
Es handelt sich zum einem um den vom US-Pharmakonzern Eli Lilly entwickelten Antikörper Bamlanivimab (LY-CoV555) sowie um die beiden gleichzeitig zu verabreichenden Antikörper Casirivimab/Imdevimab (REGN-COV2) des US-Biotechnologieunternehmens Regeneron. Ihr Wirkprinzip beruht auf der Bindung an die Rezeptorbindedomäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2, so dass das Virus daran gehindert wird an die Zellen anzudocken und in diese einzudringen.
Beide Medikamente sind weder in der EU zugelassen noch wurde für sie ein Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA eingereicht. Nach Aussage des Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Wolf-Dieter Ludwig, sollten die Antikörper deshalb nur im Rahmen klinischer Studien angewendet werden.
In den USA erhielten beide Arzneimittel im November 2020 eine Notfallzulassung (EUA) der Arzneimittelbehörde FDA.
Studienlage Bamlanivimab
BLAZE-1
Die Notzulassung in den USA von Bamlanivimab basiert auf Daten der randomisierten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Phase-II-Studie BLAZE-1 (NCT04427501). Untersucht wurden Patienten mit kürzlich ambulant diagnostiziertem leichten bis mittelschwerem COVID-19.
Insgesamt erhielten 452 Patienten zufällig, eine einzelne intravenöse Infusion des neutralisierenden Antikörpers in einer von drei Dosen (700 mg, 2800 mg oder 7000 mg) oder Placebo. Der primäre Endpunkt wurde definiert als die Änderung der Viruslast am 11. Tag gegenüber dem Ausgangswert.
- Zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse betrug die beobachtete mittlere Abnahme der logarithmischen Viruslast für die gesamte Population gegenüber dem Ausgangswert -3,81, was einer Eliminierung von mehr als 99,97% der viralen RNA entspricht.
- Bei Patienten, die 2800 mg Bamlanivimab erhielten, betrug der Unterschied zwischen Placebo und der Abnahme gegenüber dem Ausgangswert -0,53 (95%-Konfidenzintervall [CI], -0,98 bis -0,08; p=0,02).
- Kleinere Unterschiede gegenüber Placebo bei der Veränderung gegenüber dem Ausgangswert wurden bei den Patienten beobachtet, die 700 mg Bamlanivimab (-0,20; 95% CI, -0,66 bis 0,25; p=0,38) oder 7000 mg Bamlanivimab (0,09; 95% CI, −0.37 bis 0.55; p=0.70) erhielten.
- An den Tagen 2 bis 6 hatten die Patienten, die LY-CoV555 erhielten, eine etwas geringere Schwere der Symptome als diejenigen, die Placebo erhielten. Der Prozentsatz der Patienten, die einen Krankenhausaufenthalt im Zusammenhang mit COVID-19 oder einen Besuch in einer Notaufnahme hatten, betrug 1,6% in der Bamlanivimab-Gruppe gegenüber 6,3% in der Placebo-Gruppe.
Im Fachjournal JAMA wurden schließlich die finalen Ergebnisse der Studie BLAZE-1 veröffentlicht: Hier, in der endgültigen Analyse, wurde nicht nur die Bamlanivimab-Monotherapie gegenüber Placebo ausgewertet, sondern auch Bamlanivimab zusammen mit Etesevimab gegenüber Placebo.
Die Patienten wurden randomisiert und erhielten eine einzelne Infusion von Bamlanivimab (700 mg [n=101], 2800 mg [n=107] oder 7000 mg [n=101]), die Kombinationsbehandlung (2800 mg Bamlanivimab und 2800 mg Etsevimab) [n=112]) oder Placebo (n=156).
Der primäre Endpunkt war definiert als die Änderung der logarithmischen SARS-CoV-2-Viruslast am 11. Tag (± 4 Tage).
Ergebnisse
Unter den 577 Patienten, die randomisiert wurden und eine Infusion erhielten (Durchschnittsalter 44,7 [SD, 15,7] Jahre; 315 [54,6%] Frauen), beendeten 533 (92,4%) den Wirksamkeitsbewertungszeitraum (Tag 29). Die Veränderung der logarithmischen Viruslast gegenüber dem Ausgangswert am Tag 11 betrug:
- –3,72 für 700 mg,
- –4,08 für 2800 mg,
- –3,49 für 7000 mg,
- –4,37 für die Kombinationsbehandlung
- –3,80 für Placebo
Im Vergleich zu Placebo betrugen die Unterschiede in der Änderung der logarithmischen Viruslast am Tag 11:
- 0,09 (95% CI, –0,35 bis 0,52; p=0,69) für 700 mg
- –0,27 (95% CI, –0,71 bis 0,16; p=0,21) für 2800 mg
- 0,31 (95% CI, –0,13 bis 0,76; p=0,16) für 7000 mg
- –0,57 (95% CI, –1,00 bis –0,14; p=0,01) für die Kombinationsbehandlung
Bei nicht hospitalisierten Patienten mit leichter bis mittelschwerer COVID-19-Erkrankung war die Behandlung mit Bamlanivimab und Eesevimab im Vergleich zu Placebo mit einer statistisch signifikanten Verringerung der SARS-CoV-2-Viruslast am 11. Tag verbunden. Bei der Monotherapie mit Bamlanivimab wurde kein signifikanter Unterschied in der Verringerung der Viruslast beobachtet.
BLAZE-2
Am 21. Januar verkündete Lilly auch die Zwischenergebnisse der Phase-III-Präventionsstudie BLAZE-2 (NCT04497987), in der untersucht wurde, ob eine präventive Behandlung mit Bamlanivimab Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeheimen, in denen es zu ersten Infektionen gekommen war, vor einer Erkrankung schützen könne.
Hier reduzierte Bamlanivimab (einmalige intravenöse Gabe 4200 mg) nach Angaben des Herstellers das Risiko einer symptomatischen COVID-19-Infektion bei Bewohnern und Mitarbeitern von Pflegeeinrichtungen erheblich.
965 Teilnehmer, die zu Studienbeginn negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurden (299 Einwohner und 666 Mitarbeiter), wurden in die Analyse der primären und wichtigsten sekundären Endpunkte für die Bewertung der Prävention einbezogen. Alle Teilnehmer wurden randomisiert und erhielten entweder 4200 mg Bamlanivimab oder Placebo. 132 Teilnehmer (41 Einwohner und 91 Mitarbeiter) wiesen einen positiven Abstrich auf SARS-CoV-2 auf.
- Nachdem alle Teilnehmer 8 Wochen Follow-up erreicht hatten, gab es eine signifikant geringere Häufigkeit von symptomatischem COVID-19 (dem primären Endpunkt) im Bamlanivimab-Behandlungsarm im Vergleich zu Placebo (Odds Ratio 0,43, p=0,00021). Das entspricht einer Reduktion von COVID-19-Erkrankungen von 57%.
- Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass eine Untergruppe der Heimbewohner, die randomisiert mit Bamlanivimab behandelt wurden, ein um bis zu 80 Prozent geringeres Risiko an COVID-19 zu erkranken (Odds Ratio 0,20; p=0,00026), aufwiesen, als Bewohner derselben Einrichtung, die randomisiert mit Placebo behandelt wurden.
- Unter den 299 Bewohnern der Präventionsgruppe gab es 4 Todesfälle, die COVID-19 zugeschrieben wurden. Diese traten alle in der Placebogruppe und keiner in der Bamlanivimab-Gruppe auf.
- Unter den 41 Bewohnern, mit vorausgegangenem positiven Coronatest (Behandlungsgruppe) traten 4 Todesfälle auf; auch alle in der Placebogruppe.
Studienlage REGN-COV2
Die Daten, die der Notfallzulassung in den USA zugrunde liegen, basieren auf der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-I/II-Studie R10933-10987-COV-2067 (NCT04425629) an 799 Probanden. Die Behandlung mit Casirivimab und Imdevimab wurde innerhalb von drei Tagen nach positivem SARS-CoV-2-Test begonnen. Die Probanden wurden 1:1:1 randomisiert und erhielten entweder eine einzelne intravenöse Infusion von 2.400 mg Casirivimab und Imdevimab (jeweils 1.200 mg) (n=266) oder 8.000 mg Casirivimab und Imdevimab (4.000 mg) (n=267) oder Placebo (n=266). Das Durchschnittsalter betrug 42 Jahre, 7% der Probanden waren 65 Jahre oder älter, 53% der Probanden waren weiblich und 34% wurden als Hochrisikopatienten eingestuft. Der vorab festgelegte primäre Endpunkt war die zeitgewichtete durchschnittliche Änderung (TWA) gegenüber dem Ausgangswert in der Viruslast, gemessen durch RT-qPCR in Nasopharynxabstrichproben.
Ergebnisse
Patienten, die mit Casirivimab und Imdevimab behandelt wurden, zeigten eine größere Reduktion der Viruslast als Patienten, die Placebo erhielten. Demnach war die Antikörper-Kombination im primären Endpunkt Placebo überlegen. Der wichtigste Beweis für die Wirksamkeit, war jedoch der vordefinierte sekundäre Endpunkt: Patienten mit einem hohen Risiko für eine Verschlechterung der COVID-19-Symptomatik mussten innerhalb von 28 Tagen nach Verabreichung der Antikörper in 3% der Fälle einen Arzt, ein Krankenhaus oder eine Notaufnahme aufsuchen und in 9% der Fälle, wenn sie Placebo erhalten hatten. Die unterschiedlichen Dosierungen der beiden Antikörper führten hierbei zu ähnlichen Ergebnissen.
In der laufenden doppelblinden Phase-I–III-Studie mit nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten wurden die beiden vollständig humanen, neutralisierenden monoklonalen Antikörper, die gegen das Coronavirus 2 (SARS-CoV-2)-Spike-Protein gerichtet sind, untersucht.
Wann sollen die Antikörper angewendet werden?
In den USA erhielten die Antikörper-Medikamente eine Notfallzulassung für die Behandlung von leichtem bis mittelschwerem COVID-19 bei Erwachsenen und pädiatrischen Patienten (12 Jahre und älter mit einem Gewicht von mindestens 40 kg), mit positiven SARS-CoV-2-Nachweis und bei hohem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe.
Ein hohes Risiko ist hierbei definiert als Patienten, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen:
- einen Body Mass Index (BMI) ≥ 35
- chronische Nierenerkrankung
- Diabetes
- immunsuppressive Erkrankung
- immunsuppressive Behandlung
- ≥ 65 Jahre
- ≥ 55 Jahre alt mit einer kardiovaskulären Erkrankungen oder Hypertonie, chronisch obstruktive Lungenerkrankung / andere chronische Atemwegserkrankungen
- 12–17 Jahre alte Patienten umit BMI ≥ 85. Perzentile für ihr Alter und Geschlecht oder mit Sichelzellenkrankheit, angeborene oder erworbene Herzkrankheit, neurologische Entwicklungsstörungen, zum Beispiel Zerebralparese, oder Tracheotomie, Gastrostomie oder Überdruckbeatmung (nicht im Zusammenhang mit COVID-19), oder Asthma, bzw. andere chronische Atemwegserkrankungen, für deren Kontrolle täglich Medikamente erforderlich sind.
Die Antikörper sollen nicht angewendet werden bei Patienten, die:
- aufgrund von COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden
- aufgrund von COVID-19 eine Sauerstofftherapie benötigen
- einen erhöhten Sauerstoffdurchflusses durch COVID-19 brauchen (bei Patienten unter chronischer Sauerstofftherapie aufgrund einer zugrunde liegenden nicht COVID-19-bedingten Komorbidität)
Sicherheitsprofil
Bamlanivimab
Die Notzulassung enthält einen Warnhinweis zu Überempfindlichkeit einschließlich akuter allergischer Reaktion (Anaphylaxie) und infusionsbedingter Reaktionen
Basierend auf Daten von 309 mit Bamlanivimab behandelten Probanden, die mindestens 28 Tage nach der Behandlung beobachtet wurden, traten bei 23% der mit Bamlanivimab behandelten Probanden und 26% der mit Placebo behandelten Probanden unerwünschte Ereignisse auf.
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 1 mit Placebo behandelten Probanden (1%) und bei keinem mit Bamlanivimab behandelten Probanden auf.
Das am häufigsten berichtete unerwünschte Ereignis war Übelkeit, über die bei mindestens 1% der Patienten in einer Behandlungsgruppe berichtet wurde.
Casirivimab und Imdevimab
Die gesammelten unerwünschten Ereignisse waren infusionsbedingte Reaktionen und Überempfindlichkeitsreaktionen von mittlerer Schwere oder höher bis zum 29. Tag, alles schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SAEs); Diese wurden bei 4 Probanden (1,6%) in der Casirivimab- und Imdevimab-Gruppe mit 2400 mg, bei 2 Probanden (0,8%) in der Casirivimab- und Imdevimab-8.000-mg-Gruppe und bei 6 Probanden (2,3%) in der Placebo-Gruppe berichtet. Keine der SAEs wurde jedoch mit dem Studienmedikament in Zusammenhang gebracht. SAEs, die als unerwünschte Ereignisse 3. oder 4. Grades gemeldet wurden, waren Lungenentzündung, Hyperglykämie, Übelkeit und Erbrechen (2400 mg Casirivimab und Imdevimab), Darmverschluss und Dyspnoe (8.000 mg Casirivimab und Imdevimab) und COVID-19, Lungenentzündung und Hypoxie (Placebo).
Aussicht
Wer die Medikamente in Deutschland bekommen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass für beide Antikörper-Medikamente das Gleiche gilt: Sie scheinen nur in der Frühphase der Erkrankung zu helfen und sollen einen schweren Verlauf bei Risikopatienten verhindern. Sind die Patienten erst einmal hospitalisiert ist es zu spät. Da die Präparate außerdem nicht in der EU zugelassen sind, sollte nach Ansicht vieler Ärzte und Wissenschaftler ein Einsatz nur innerhalb klinischer Studien erfolgen. Wie genau der Einsatz in Deutschland also umgesetzt werden soll, ist noch offen.