Vitamin K-Antagonist oder Rivaroxaban bei rheumatischen Herzerkrankungen mit Vorhofflimmern?

Rivaroxaban führt bei der Therapie von Vorhofflimmern auf Basis rheumatischer Herzerkrankungen zu mehr Komplikationen als Vitamin-K-Antagonisten. Daher bleiben diese auch zukünftig die Standardtherapie.

Was ist besser

Hintergrund

Vorhofflimmern (VHF) in Folge rheumatischer Herzerkrankungen betrifft meist Patienten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, während in Ländern mit hohem Einkommen die Ursache für Vorhoferkrankungen und Vorhofflimmern meist die systemische Hypertonie oder ischämische Herzerkrankungen sind.

Bei der Prävention des Schlaganfalls von VHF-Patienten haben die Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) wie der direkte Thrombininhibitor Dabigatran und die Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban die Vitamin-K-Antagonisten (VKA) abgelöst. Randomisierte Studien belegen die Wirksamkeit und Sicherheit der NOAKs bei VHF, schlossen jedoch Patienten mit VHF aufgrund rheumatischer Herzerkrankungen aus, da sich diese substanziell von den VHF-Patienten anderer Ursache unterscheiden. Sie sind meist deutlich jünger, häufiger weiblich und haben oft eine fortgeschrittene Herzklappenerkrankung.

Aufgrund dieser Unterschiede und der fehlenden Evidenz aus klinischen Studien werden die NOAKs nicht in den Leitlinien empfohlen und Rivaroxaban ist nicht für die Indikation VHF aufgrund rheumatischer Herzerkrankungen zugelassen. Gerade in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen wäre jedoch der Einsatz von NOAKs, die kein regelmäßiges Monitoring der Patienten benötigen, sehr nützlich.

Zielsetzung

Vor diesem Hintergrund setzte sich die INVICTUS-Studie (INVestIgation of RheumatiC AF Treatment Using Vitamin K Antagonists, Rivaroxaban or Aspirin Studies) zum Ziel, die Wirksamkeit und Sicherheit des Faktor-Xa-Hemmers Rivaroxaban im Vergleich zu einer Therapie mit Vitamin K-Antagonisten bei VHF-Patienten in Zusammenhang mit rheumatischen Herzerkrankungen zu untersuchen.

Methodik

In die randomisierte und offene INVICTUS-Studie wurden Patienten mit einer echokardiographfisch dokumentierten rheumatischen Herzerkrankung eingeschlossen, wenn sie zusätzlich einen der folgenden Punkte aufwiesen: CHA2DS2VASc-Score ≥ 2, Mitralklappenfläche von ≤ 2 cm2, spontaner linksatrialer Echokontrast oder linksatrialer Thrombus. Nach der Randomisierung im Verhältnis 1:1 erhielten die Patienten die Standarddosis an Rivaroxaban (20 mg täglich) oder einen dosisangepassten Vitamin-K-Antagonisten (INR-Bereich: 2,0-3,0). Die Patienten wurden nach einem Monat und dann nach jeweils sechs Monaten nachbeobachtet.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war definiert als eine Kombination aus Schlaganfall, systemischer Embolie, Myokardinfarkt oder Tod aufgrund vaskulärer (kardial oder nicht-kardial) oder unbekannter Ursache. Die aufgestellte Hypothese war wie folgt: Die Rivaroxaban-Therapie ist der Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten nicht unterlegen. Der wichtigste Sicherheitsendpunkt war definiert als schwere Blutungen gemäß der International Society of Thrombosis and Hemostatis.

Ergebnisse

An 138 Prüfzentren in 24 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika wurden 4.565 Patienten eingeschlossen. Hiervon waren 2.292 Patienten der Rivaroxaban-Gruppe zugeordnet und 2.273 Patienten der VKA-Gruppe. Die Intention-to-Treat Analyse umfasste 4.531 Patienten mit 2.275 in der Rivaroxaban- und 2.256 Patienten in der VKA-Gruppe. Von 4.379 Patienten konnte ein Vitalstatus am Studienende erhoben werden (2194 unter Rivaroxaban, 2185 unter VKA). Das Data and Safety Monitoring Board beendete die Studie vorzeitig, da die primäre Fragestellung der Studie beantwortet war. Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei 3,1 ± 1,2 Jahren, das mittlere Alter bei 50,5 Jahren und 72,3% der Patienten waren weiblich.

Auftreten des primären Wirksamkeitsendpunktes

Insgesamt brachen dauerhaft mehr Patienten in der Rivaroxaban-Gruppe die Therapie ab als in der VKA-Gruppe. Ein Ereignis des primären Endpunktes trat bei 560 Patienten (8,21 %/Jahr) unter Rivaroxaban und bei 446 Patienten (6,49 %/Jahr) unter VKA auf (Hazard Ratio (HR): 1,25; 95%-Konfidenzintervall (KI): 1,10-1,41).

Hiervon erlitten 90 Patienten unter Rivaroxaban einen Schlaganfall und 65 Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten, was fast ausschließlich auf eine höhere Rate an ischämischen Schlaganfällen in der Rivaroxaban-Gruppe zurückzuführen war. Es verstarben 552 Patienten in der Rivaroxaban- und 442 Patienten in der VKA-Gruppe. Die eingeschränkte mittlere Überlebenszeit lag in der Rivaroxaban-Gruppe bei 1.599 Tagen und in der VKA-Gruppe bei 1.675 Tagen (Differenz: -76 Tagen; 95%-KI: -121 bis -31 Tagen; p<0,001 für Überlegenheit).

Therapiesicherheit

Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in den Raten an schweren Blutungen zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Die Rate der tödlichen Blutungen war jedoch unter Rivaroxaban niedriger als unter den Vitamin-K-Antagonisten.

Fazit

Die INVICTUS-Studie zeigt, dass eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten im Vergleich zu Rivaroxaban bei Patienten mit VHF aufgrund einer rheumatischen Herzerkrankung zu einer geringeren Rate an ischämischen Schlaganfällen führt und zu einer niedrigeren Mortalität aufgrund vaskulärer Ursache, ohne die Rate an schweren Blutungen signifikant zu erhöhen. Die Ergebnisse stützen somit die aktuellen Leitlinien, die eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten zur Vorbeugung von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern auf Basis einer rheumatischen Herzerkrankung empfehlen.

Autor:
Stand:
12.09.2022
Quelle:

Connolly SJ et al. (2022): Rivaroxaban in Rheumatic Heart Disease-Associated Atrial Fibrillation; New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa2209051

 

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