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Für stark übergewichtige Menschen ist eine bariatrische Operation, also die chirurgische Magenverkleinerung, oft der letzte Ausweg, um von ihrem Gewicht herunter zu kommen. Diese in den meisten Fällen erfolgreiche Maßnahme gegen Fettleibigkeit wirkt sich auch positiv auf den Stoffwechsel, z.B. auf den Blutzucker, aus. Doch wie bei allen wirksamen Therapien wird auch die Frage nach den Nebenwirkungen laut. Schließlich mutet man dem Dünndarm eine Menge zu, wenn der Speisebrei ohne Magensaft dort ankommt. Vor allem wird befürchtet, dass das Darmkrebsrisiko ansteigen könnte, wenn keimabtötende Magensäure fehlt.
Daten von 2 Millionen Dicken
Das wollten Forscher in Nizza (Frankreich) nun genau wissen (1). Sie analysierten in ihrer multizentrischen Kohortenstudie die Gesundheitsdaten von mehr als zwei Millionen übergewichtigen Klinikpatienten zwischen 50-70 Jahren. Unter ihnen waren 74.131 Personen, die sich einer bariatrischen Operation (bariatric surgery=BS) unterzogen hatten und durchschnittlich 5,7 Jahre lang nachverfolgt wurden. Ermittelt wurde die Inzidenz an kolorektalen Krebserkrankungen der BS-Gruppe im Vergleich zu den übergewichtigen Personen, die aus anderen Gründen in der Klinik waren (Kontrolle).
Darmkrebsrisiko halbiert
In der gesamten Studienpopulation wurden 13.052 Darmkrebs-Neuerkrankungen (1,2 %) diagnostiziert. In der Kontrollgruppe betrug die Inzidenz für kolorektale Karzinome 1,3 %, bei den BS-Patienten 0,6 %. Differenziert nach der bariatrischen OP-Methode waren es 0,7 % mit Magenband und je 0,5 % bei Magenbypass und laparoskopischem Schlauchmagen. Diese Unterschiede waren statistisch signifikant (p = 0,04).
Die Darmkrebsinzidenz war bei den BS-Patienten genauso hoch wie in der französischen Gesamtbevölkerung. Bei den Übergewichtigen ohne Magenverkleinerung war die Krebsinzidenz um etwa ein Drittel höher (SIR = standardized incidence ratios 1,34; 95%-Konfidenzintervall 1,32 – 1,36) als im Bevölkerungsdurchschnitt.
US-Studie: Insgesamt erniedrigtes Krebsrisiko nach BS
Franzosen mit verkleinertem Magen haben demnach im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwa das gleiche Risiko, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt einen US-amerikanische Studie (2). Hier wurden die Daten von 22.198 Patienten mit bariatrischer OP und 66.427 nicht-operierten verglichen, die sich in Geschlecht, Alter, BMI und Komorbiditäten glichen. Nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 3,5 Jahren wurde bei 2.543 Patienten eine Krebserkrankung diagnostiziert. Dabei hatten die BS-Patienten ein um ein Drittel niedrigeres Risiko für alle Krebsentitäten als die Vergleichsgruppe (Hazard ratio HR 0.67; 95% KI 0.60, 0.74, P < 0.001). Bezogen auf mit Adipositas-assoziierten Krebsarten ergab sich für die BS-Patienten sogar noch ein größerer Vorteil (HR 0.59, 95% CI 0.51, 0.69, P < 0.001). Im Hinblick auf das kolorektale Karzinom war das Risiko für die BS-Patienten um etwa 40 Prozent erniedrigt (HR 0.59, 95% CI 0.36, 0.97, P = 0.04).
Noch keine Entwarnung
Heißt das nun für die BS-Patienten, dass man Entwarnung hinsichtlich des Darmkrebsrisikos geben kann? Sollte man Adipösen sogar verstärkt die bariatrische OP empfehlen? Ganz so einfach ist es offenbar nicht. Eine skandinavische Studie kommt nämlich zu einem gegensätzlichen Ergebnis (3): Von 502.772 fettleibigen Studienteilnehmern unterzogen sich 49.931 (9.9%) einer bariatrischen Operation. Insgesamt stieg das Risiko für ein Kolon-Ca nach der BS um etwa 50 % an, vor allem wenn die BS weiter als zehn Jahre zurück lag, HR 1.55 (95% CI 1.04–2.31).
Die längere Nachbeobachtungszeit bei den Skandinaviern gibt jedenfalls zu denken. Alle Autoren sind sich einig, dass noch weitere Studien folgen müssen, um das Darmkrebsrisiko nach bariatrischen Operationen abschließend zu beurteilen.