
Die meisten Experten rechnen Ende des Jahres mit einem erneuten Anstieg der COVID-19-Infektionen, womöglich mit neuen Virusvarianten. Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei, warnt Dr. Marco Cavaleri, Direktor der Impfabteilung der EMA, auf einer Pressekonferenz am 5. Mai 2022. Man müsse sich auf neue SARS-CoV-2-Varianten und einen möglichen Anstieg der Fallzahlen im kommenden Winter vorbereiten – auch mit der Entwicklung von Varianten-Impfstoffen. Hier arbeiten EMA und Impfstoffhersteller eng zusammen, so Cavaleri. Adaptierte COVID-19-Vakzine sollen gegen derzeitige und zukünftige SARS-CoV-2-Varianten schützen und eine länger anhaltende Schutzwirkung vermitteln.
Zielsetzung
Die fünf bislang in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffe – das heißt Comirnaty von BioNTech/Pfizer, Jcovden von Janssen, Nuvaxovid von Novavax, Spikevax von Moderna und Vaxzevria von AstraZeneca – sollen so optimiert werden, dass sie besser gegen Omikron und andere neu entstehende Coronavirus-Varianten schützen. Erforscht wird auch, ob bivalente Impfstoffe gegenüber monovalenten Vakzinen einen Vorteil bieten. Daten aus den laufenden klinischen Studien sind laut Cavaleri in den nächsten Monaten zu erwarten.
Adaptierte Impfstoffe müssen in Studien Überlegenheit zeigen
Zulassungsvoraussetzung der adaptierten Impfstoffe ist deren Überlegenheit gegenüber bisherigen Präparaten in klinischen Studien. So sollten sie höhere neutralisierende Antikörpertiter gegen Omikron und andere zirkulierende besorgniserregende SARS-CoV-2-Varianten vermitteln. Darauf hätten sich die internationalen Zulassungsbehörden geeinigt. Wenn die von den Impfstoffherstellern eingereichten Daten die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe belegen, würde sich die EMA für eine Zulassung aussprechen. Im Fokus steht, adaptierte Corona-Impfstoffe möglicherweise schon bis spätestens September zuzulassen. Dann könnten die Impfstoffhersteller die Produktion rechtzeitig anpassen, sodass ausreichend COVID-19-Impfstoffe für die Impfkampagnen im Herbst zur Verfügung stehen, sagt der EMA-Impfexperte.
Omikron angepasste mono- und bivalente mRNA-Vakzine
Die am weitesten fortgeschritten angepassten Impfstoff-Kandidaten sind die mRNA-Vakzine. Zudem gewährleisten die Hersteller eine rasche Lieferung der Impfstoffe. Dementsprechend arbeite man eng mit BioNTech/Pfizer und Moderna zusammen, so Cavaleri. Die Pharmaunternehmen prüfen derzeit monovalente Omikron-angepasste Impfstoffvarianten und bivalente Impfstoffe, die mRNA sowohl für das Spikeprotein des Wuhan-Stamms als auch das der Omikron-Variante enthalten.
Gleichsam hat Novavax mit der Entwicklung eines an Omikron adaptierten Impfstoffs begonnen. Dieser hat aber noch nicht das Stadium der Studienerprobung erreicht.
Ausblick
Weitere – noch nicht in der EU zugelassenen – COVID-19-Impfstoffe, sollen ebenfalls gegen Omikron wirksam sein, darunter die russische Vakzine Sputnik V (an einer an Omikron adaptierten Variante für Booster-Impfungen wird gearbeitet), der VLA2001-Impfstoff des französisch-österreichischen Biotech-Konzerns Valneva (derzeit im Rolling Review der EMA) und Hipra aus Spanien (ebenfalls im Rolling Review der EMA).
Clover Biopharmaceuticals (China) entwickelt einen Protein-basierten bivalenten Impfstoff, der Spikeproteine des Wuhan-Stamms und von Omikron enthält. Im Tierversuch wurde bereits eine Wirksamkeit gegen Omikron und andere Variants of Concern bestätigt.
Der japanische Hersteller Shionogi will sicherstellen, dass sein in der Entwicklung befindlicher, proteinbasierter Impfstoff S-268019 gut gegen die Omikron-Variante schützt. Die Ergänzung einer an Omikron angepassten Komponente wird in Betracht gezogen. Stand: Phase-III-Studienerprobung mit Freiwilligen.
Daiichi Sankyo – ein japanisches Unternehmen, das auch in Deutschland Forschungslabors unterhält – prüft derzeit, ob sein in der Entwicklung befindlicher mRNA-Impfstoff vor der Omikron-Variante schützen kann. Falls nicht, wäre eine rasche Anpassung an Omikron möglich. Stand: Phase I/II-Studie mit Freiwilligen.
Everest Medicines und Providence Therapeutics (China und Kanada) haben mit der Arbeit an einem an Omikron adaptieren mRNA-Impfstoff begonnen.
Gritstone bio (USA) arbeitet an einem an Omikron angepassten Impfstoff seiner in Entwicklung befindlichen COVID-19-Vakzine auf Basis von selbst-amplifizierender mRNA. Das Stadium der klinischen Erprobung wurde noch nicht erreicht.
Inovio prüft die Wirksamkeit gegen Omikron seines DNA-basierten Impfstoffs (INO-4800) in einer Phase-III-Studie.
Die italienischen Konzerne Takis Biotech und Rottapharm Biotech haben eine an Omikron adaptierte Variante ihres DNA-basierten Impfstoffs COVID-eVax entwickelt. Der ursprüngliche Impfstoff erzielte in Phase-I positive Ergebnisse.
Phylex BioSciences (USA) entwickelte einen bivalenten mRNA-Impfstoff, der sowohl gegen die Delta- als auch Omikron-Variante schützen soll.
Gennova Biopharmaceuticals aus Indien arbeitet an einer an Omikron angepassten Variante seines mRNA-Impfstoffs. Die ursprüngliche Vakzine hat Phase-III erreicht; die Omikron-Version steht noch vor der klinischen Erprobung.
Sorrento (USA) arbeitet an einem Omikron-adaptierten mRNA-Impfstoff (in vorklinischer Entwicklung).