Geschlechtsunterschiede beim Herzinsuffizienz-Risiko?

Es bestehen Unterschiede bei der Prävalenz von Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz zwischen Mann und Frau. Haben sich gewisse Risikofaktoren jedoch manifestiert, steigt das Risiko vergleichbar an. Dies trifft auch auf kardiovaskuläre Biomarker zu.

Mann und Frau

Hintergrund

Das Lebenszeitrisiko eine Herzinsuffizienz (heart failure [HF]) zu erleiden ist zwischen den Geschlechtern mit 20% vergleichbar. Die Art wie Männer und Frauen biologisch auf Vorstufen einer Herzinsuffizienz reagieren, unterscheidet sich jedoch grundsätzlich. Bei Bluthochdruck beispielsweise kommt es bei Frauen häufiger zu einer Herzhypertrophie als bei Männern und der Umbau des Herzens erfolgt eher konzentrisch und bei Männern eher exzentrisch. Weiterhin unterscheiden sich auch die im Blut zirkulierenden Biomarker zwischen den beiden Geschlechtern bei einer Herzinsuffizienz und deren Vorstufen. So sind das natriuretische Protein (NP), D-Dimer, C-reaktives Protein (CRP) und Galectin-3 bei Frauen erhöht und das kardiale Troponin (cT) und das lösliche ST2 (suppression of tumorigenicity 2) bei Männern.

Die genauen Ursachen für solche geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Pathogenese und der Konzentrationen an zirkulierenden Biomarkern sind bisher unzulänglich verstanden. Ein besseres Verständnis der geschlechtsspezifischen Mechanismen die zu einer HF führen, können die Modellentwicklung von geschlechtsspezifischen Risikovorhersagen fördern.

Zielsetzung

Diese Studie soll klären, ob es einen geschlechtsspezifischen Unterschied von kardiovaskulären Risikofaktoren und Biomarkern bei dem Auftreten einer Herzinsuffizienz gibt.

Methodik

Zur Beantwortung der Fragestellung wurden Daten aus 4 longitudinalen Kohorten zusammengeführt, die alle eine adjudizierte HF als Endpunkt hatten. Alle Studienteilnehmer hatte zu Beginn der jeweiligen Studie keine diagnostizierte HF. Aus der Analyse ausgeschlossen wurden Probanden, die bereits eine HF aufweisen oder die jünger als 30 Jahre sind, sowie Patienten mit fehlenden Daten in der Nachbeobachtung und fehlenden klinischen Kovariaten. Folgende Biomarker wurden gemessen und analysiert: NP, cT, PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1), D-Dimer, Fibrinogen, CRP, sST2, Galektin-3, Cystatin-C und der Albumin-Kreatinin-Quotient. Die Studienteilnehmer wurden nachbeobachtet auf die Entwicklung einer HF.

Ergebnisse

Insgesamt konnten 22.756 Probanden in die Studie eingeschlossen werden. Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 60 Jahre mit einer Standardabweichung von ± 13 Jahren. 12.087 Probanden (53%) waren Frauen.

Auftreten einer HF:

  • Bei 989 Frauen und 1.106 Männer wurde eine HF diagnostiziert. Dies entspricht einer Inzidenzrate von 7,1 pro 1.000 Personenjahre bei Frauen (95%-Konfidenzintervall (KI): 6,6-7,5) und 9,5 bei Männern (95%-KI: 8,9-10,1).
  • Das Gesamtrisiko an einer HF zu erkranken war bei den Frauen ebenfalls geringer (Hazard Ratio (HR): 0,75; 95%-KI: 0,68-0,82).
  • Der mediane Zeitraum bis zur HF-Diagnose betrug bei Frauen 8,2 Jahre (Zeitspanne: 4,8-10,8 Jahre) und bei Männern 7,1 Jahre (3,7-10,2 Jahre).
  • Das mittlere Alter bei der Diagnosestellung betrug 79,6 ± 8,3 Jahre bei Frauen bzw. 77,3 ± 8,9 Jahre bei den Männern.

Zusammenhang des Geschlechts mit kardiovaskulären Risikofaktoren:

  • Für beide Geschlechter waren in einem multivariablen Modell die klinischen Risikofaktoren: Alter, Rauchen, Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie, BMI, Vorhofflimmern, Myokardinfarkt, linksventrikuläre Hypertrophie und ein Linksschenkelblock signifikant mit einer zukünftigen HF-Risiko assoziiert (p < 0,001).
  • Die Prävalenz von Myokardinfarkten und Vorhofflimmern war bei Männern gegenüber Frauen verdoppelt (p < 0,001).
  • Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen wurden vermehrt bei Männern beobachtet (p < 0,005), während eine linksventrikuläre Hypertrophie vermehrt bei Frauen gefunden wurde (p < 0,001).
  • Im klinischen Kombinationsmodell konnte eine gute Unterscheidung zwischen Männern (C-Statisitk = 0,80) und Frauen (C-Statistik = 0,83) gezeigt werden.

Zusammenhang des Geschlechts mit kardiovaskulären Biomarkern:

  • Baseline unterschieden sich die Konzentrationen einiger Biomarker zwischen Männern und Frauen. So war nP, Fibrinogen, D-Dimer, CRP und Galektin-3 bei Frauen höher (p < 0,001) und cT, PAI-1, sST2 und Castatin-C Level bei Männern (p < 0,001).
  • Die Mehrheit der Biomarker war für beide Geschlechter vergleichbar mit dem Risiko einer HF assoziiert. Ausnahme bei Frauen: PAI-1 und sST-2 und bei Männern: PAI-1, sST2 und Galektin-3. Kein Biomarker allein konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und einem HF-Risiko zeigen.
  • Eine hohe Assoziation zwischen dem Biomarker nP und dem Auftreten einer HF wurde für sowohl für Männer (HR: 1,57; 95%-KI; 1,45-1,70) als auch für Frauen (HR: 1,47; 95%-KI: 1,35-1,61) gefunden. Eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern konnte nicht nachgewiesen werden (pint = 0,86).
  • Zusätzlich wurde der geschlechtsspezifische prädiktive Mehrwert von ausgewählten Biomarkern untersucht. Kein einzelner Biomarker zeigte eine nennenswerte Verbesserung. Das klinische Modell konnte lediglich geringfügig verbessert werden, wenn NP bei Männern (Δ C-Statistik = 0,006; Wahrscheinlichkeitsquotient Chi-Quadrat = 146; p < 0,001) und cT sowie CRP bei Frauen (Δ C-Statistik = 0,003; Wahrscheinlichkeitsquotient Chi-Quadrat = 73; p < 0,001) hinzugefügt wurde.

Fazit

Die hier vorgestellte Studie zeigt, dass die untersuchten klinischen Risikofaktoren für eine HF für beide Geschlechter vergleichbar sind. Generell ist die Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren die zu einer HF führen bei Frauen geringer als bei Männern. Wenn sich jedoch ein individueller Risikofaktor wie z. B. Adipositas, Diabetes, Hypertonie oder Myokardinfarkt manifestiert hat, steigt das HF-Risiko vergleichbar zwischen den Geschlechtern an.

Eine vergleichbare Erhöhung der Konzentration von Biomarkern führt zu einem vergleichbar erhöhten HF-Risiko bei beiden Geschlechtern, auch wenn sich die Konzentrationen der Biomarker bei gesunden Probanden zwischen den Geschlechtern unterscheiden.

Es sollten daher weitere prospektive Studien durchgeführt werden um den geschlechtsspezifischen Unterschied in der HF-Pathogenese zu untersuchen.

Autor:
Stand:
06.10.2020
Quelle:

Suthahar N. et al. (2020): Sex-Specific Associations of Cardiovascular Risk Factors and Biomarkers With Incident Heart Failure, Journal of the American College of Cardiology, DOI: 10.1016/j.jacc.2020.07.044

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige