
Die Fachredaktion von Circulation, eine von der American Heart Association herausgegebene kardiologische Fachzeitschrift, hat eine Art Warnhinweis (expression of concern) bezüglich eines Abstracts veröffentlicht, das Anfang November in einem Supplement des Journals erschienen war. Im expression of concern wird bekannt gegeben, dass nach der Veröffentlichung des Abstracts, das von dem US-amerikanischen Herzchirurgen Prof. Steven Gundry verfasst worden war, Zweifel an dessen Qualität und Korrektheit aufgekommen sind. Gundry behauptet in dem Abstract, dass es nach Impfungen mit mRNA-Vakzinen zu einem Anstieg von Entzündungsmarker im Endothel und einer T-Zellinfiltration im Myokard gekommen sei, die möglicherweise das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom bei den Betroffenen erhöhen. Anlass für die erheblichen Zweifel waren neben Rechtschreibfehlern, fehlenden Daten und einer nicht vorhandenen Signifikanzanalyse, der Umstand, dass Gundry nur anekdotische Daten verwendet hatte und diese als solche nicht kenntlich gemacht hatte [1- 3].
Studie widerlegt Herzinfarkt-Gerüchte
Leider findet das wahrscheinlich unseriöse Abstract aus der angesehenen Fachzeitschrift nun in den Fake-News-Kanälen von Impfgegnern und Impfkritikern weite Verbreitung und bringt die Gerüchteküche um angebliche Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe erneut zum Brodeln. Dabei konnte eine weitere große Kohortenstudie die Befürchtung eines erhöhten Infarktrisikos bei älteren Menschen im Zusammenhang einer mRNA-Impfung widerlegen. Ein Research-Letter zur Studie wurde aktuell in JAMA veröffentlicht [4].
Zielsetzung
Evaluation des Risikos von kardiovaskulären Ereignissen bei Personen im Alter >75 Jahren nach einer Impfung mit BNT162b2 (Comirnaty) in Frankreich.
Methoden
Die populationsbasierte Studie nutzte das französische nationale Gesundheitsdatensystem, das mit dem nationalen COVID-19-Impfregister verlinkt ist. Eingeschlossen wurden die Daten von Personen im Alter von >75 Jahren, die in der Zeit vom 15. Dezember 2020 bis zum 30. April 2021 aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen, wie einem akuten Herzinfarkt, pulmonaler Embolie, hämorrhagischem oder ischämischen Schlaganfall ins Krankenhaus eingewiesen worden waren. Die Wissenschaftler führten eine selbstkontrollierten Fallserie (self-controlled case series [SCCS]) durch und verglichen das Risiko für das Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses innerhalb eines Zeitfenster von Tag 1 bis 14 nach jeder Impfdosis mit dem Risiko, außerhalb der Impfstoff-Exposition ein solches Ereignis zu erleiden (Kontrollperiode).
Ergebnisse
In Frankreich hatten bis zum 30. April 2021 3,9 Millionen Franzosen >75 Jahren eine Impfdosis und 3,2 Millionen bereits 2 Impfdosen BNT162b2 erhalten. Während des Beobachtungszeitraums kam es innerhalb der Studienpopulation (Personen >75Jahren) zu 11.113 Hospitalisierungen aufgrund eines Herzinfarkts, 17.014 aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls, 4.804 aufgrund eines hämorrhagischen Schlaganfalls und 7.221 aufgrund einer pulmonalen Embolie. In den 14 Tagen nach einer Impfung konnte kein erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis festgestellt werden.
Relative Inzidenzen in Bezug auf die Impfungen
Folgende Ergebnisse für die Relative Inzidenz (RI) der kardiovaskulären Ereignisse in Bezug auf die Impfungen wurden errechnet:
- Myokardinfarkt 1. Impfdosis: RI 0,97 (95%-Konfidenzintervall [CI] 0,88-1,06); 2. Impfdosis RI 1,04 (95% CI 0,93-1,16)
- Ischämischer Schlaganfall 1. Impfdosis: RI 0,90 (95%-CI 0,84-0,98); 2. Impfdosis: RI 0,92 (95% CI 0,84-1,02)
- Hämorrhagischen Schlaganfalls 1. Impfdosis: RI 0,90 (95%-CI 0,78-1,04); 2. Impfdosis: RI 0,97 (95% CI 0,81-1,15)
- Pulmonale Embolie 1. Impfdosis: RI 0,85 (95%-CI 0,75-0,96); 2. Impfdosis: RI 1,1 (95% CI 0,95-1,26)
Die Autoren konnten auch keine Risiko-Erhöhung feststellen, nachdem sie die Expositionsperiode in die zwei Zeitfenster Tag 1-8 und Tag 8-14 nach der Impfung aufgeteilt hatten.
Fazit
In der französischen Studie, welche die Daten von mehr als 40.000 Patienten ausgewertet hatte, konnte kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im 14-tägigen Expositionszeitraum nach einer Impfung mit Comirnaty festgestellt werden. Die aktuelle Studie konnte die Sicherheit der Impfung für Personen fortgeschrittenen Alters belegen und steht im Einklang mit vorangegangenen Studien aus den USA und Israel.