
Hintergrund
Die Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19) verläuft bei vorerkrankten Patienten weit schwerer als bei zuvor Gesunden. Rund 40% der hospitalisierten COVID-19 Patienten leiden unter einer chronischen kardio- oder cerebrovaskulären Erkrankung. Virusinfektionen führen häufig zu einer allgemeinen Destabilisierung bei kardialen Risikopatienten. Die limitierte kardiale Reserve der Herzpatienten kann von den erhöhten metabolischen Anforderungen infolge der Infektion rasch überfordert werden. Virusinfektionen, die die Atemwege angreifen, wie Influenza, SARS, MERS oder COVID-19 stellen dabei eine besondere Herausforderung für das kardiovaskuläre System dar.
Kardiovaskuläre Komplikationen
Vorherige Pandemien mit Grippe, SARS oder MERS führten insbesondere bei der Entwicklung einer Pneumonie bei kardialen Risikopatienten häufig zu Exazerbationen der kardiovaskulären Grunderkrankung und einer akuten Herzinsuffizienz. Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom konnte es zur Destabilisierung von Plaques und infolgedessen zu Myokardinfarkten kommen. Darüber hinaus wurden auch Myokarditiden beobachtet. Schließlich vergrößerten die bei Herzpatienten häufigen Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Adipositas, COPD oder chronische Nierenerkrankung das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen noch.
Erste Erfahrungen mit COVID-19
In einer kürzlich veröffentlichten Fallserie entwickelten 19,6% der hospitalisierten COVID-19 Patienten ein akutes respiratorisches Distress-Syndrom, bei 16,7% kam es zu Arrhythmien und bei 7,2% zu akuten Herzschädigungen. Weiter 8,7% der Patienten erlitten einen Schock und 3,6% akute Nierenschäden. Aufgrund der Gefahr, die eine COVID-19-Infektion vor allem für kardiale Risikopatienten darstellt, hat ein Expertengremium des American College of Cardiology nun ein Bulletin über die kardiovaskulären Implikationen von COVID-19 und folgende klinische Empfehlungen auf der Grundlage des derzeitigen Wissensstandes erstellt.
Empfehlungen für kardiale Risikopatienten
COVID-19 wird als Tröpfcheninfektion verbreitet und kann außerhalb des Organismus für einen bedeutenden Zeitraum infektiös bleiben. Eine Eindämmung der weiteren Verbreitung des Virus über entsprechende persönliche und öffentliche Maßnahmen muss oberste Priorität eingeräumt werden.
Stark betroffene Länder
In Gebieten, in denen COVID-19 aktuell grassiert, sollten Herzpatienten über ihre besonderen Risiken und zusätzliche Schutzmaßnahmen beraten werden.
Fieber tritt nicht immer auf
Ältere Patienten mit COVID-19 haben häufig kein Fieber. Bei den älteren Patienten müssen daher andere Symptome wie Husten und Kurzatmigkeit bei der Prüfung des COVID-19-Verdachts stärker gewichtet werden.
Plaque-stabilisierende Maßnahmen
Einige Experten meinen, dass eine rigorose Anwendung leitliniengerechter Empfehlungen zur Stabilisierung von Plaques Patienten mit chronischem Koronarsyndrom zusätzlichen Schutz bieten kann. Die Medikation sollte dabei jedoch auf das Individuum zugeschnitten sein.
Impfungen
Der Impfstatus von Patienten mit chronischem Koronarsyndrom sollte stets auf dem Laufenden sein. Insbesondere ein aktueller Pneumokokken- und ein Influenza-Impfschutz wird dringend empfohlen.
Priorisierung von Risikopatienten
Im Rahmen einer Triage von COVID-19 Patienten sollten Patienten mit zugrundeliegender chronischer Erkrankung von Herz, Atmungsapparat, Nieren oder anderen mit Priorität behandelt werden.
Okkulte Myokardinfarkte
Die Symptome einer COVID-19 Infektion können die klassischen Symptome und typische Krankheitsbilder eines akuten Myokardinfarkts (AMI) überlagern, sodass das Risiko einer Unterdiagnose besteht.
Gegenden mit geringem Infektionsrisiko
Herzpatienten in Gegenden mit geringem COVID-19-Infektionsrisiko sollten über die weiterhin bestehenden Risiken durch Influenza sowie die enorme Bedeutung von Impfungen und häufigem Händewaschen als Infektionsschutz und einer gewissenhaften Therapieadhärenz als Schutzmaßnahme vor kardiovaskulären Komplikationen im Falle einer Infektion aufgeklärt werden.
Empfehlungen können sich jederzeit ändern
Die COVID-19 Epidemie breitet sich schnell aus und hat ein unscharfes klinisches Profil. Angehörige der medizinischen Berufe sollten daher darauf vorbereitet sein, dass sich die Empfehlungen bei einer neuen Informationslage jederzeit ändern können.