Vitamin-K-Antagonisten (auch bekannt als indirekte Antikoagulanzien) sind 4-Hydroxycumarin-Derivate, die zur Langzeitantikoagulation eingesetzt werden, um thromboembolischen Erkrankungen, etwa Venenthrombosen und Lungenembolien, vorzubeugen.
Ziel der Therapie ist es, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes langfristig herabzusetzen und so Thrombosen entgegenzuwirken.
Wirkmechanismus
Die Wirkstoffe dieser Gruppe greifen in den Vitamin-K-Stoffwechsel ein, indem sie die beiden Enzyme Vitamin-K-Epoxid-Reduktase und die Vitamin-K-Chinon-Reduktase hemmen. Diese Enzyme sind notwendig, um die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie das Protein C an ihren Glutamatresten zu gamma-carboxylieren. Nur dann können diese Faktoren aktiviert werden und die sekundäre Hämostase durchlaufen.
Durch die Hemmung der Enzyme kann Vitamin K nicht mehr zu seiner aktiven Form reduziert werden, was zur Anhäufung von Vitamin-K-Epoxid und unvollständigen Vorstufen der Gerinnungsfaktoren führt. Dies unterbricht die sekundäre Hämostase und senkt das Thromboserisiko.
Nebenwirkungen
Vitamin-K-Antagonisten haben lange Plasmahalbwertszeiten (Warfarin 40 Stunden, Phenprocoumon 6 Tage) und Wirkdauern (Warfarin 2 – 6 Tage, Phenprocoumon 6 – 10 Tage) sowie einen sehr stark ausgeprägten antikoagulatorischen Effekt. Bei INR-Werten ab 5 ist daher mit einem exponentiell steigenden Blutungsrisiko zu rechnen, das vor allem den Magen-Darm-Trakt, die Harnwege und intrakranielle Bereiche betrifft.
Bei leichten Blutungen reicht es zumeist, die Vitamin-K-Antagonisten für zwei bis drei Tage abzusetzen. Bei bedrohlichen Blutungen ist eine Gabe von Vitamin K notwendig. Der Erfolg tritt jedoch erst nach mehreren Stunden ein, da die Gerinnungsfaktoren vom Körper nachgebildet werden müssen. Bei lebensbedrohlichen Blutungen wird deshalb empfohlen, Gerinnungsfaktoren zu substituieren.
Selten können, besonders innerhalb der ersten Therapietage, auch Nekrosen der Haut und des Unterhautfettgewebes auftreten, sogenannte Cumarinnekrosen. Auslöser dieser Nekrosen sind vermutlich Thrombosen in Kapillaren oder Venolen. Vorrangig betroffen sind Bauch, Mammae, Gesäß und Oberschenkel, erkennbar an ersten schmerzhaften Hautrötungen.
Ebenfalls selten kann das Phänomen des „purple toes“ auftreten. Dabei kommt es zu brennenden Schmerzen in den Großzehen, während sie sich gleichzeitig verfärben. Als Ursache werden auch hier Mikroembolisationen vermutet.
Weitere unerwünschte Wirkungen sind passager erhöhte Transaminasewerte, Verdauungsstörungen, Hautausschläge, Juckreiz, Hautentzündungen und Haarausfall (reversibel). In seltenen Fällen treten Leberfunktionsstörungen auf.
Wechselwirkungen
Es gibt zahlreiche Verbindungen, die mit Antikoagulanzien interagieren. Es empfiehlt sich deshalb für eine vollständige Interaktionsliste die jeweilige Fachinformation heranzuziehen.
Im Allgemeinen sollen folgende Wechselwirkungen bei der Anwendung von Antikoagulanzien beachtet werden:
Die meisten Arzneimittelwechselwirkungen, die Warfarin betreffen, beinhaltet die Hemmung der Expression und/oder Aktivität von CYP450-Enzymen, die am Metabolismus von Warfarin beteiligt sind (CYP2C9 für das S-Enantiomer und CYP1A2, CYP2C19, CYP3A4 für das R-Enantiomer von Warfarin). Wechselwirkungen, von denen das S-Enantiomer betroffen ist, können einen größeren Einfluss auf die Wirkung haben, da die Aktivität (antikoagulierende Wirkung) des S-Enantiomers 2- bis 5-mal größer ist als die des R-Enantiomers. Die gleichzeitige Anwendung von Medikamenten, die CYP2C9 induzieren (z. B. Rifampicin und Phenobarbital), führt zu einer erhöhten Clearance von Warfarin und damit zu einer geringeren Antikoagulation.
Eine weitere wichtige Wechselwirkung besteht mit Amiodaron, das die Wirkung von Antikoagulanzien über zwei verschiedene Mechanismen verstärken kann. Zum einen kann Amiodaron den Metabolismus von Antikoagulanzien durch CYP-Hemmung verringern und zum anderen bei längerem Gebrauch die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen. Bei einer Erhöhung der Schilddrüsenfunktion besteht die Möglichkeit eines INR-Anstiegs, aufgrund eines erhöhten Katabolismus von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren.
Auch Cimetidin kann den INR erhöhen, indem es den Metabolismus von Antikoagulanzien hemmt.
Die gleichzeitige Anwendung von Salicylaten mit Antikoagulanzien kann zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen, da Salicylate die Blutplättchenaggregation hemmen, zu einer Magenreizung führen und die Konzentration an freiem Warfarin erhöhen, da Salicylate eine höhere Affinität zu Proteinbindungsstellen haben.
Obwohl der Mechanismus noch nicht vollständig geklärt ist, stehen Fibrinsäurederivate in Zusammenhang mit der Potenzierung der Wirkung von Antikoagulanzien.
Phenytoin kann zu einem Anstieg oder Abfall des INR führen. Nach Beginn der Behandlung mit Phenytoin kann den INR aufgrund der Verdrängung von Warfarin von den Proteinbindungsstellen ansteigen. Die Langzeitanwendung von Phenytoin zusammen mit Antikoagulanzien kann den INR verringern, da es ein CYP-Induktor ist.
Patienten, die mit Antikoagulanzien behandelt werden, sollten keinen Alkohol konsumieren, da das Trinken von Alkohol den Metabolismus von Antikoagulanzien hemmt. Chronischer Alkoholkonsum kann Leberenzyme induzieren und zu einem niedrigeren INR führen. Darüber hinaus stellt andauernder Alkoholkonsum ein Risiko von Magen-Darm-Blutungen dar, die das Antikoagulationsmanagement erschweren.
Da pflanzliche Präparate nur begrenzt standardisiert sind, ist es schwierig nachzuweisen, wann klinisch signifikante Wechselwirkungen zwischen Pflanzenextrakten mit Warfarin bestehen. Amerikanischer Ginseng (Panax quinquefolium) hat in einer kleinen randomisierten, kontrollierten Studie zu einer Abnahme des INR bei Personen geführt, die gleichzeitig Warfarin einnahmen. Grüner Tee wurde aufgrund seiner hohen Menge an Vitamin K mit der Hemmung der Wirkung von Warfarin und der Verringerung des INR in Verbindung gebracht. Rotwurzel-Salbei (Salvia miltiorrhiza) besitzt eine Antithrombin-III-ähnliche Aktivität und hemmt die Blutgerinnung. Johanniskraut (Hypericum perforatum) kann in den Metabolismus von Antikoagulanzien eingreifen.
Mehrere Statine werden durch CYP3A4- und CYP2C9-Isoenzyme metabolisiert. Bei gleichzeitiger Anwendung von Fluvastatin, Lovastatin, Simvastatin oder Atorvastatin können INR-Werte erhöht sein.
HIV-positive Patienten benötigen häufig eine Antikoagulationstherapie, da sie ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Da mehrere der antiretroviralen Wirkstoffe (z. B. Nevirapin, Efavirenz, Saquinavir und Ritonavir) CYP-Enzyme hemmen oder induzieren kann die Warfarin-Exposition erhöht oder erniedrigt sein.
Folgenden körpereigene Faktoren können die Antikoagulationswirkung verstärken:
Vitamin-K-Antagonisten können nur verhindern, dass die aktive Form von Vitamin K gebildet wird, deshalb tritt ihre Wirkung erst nach einigen Tagen ein. Der Wirkungseintritt ist vor allem von der Halbwertszeit von Faktor II (> 50 Stunden) abhängig. In den ersten Tagen wird deshalb eine zusätzliche Heparinisierung empfohlen. Zielwert der Antikoagulation sollten – in Abhängigkeit von der Indikation – INR-Werte von 2,0 bis 4,0 sein.
Bei einer Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon sollte eine ausführliche Patientenschulung vorab erfolgen. Eine gute Compliance der Patienten ist nötig, um eine erfolgreiche Antikoagulation zu erreichen.
Wirkstoffe
Folgende Wirkstoffe gehören zu den Vitamin-K-Antagonisten:
Freissmuth M, Offermanns S, Böhm S. Pharmakologie und Toxikologie. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Heidelberg: Springer-Verlag, 2016: 452-465.
Aktories K, Förstermann U, Hofmann F, Starke K. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 12. Auflage. München: Elsevier, 2017, 470-483.
Hua TD, Vormfelde SV, Abed MA, Schneider-Rudt H, Sobotta P, Chenot J-F. Orale Antikoagulation in der Hausarztpraxis. Zeitschrift für Allgemeinmedizin. 2010 (10). doi 10.3238/zfa.2010.0382
Deutsche Herzstiftung e.V. Vitamin K in Lebensmitteln [Internet]. [zitiert am 13.11.2018].
Drug Safety Mail 2017-26. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft [Internet]. 20.07.2017 [zitiert: 13.11.2018].
MEDA Pharma GmbH & Co. KG. Fachinformation Marcumar [Internet]. Mai 2015. [zitiert: 13.11.2018].
KBV in Kooperation mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Wirkstoff aktuell: Dabigatranetexilat bei nicht valvulärem Vorhofflimmern [Internet]. 1/2013, zuletzt aktualisiert 31.01.2013 [zitiert: 13.11.2018].
Deutsche Herzstiftung e.V. Goblke-Bärwolf C. Alternativen zu Marcumar [Internet]. [zitiert: 13.11.2018].