Aktualisierte Leitlinie zu Herzklappenerkrankungen

Die Leitlinie zu Herzklappenerkrankungen wurde von der European Society of Cardiology und der European Association for Cardio-Thoracic Surgery aufgrund neuer Behandlungsoptionen bei schwerer Aortenstenose und weiteren kardiologischen Erkrankungen aktualisiert.

Leitlinien

Hintergrund

Seit dem Jahre 2017, in dem die Leitlinie zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen veröffentlicht wurde, hat sich auf dem Gebiet der strukturellen Herzerkrankungen viel getan und zahlreiche neue Erkenntnisse wurden publiziert. Dies war für die European Society of Cardiology (ESC) und die European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) Anlass die Leitlinie zu aktualisieren. Viele der Empfehlungen sind neu oder wurden modifiziert.

Neue Erkenntnisse seit Veröffentlichung der letzten Leitlinie 2017

Epidemiologisch zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass die Inzidenz von degenerativen Ätiologien in den Industrieländern zugenommen hat und auch die Zahl von rheumatischen Herzerkrankungen weltweit ansteigt. Die Bedeutung von nicht-invasiven Untersuchungen mittels 3D-Echokardiographie, kardialer Computertomographie (CCT) oder kardialer Magnetresonanztomographie (CMR) nahm stetig zu und auch der Schweregrad der sekundären Mitralinsuffizienz wurde neu definiert.

Antithrombotische Therapie

In der antithrombotischen Therapie kam es zu neuen Empfehlungen bei Patienten mit chirurgischen oder Transkatheter-Bioprothesen sowohl langfristig als auch zur Überbrückung der perioperativen Periode. Die Empfehlung für orale Antikoagulanzien ohne Vitamin-K-Antagonisten (NOACs) wurde bei Patienten mit nativer Herzklappenerkrankung, außer bei signifikanter Mitralstenose, und bei Patienten mit Bioprothesen verstärkt.

Risikostratifizierung und Herzteam

Eine Risikostratifizierung für den geeigneten Zeitpunkt der Intervention wurde erstellt und diese gilt bei der Aortenstenose für die Bewertung der Progression bei asymptomatischen Patienten und für Eingriffe bei Hochrisikopatienten, bei denen eine vergebliche Intervention vermieden werden sollte.

Dem Herzteam kommt eine immer bedeutsamere Rolle bei der Entscheidung über die Interventionsmethode zu, wenn über die konventionellen Scores hinaus auch klinische, anatomische und verfahrenstechnische Merkmale mit einbezogen werden sollen, aber auch bei der Patienteninformation über die Behandlungswahl.

Chirurgische Interventionen und TAVI

Die zunehmende chirurgische Expertise und Verfahrenssicherheit führt dazu, dass eine Erweiterung von Indikationen möglich ist und die Eingriffe bei asymptomatischen Patienten mit Aortenstenose, Aortenregurgitation oder Mitralinsuffizienz früher durchgeführt werden können. Eine Klappenreparatur wird, wenn diese voraussichtlich dauerhaft ist, ebenfalls immer häufiger präferiert.

Im Bereich der Transkatheter-Technik muss für die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) geklärt werden, welcher Patienten für eine TAVI oder einen chirurgischen Eingriff geeignet ist. Immer häufiger wird die Transkatheter-Edge-to-Edge-Reparatur (TEER) bei der sekundären Mitralklappeninsuffizienz eingesetzt.

Empfehlungen für die Intervention bei asymptomatischen Patienten

Neu aufgenommen wurden Empfehlungen für Interventionen bei asymptomatischen Patienten mit schweren Herzklappenerkrankungen. Hier ist die Wahl des Zeitpunktes der Intervention von großer Bedeutung. Wird diese zu früh durchgeführt, können prozedurale Risiken den Nutzen überwiegen und bei einer zu spät durchgeführten Intervention können irreversible Schäden den Erfolg limitieren.

Aortenstenose

Bei der schweren Aortenklappenstenose bei asymptomatischen Patienten mit systolischer Dysfunktion (linksventrikuläre Ejektionsfraktion [LVEF] < 50%) wird eine frühe Intervention empfohlen, ebenso wenn die Patienten Symptome beim Belastungstest zeigen. Liegt die LVEF bei über 55 % und die Patienten zeigen einen normalen Belastungstest, sollte die Intervention bei einem niedrigen prozeduralen Risiko in Betracht gezogen werden, wenn es sich um eine sehr schwere Aortenstenose handelt oder um eine schwere Klappenverkalkung oder bei deutlich erhöhten BNP-Werten.

Aortenklappen-Insuffizienz

Eine Herzklappen-Operation wird empfohlen bei schwerer Aorteninsuffizienz in asymptomatischen Patienten mit einer LVEF ≤ 50% oder einem linksventrikulärem endsystolischen Durchmesser (LVESD) von > 50 mm. Liegt der LVEF bei ≤ 55% oder der LVESD bei > 20 mm/m2 Körperfläche, sollte die Intervention bei einem geringen Operationsrisiko in Betracht gezogen werden.

Wahl der Intervention bei Aortenstenose

Die aktualisierte Leitlinie sieht einen chirurgischen Aortenklappen-Ersatz bei schwerer Aortenstenose vor für Patienten, die nicht älter als 75 Jahre sind und ein niedriges Operationsrisiko aufweisen oder wenn eine transfemorale TAVI nicht geeignet ist. Sind die Patienten jedoch älter als 75 Jahre oder weisen ein hohes Operationsrisiko auf bzw. sind nicht operabel, so wird die TAVI von den Leitlinien empfohlen.

Für alle weiteren Patienten müssen die klinischen, anatomischen und prozeduralen Charakteristika gegeneinander abgewogen werden und eine individuelle Entscheidung vom Herzteam getroffen werden. Diese Entscheidung sollte mit dem Patienten diskutiert werden, damit dieser eine informierte Entscheidung treffen kann.

Mitralinsuffizienz

Bei der Mitralinsuffizienz ist es nach den Leitlinien wichtig zwischen der primären und der sekundären Mitralinsuffizienz zu unterscheiden. Weiterhin wird die Klappenoperation, wenn eine Klappenreparatur möglich erscheint, als First-Line-Methode bei symptomatischen Patienten mit schwerer primärer Mitralinsuffizienz bekräftigt. Eine Klappenoperation oder TEER mittels Clip wird bei schwerer sekundärer Mitralinsuffizienz nur empfohlen, wenn die Patienten trotz Leitlinien-gerechter Behandlung symptomatisch bleiben.

Antikoagulation und Management der antithrombotischen Therapie

Die Antikoagulation mit Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) wird bei Vorhofflimmern und Klappenerkrankungen gegenüber den Vitamin K-Antagonisten (VKA) bevorzugt zur Schlaganfall-Prophylaxe empfohlen.

TAVI-Patienten mit einer Indikation zur antithrombotischen Therapie, wie z. B. Vorhofflimmern, wird eine lebenslange Antikoagulation empfohlen. Ohne diese Indikation sollten die TAVI-Patienten lebenslang mit Plättchenhemmern therapiert werden. Von einer routinemäßigen oralen Antikoagulation der TAVI-Patienten wird explizit abgeraten.

LAA-Verschluss bei Klappenoperation

Der chirurgische Verschluss des linken Vorhofs (LAA-Verschluss) sollte bei Patienten mit Vorhofflimmern oder einem erhöhtem Schlaganfall-Risiko im Rahmen einer Herzklappen-Operation in Betracht gezogen werden, da hierdurch das Schlaganfall-Risiko um ca. 30 % gesenkt werden kann.

Autor:
Stand:
29.03.2022
Quelle:

Vahanian A. et al. (2022): 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. EuroIntervention; DOI: 10.4244/EIJ-E-21-00009

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