Wiederholungsrisiko für MACE durch Schlafmangel

Chronischer Schlafmangel führt zu gravierenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Gesundheit. Einer neuen Studie zufolge gehört die Insomnie nach Rauchen und Bewegungsmangel sogar zu den häufigsten Gründen für rekurrente schwere kardiovaskuläre Ereignisse.

Schlafmangel

Hintergrund

Wenn der Nachtschlaf chronisch zu kurz oder nicht erholsam ist, kommt es zu gravierenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Gesundheit. Insomnie gilt als Risikofaktor für die Entwicklung verschiedener mentaler und physischer Erkrankungen, wie beispielsweise für Depressionen, Angststörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Depressionen, Angststörungen und Diabetes stellen bereits für sich genommen kardiovaskuläre Risikofaktoren dar.

Insomnie als kardiovaskuläres Risiko

Fast die Hälfte aller Patienten mit Herzkrankheiten leiden unter Schlafstörungen und Schlaflosigkeit, wie Lars Frojd, ein Medizinstudent an der Universität Oslo auf dem ESC Preventive Cardiology Congress, einer Veranstaltung der European Society of Cardiology (ESC), erklärte. Die Frage, welche Effekte Schlafstörungen unabhängig von diesen Kofaktoren auf das Risiko rekurrenter schwerer kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (major adverse cardiovascular events [MACE]) haben, war bislang noch offen. Um diese Frage zu beantworten, führten Frojd und seine Kollegen eine prospektive Studie mit über tausend Patienten durch, die im Schnitt 16 Monate vor dem Studienbeginn einen Herzinfarkt erlitten hatten und/oder einem kardiovaskulären Eingriff unterzogen worden waren (perkutane koronare Intervention [PCI] oder Bypass-Operation) [1,2].

Bergen Insomnie Skala

Zur Beurteilung ihrer Schlaflosigkeit füllten die Teilnehmer den Fragebogen der Bergen Insomnie Skala aus. Die Bergen Insomnie Skala besteht aus sechs Fragen, die der Patient mit Zahlenwerten von 0-7 beantwortet. Die Fragen behandeln Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, frühmorgendlichem Erwachen (vor der gewünschten Aufwachzeit), Unausgeschlafenheit, Tagesmüdigkeit inklusive deren Einfluss auf Arbeit, Freizeit und soziale Kontakte sowie die Unzufriedenheit mit dem Schlaf [3].

Weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren

Die Wissenschaftler erhoben ebenfalls Daten zu weiteren Risikofaktoren, wie C-Reaktivem-Protein (als Entzündungsmarker), Raucher-Status; LDL-Cholesterin, Diabetes und körperlichen Aktivität sowie zu folgenden Begleiterkrankungen: Schlaganfall, transiente ischämische Attacke (TIA), periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) und Niereninsuffizienz. Primärer Endpunkt war das Eintreten eines MACE definiert als kardiovaskulärer Tod, Hospitalisierung aufgrund eines Herzinfarkts, Revaskularisation, Schlaganfall oder Herzversagen. Die Outcome-Daten wurden den Krankenhausakten entnommen.

Baselinedaten der Teilnehmer

Von den insgesamt 1.068 Teilnehmern waren 21 % Frauen. Die Teilnehmer waren zu Beginn der Studie im Schnitt 62 Jahre alt. Knapp die Hälfte (45 %) litt unter Insomnie, 24 % hatten in der Woche vor der Befragung Medikamente zur Linderung der Schlafprobleme eingenommen. Die durchschnittliche Nachbeobachtungsphase dauerte 4,2 Jahre. In dieser Zeit ereigneten sich 364 MACE bei 22% Patienten.

Signifikant höheres Risiko für MACE bei Schlafmangel

Im Vergleich zu den Patienten ohne Schlafstörungen betrug das relative Risiko für einen rekurrenten MACE für Insomnie-Patienten nach Bereinigung um Alter und Geschlecht 1,62 (95% Konfidenzintervall [CI]: 1,24-2,11; p < 0,001). Nach einer multiadjustierten Analyse, die koronare Risikofaktoren, Begleiterkrankungen sowie Symptome von Angststörungen und Depression einschloss, lag das relative Risiko durch die Insomnie bei 1,41 (95% CI: 1,05-1,89; p = 0,023). Eine Analyse der attributablen Risiken ergab, dass die klinischen Schlafstörungen für etwa 16% der rekurrenten MACE verantwortlich war. Die Insomnie war damit auf Platz 3 der bedeutendsten Risikofaktoren für rekurrente MACE. Den 1. Platz belegte Rauchen (27 %) und den 2. Bewegungsmangel (21 %).

Fazit

Der Erstautor Frojd zog aus diesen Ergebnissen folgende Schlüsse: „Unsere Studie liefert Hinweise darauf, dass Schlafstörungen bei Herzpatienten häufig vorkommen und unabhängig von Risikofaktoren, Komorbiditäten und Symptomen mentaler Erkrankungen bedeutende Folgen für die kardiovaskuläre Gesundheit haben können.“ Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um zu klären, ob Therapien gegen die Insomnie wie beispielsweise kognitive Verhaltenstherapien oder digitale Ansätze in Form von Apps das Risiko dieser Patientengruppe effektiv verringern können.

Autor:
Stand:
19.04.2022
Quelle:
  1. ESC (2022): Insomnia is linked with recurrent heart events in coronary patients. Pressemitteilung.
  2. Frøjd, Dammen, Munkhaugen et al. (2022): Insomnia as a predictor of recurrent cardiovascular events in patients with coronary heart disease, SLEEP Advances, 3 (1): zpac007, DOI: 10.1093/sleepadvances/zpac007
  3. Pallesen, Bjorvatn, Nordhus et al. (2008): A new scale for measuring insomnia: the Bergen Insomnia Scale. Percept Mot Skills. 107(3):691-706. DOI: 10.2466/pms.107.3.691-706. PMID: 19235401.
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