DDG 2021: Klimawandel: Werden Malaria, Dengue & Co. auch in Europa heimisch?

Ohne längere Frostperioden im Winter überleben auch in unseren Breiten tropische Stechmücken. Da Anopheles oder die Tigermücke Krankheiten übertragen, könnten Malaria oder Dengue-Fieber bei uns endemisch werden. Nach dem Urteil der Experten ist dies für Malaria eher unwahrscheinlich - doch Dengue ist schon da.

Muecke

Der Klimawandel mit seien steigenden Durchschnittstemperaturen hat vielfältige Auswirkungen auf die Menschheit, beispielsweise durch Dürren bedingte Verteilungskämpfe, die zu enormen Flüchtlingsbewegungen führen. Auch in der Tierwelt kommt es zu einer Umverteilung der Lebensräume. So sterben z.B. durch die Erwärmung der Meere die Korallen, andere Lebewesen können sich neue Lebensräume in nun wärmeren Regionen erobern. Das kann für den Menschen gefährlich werden, beispielsweise wenn durch Stechmücken Erkrankungen übertragen werden. Anders ausgedrückt: Können Anopheles oder die Tigermücke die vormals als Tropenkrankheiten bezeichnete Malaria oder Dengue-Fieber zu (nord)europäischen Erkrankungen machen?

Einschleppung durch Handel und Tourismus

Nicht nur der Klimawandel trägt zur Ausbreitung der Krankheitsüberträger (=Vektoren) bei, dazu kommen noch weitere Faktoren, wie der Entomologe Dr. Thomas Morwinsky vom Sanitätsdienst der Bundeswehr (Dachau) berichtete. So werden die Erreger bzw. die Vektoren durch Handel, Migration oder Tourismus in neue Regionen eingeschleppt. Ob sie sich dort verbreiten können, hängt unter anderem davon ab, ob sie dort geeignete Lebensräume und Nahrungsmöglichkeiten finden.

Kommt Malaria wieder zu uns?

Als ein Beispiel für eine durch Vektoren übertragene Tropenerkrankung nannte Morwinsky die Malaria, die in Europa jedoch nicht neu sei. Die Fiebererkrankung war nicht nur in der Antike (beispielsweise in den pontinischen Sümpfe bei Rom) bekannt (lat. mala aria=schlechte Luft), sondern im 18.Jahrhundert bis nach Südskandinavien, Polen, Russland, auf den britischen Inseln und auch Deutschland verbreitet, so der Entomologe. Noch Ender der 1940er Jahre wurden mehrerer hundert autochtone Malaria-Fälle aus dem Emsland berichtet.

Weltweit ist die Malaria mit über 200 Millionen Erkrankten und über 430.000 Todesfällen jedes Jahr ein großes Gesundheitsproblem. In Deutschland werden jährlich etwa 1.000 Malaria Erkrankte gezählt, die ausschließlich im Ausland infiziert wurden.

Malaria tertiana durch Anopheles atroparvus

Doch auch eine Ansteckung in Deutschland ist künftig nicht ausgeschlossen Von den über 120 Arten der Malaria-übertragenden Anopheles-Spezies könnte sich am ehesten Anopheles atroparvus als Vektor entpuppen, so Morwinsky. Diese Stechmückenart ist ein guter Vektor für das die Malaria tertiana auslösende Plasmodium vivax, aber ein schlechter für Plasmodium falciparum, den Erreger der schwerwiegenden Malaria tropica.

Eher keine Malaria-Wiederkehr

Insgesamt halten Morwinsky und seine Kollegen eine Rückkehr der Malaria nach Europa (und im Besonderen nach Deutschland) eher für unwahrscheinlich. Denn andere Einflussfaktoren stehen der Ausbreitung entgegen – beispielsweise die Habitatansprüche der Mücken, die Gesundheitsversorgung oder die eher städtische Lebensweise der Bevölkerung.

Arbovirosen: Gefahr durch die Tigermücken

Anderen Mücken sind da eher Kandidaten für die Verbreitung von Tropenerkrankungen in Europa. Wie Morwinsky berichtete, haben sich vor allem die durch Aedes-Mücken übertragenen Arbovirosen Dengue-Fieber und Chikungunya im letzten Jahrzehnt gehäuft.

Der Hauptvektor für Arboviren war bisher Aedes aegyptii, doch durch Mutation der Viren hat sich in Europa Aedes albopictus als wichtigster Überträger etabliert. Vermutlich auch deshalb, weil einige Aedes-albopictus-Stämme sich an kühlere Temperaturen angepasst haben. Durch Handel und Tourismus ist Aedes albopictus von Südostasien nach Europa verschleppt worden. Diese Tigermückenart braucht zum Überleben nur kleine Wasserpfützen, wie sie in alten Autoreifen oder auch in Blumentöpfen zu finden sind.

Dengue und Chikungunya auch in unseren Breiten

Wie Morwinky berichtete, ist diese Aedes-Spezies erstmals 1979 in Albanien registriert worden. 2007 kam es zu einem Chikungunya-Ausbruch mit 200 Fälle in Oberitalien bei Reiserückkehrern aus Indien; 2010 gab es erste autochtone Chikungunya-Fälle in Südfrankreich.

2008 wurden außer in Italien nur in einigen anderen Küstenregionen des Mittelmeers Arbovirosen diagnostiziert. 2020 kamen Dengue-Fieber und Chikungunya am stärksten in allen europäischen Mittelmeeranrainern (hauptsächlich an den Küsten) vor. Ebenso war die gesamte südliche Hälfte von Frankreich betroffen. Aber auch im gesamten Westeuropa wurden Arbovirosen festgestellt.

Morwinskys Fazit: Der Klimawandel ist einer aber nicht der alleinige Faktor, der die Ausbreitung tropischer Vektoren und Krankheiten beeinflusst.

Autor:
Stand:
27.07.2021
Quelle:
  1. 51. Tagung der DDG, Session „Globale Dermatologie in den Zeiten des Klimawandels“, Vortrag Dr. Thomas Morwinsky, Dachau, „Tropische Vektoren – Ist eine Ausbreitung nach Europa in Zeiten des Klimawandels möglich?“, 15.4.2021
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