen von Personen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Coronaverlauf aufwiesen. Die Mehrzahl profitierte nicht von den im Plasma enthaltenen Antikörpern – bis auf eine Untergruppe.
Krebskranke, die aufgrund schwerer Covid-19-Symptome stationär aufgenommen wurden und direkt das Genesenen-Blutplasma erhielten, hatten deutlich bessere Chancen, die SARS-Cov-2-Infektion zu überleben, als nicht mit Plasma behandelte. Zudem klangen ihre Symptome rascher wieder ab. Die Ergebnisse der Studie sind in „Nature Cancer“ erschienen [1].
Daten von 134 PatientInnen ausgewertet
In die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als zwei Millionen Euro geförderte Studie RECOVER wurden 134 stationär behandelte PatientInnen an 15 Zentren in Deutschland aufgenommen. Die ProbandInnen gehörten vier vordefinierten Risikogruppen an:
- Krebskranke (56), die aktuell in Behandlung waren oder in den zwei Jahren zuvor eine Krebstherapie erhalten hatten
- immunsupprimierte PatientInnen (16), zum Beispiel nach einer Organtransplantation
- immundefiziente Personen (36), deren Abwehrsystem aufgrund unterschiedlicher Ursache geschwächt war
- betagte Menschen (26), die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters als besonders gefährdet für einen schweren Covid-19-Verlauf galten
Die Teilnehmenden wurden per Zufallsprinzip auf eine Standardbehandlung (Kontrollarm) oder eine Standardbehandlung plus Anti-SARS-CoV-2-Plasma (Plasmaarm) randomisiert. Das Plasma stammte von gesunden SpenderInnen mit anamnestisch bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und/oder mindestens zweifacher Covid-19-Impfung.
Genesenen-Blutplasma verbessert Infektionsverlauf und Überleben bei Krebserkrankung
Nach Auswertung aller vier Risikogruppen zeigte die Plasmatherapie mehrheitlich keinen Genesungsvorteil, schreibt die Uniklinik Heidelberg [2]. Eine Subgruppe profitierte jedoch deutlich: die der Karzinomerkrankten. In dieser Population [1,2]:
- besserten sich die Covid-19-Symptome im Mittel nach 13 Tagen im Vergleich zu 31 Tagen im Kontrollarm.
- starben drei von 28 Patienten – und somit zwei Drittel weniger als in der Kontrollgruppe (8 von 28).
Starker Anstieg der neutralisierenden Antikörper bei den Krebskranken
Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse in den Risikogruppen zeige die Analyse der neutralisierenden Antikörper, so das UKHD: Bei den Krebskranken in der Plasmagruppe stieg der Spiegel an neutralisierenden Antikörpern nach der Blutplasma-Gabe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant. In den drei anderen Risikogruppen war das nicht der Fall. Hier nahm die Antikörperkonzentration in den Interventions- und Kontrollgruppen ähnlich stark zu [1,2].
Früher Therapiebeginn entscheidend
„Sowohl die Krebserkrankung selbst als auch die Chemotherapie schwächt das Immunsystem, so dass es nicht mehr ausreichend auf die Infektion reagiert. Auch COVID-Impfungen schlagen bei Krebspatientinnen und -patienten schlecht an“, erläutert Studienleiter Professor Dr. Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik V für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD und im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. „Betroffene sind daher besonders gefährdet für einen schweren COVID-Verlauf [2].“
Für diese Risikogruppe der Betroffenen, die nicht ausreichend eigene neutralisierende Antikörper bilden, könnte die Plasmatherapie eine wichtige Therapieoption sein, sagt Erstautorin Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Infektions- und Tropenmedizin am Zentrum für Infektiologie. „Insbesondere, da es wenig Alternativen gibt: Künstlich hergestellte Antikörper sind auf bekannte Varianten ausgerichtet und bei neu auftretenden oft weniger effektiv. Frisch gewonnenes Plasma geimpfter und genesener Personen verändert sich dagegen bei jeder Welle in „Echtzeit“ mit dem Virus mit“, so Denkinger. Entscheidend sei jedoch ein früher Therapiebeginn [2].
Einschränkungen der Studie
Einschränkungen der Studie ergeben sich aus der geringen Anzahl der PatientInnen in der Risikogruppe, schreibt das UKHD. Eine große internationale Folgestudie unter Federführung der Uniklinik in Melbourne, Australien, sei aber bereits angelaufen.
„Wenn sich darin unsere Ergebnisse bestätigen, gehe ich davon aus, dass die Plasmatherapie für Krebspatienten in die Regelversorgung aufgenommen wird“, wird Müller-Tidow zitiert. „Besonders gefährdeten Patienten bieten wir diese Behandlung an unserer Klinik bereits jetzt im Rahmen individueller Heilversuche an und machen sehr gute Erfahrungen“, so der Hämato-Onkologe [2].