
Vorhofflimmern gehört zu den Hauptrisikofaktoren für Schlaganfälle. Daher gehört die Risikoabschätzung für Schlaganfälle, zum Beispiel mithilfe des CHA2DS2VASc, zu den unerlässlichen Maßnahmen nach der Diagnose „Vorhofflimmern“. Ergibt sich dabei ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, wird die antikoagulative Therapie heutzutage meist mit oralen Antikoagulativa durchgeführt. Naturgemäß erhöhen diese auch gleichzeitig das Blutungsrisiko.
Um das Dilemma für den Arzt noch zu verschärfen, weisen Patienten mit Vorhofflimmern und erhöhtem Schlaganfallrisiko aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und Begleiterkrankungen häufig gleichzeitig ein erhöhtes Blutungsrisiko auf.
Dosisreduktion gegen das Dilemma?
Die heutzutage immer häufiger verordneten direkten orale Antikoagulanzien (DOAK) gehen zwar mit einem geringeren Blutungsrisiko einher als die Vitamin-K-Antagonisten (VKA), völlig ausgeschlossen sind Blutungen infolge dieser Medikation jedoch nicht. Könnte eine Dosisreduktion der DOAK-Medikation bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko ein Ausweg aus diesem Dilemma sein?
PD Dr. med. Maura M. Zylla vom Zentrum für Herzrhythmusstörungen des Universitätsklinikums Heidelberg fasste in ihrem Vortrag „Blutung und OAK – ist die Dosisreduktion eine Option?“ den aktuellen Kenntnisstand zu diesem Thema in der Session Schlaganfallprophylaxe im Rahmen der DGK-Herztage 2022 zusammen [1].
Empfehlungen zur Dosisreduktion
Es gibt zwar Studien zu den Auswirkungen einer Dosisreduktion von OAK auf das Blutungs- und Schlaganfallrisiko, aber leider bilden diese Studien die tatsächlichen Risikopatienten nicht adäquat ab, so dass klinische Empfehlungen kaum ableitbar sind. Die European Society of Cardiology empfiehlt eine Dosisreduktion von DOAKs zu Schlaganfallprophylaxe unter bestimmten Kriterien, die sich von Wirkstoff zu Wirkstoff unterscheiden.
Nur bei Dabigatran wird gilt ein erhöhtes Blutungsrisiko als Kriterium für eine Reduktion der Standarddosis von 150 mg/2xtgl. auf 110 mg/2xtgl. European Heart Rhythm Association (EHRA) hat in dem 2021 Pracitcal Guide zum Management der DOAK-Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern einen Entscheidungsbaum für die Herangehensweise an Blutungskomplikationen unter DOAK-Medikation entwickelt, der die vielen beteiligten Faktoren berücksichtigt wird. Die EHRA sieht in diesen Fällen ein Absetzen der antikoagulativen Therapie vor, allerdings nur zeitweise und nicht prophylaktisch auf Dauer [2].
Klinischer Versorgungsalltag
In der ORBIT AF II Registry Studie wurden die Zusammenhänge zwischen der DOAK-Dosierung und den klinischen Outcomes untersucht. Von 5.738 Patienten wurden off-label 9,4% unter- und 3,4% überdosiert. Die Patienten die off-Label Dosierungen erhielten waren häufig älter, weiblichen Geschlechts und wurden nicht von einem mit elektrophysiologischem Hintergrund behandelt. In der adjustierten Analyse der Daten konnte gezeigt werden, dass die Überdosierung von DOAK mit einer erhöhten Mortalität einherging, die Unterdosierung mit einer erhöhten Hospitalisationsrate.
In einer Israelischen Studie auf der Basis von Krankenkassendaten von 8.425 Patienten wurden 3285 Patienten off-label unterdosiert, die meisten hiervon waren auch alt oder weiblichen Geschlechts. Die Unterdosierung beeinträchtigte in dieser Studie Sicherheit und Effektivität und war mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko ohne Benefit hinsichtlich von Blutungskomplikationen verbunden [3,4].
Empfehlungen zum Umgang mit dem Dilemma
Zylla kann auch keine Faustregel zur einfachen Lösung des Problems anbieten. Im klinischen Alltag wird es weiterhin bei vielen Patienten eine Herausforderung sein, bei der Antikoagulation das thromboembolische Risiko gegen des Blutungsrisiko auszubalancieren. Kriterien für eine Dosisreduktion sollten für den entsprechenden Wirkstoff je nach entsprechender Zulassung befolgt werden. Off-Label Über- als auch Unterdosierungen oraler Antikoagulanzien sind mit unerwünschten klinischen Outcomes assoziiert.
Um Blutungskomplikationen zu vermeiden, empfiehlt Zylla die Angemessenheit der DOAK-Dosierung regelmäßig nach den entsprechenden Kriterien zu evalkuieren. Modifizierbare Blutungsrisiken (Bluthochdruck, Alkoholgenuss, Medikamente, Erkrankungen, die für Blutungen prädisponieren) sollten, wenn möglich verringert werden. Bei therapieresistenten Blutungskomplikationen sollten Alternativen, zum Beispiel eine LAA-Okklusion, erwogen werden.