Corona: Per Fast-Track zur Zulassung

Vom Zeitpunkt der Entwicklung im Labor, über die klinische Erprobung bis hin zur Zulassung von Medikamenten vergehen häufig Jahre. Zeit, die in der derzeitigen Corona-Pandemie fehlt. Deshalb bietet die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) nun neben kostenfreier Unterstützung auch beschleunigte Zulassungsverfahren an.

Abstimmung

Normale Zulassungswege

Normalerweise können Arzneimittelzulassungen in Europa entweder individuell in dem jeweiligen Land beantragt werden, oder zentral über die EMA für alle EU-Mitglieder, Island und Norwegen zusammen. Dafür müssen Unterlagen zur Qualität, der Wirksamkeit, der Unbedenklichkeit und der Umweltverträglichkeit vorgelegt werden. Diese werden vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) in monatlichen Tagungen überprüft. Im Ausschuss sitzen Vertreter aller Mitgliedsländer. Zwei der Mitgliedsländer sind jeweilig für einen Antrag als Rapporteur bzw. Co-Rapporteur verantwortlich und bewerten die eingereichten Unterlagen. Anschließend können alle Mitgliedsländer den Antrag kommentieren, bevor er im Ausschuss diskutiert und verabschiedet wird.

Der Ausschuss gibt basierend darauf eine Empfehlung ab, ob das Arzneimittel zugelassen werden sollte oder nicht, und erstellt ein Gutachten. Die Zulassung selbst spricht die Europäische Kommission aus. Sie gilt normalerweise zunächst für fünf Jahre, kann aber verlängert werden. Die Begutachtung alleine dauert normalerweise ca. 120 Tage, das gesamte Zulassungsverfahren ca. 210 Tage. Für Coronazeiten zu lange. Deshalb hat die EMA verschiedene andere Verfahren eingeführt. [1, 2, 3]

Schnelle Verfahren

Das Rolling Review Verfahren ist eines der beschleunigten Verfahren. Es wird derzeit für das Arzneimittel Remdesivir angewendet. Im Gegensatz zum normalen Verfahren müssen nicht alle notwendigen Unterlagen bereits vollständig vorliegen, wenn der Antrag gestellt wird. In etwa zweiwöchigem Reviewzyklus begutachten die Rapporteure die eingereichten Daten und entscheiden anhand dessen, ob bereits ausreichend Materialien für eine Zulassung vorliegen. Am Ende des Zyklus wird eine Liste mit noch offenen Fragen erstellt, die im nächsten Zirkel beantwortet werden sollten. Gleichzeitig werden neu veröffentlichte oder eingereichte Daten in jedem Zyklus mit aufgenommen und überprüft. Entscheidet die EMA, dass die Daten nun vollständig sind, kann die Marktzulassung beantragt werden. Der Antrag wird dann in einem verkürzten Verfahren geprüft und gegebenenfalls zugelassen.

Nicht alle Arzneimittel werden jedoch für ein Rolling Review Verfahren zugelassen. Jede Verfahrenszulassung ist eine Einzelfallentscheidungen. Wird ein Arzneimittel nicht zugelassen, kann es aber immer noch am Accelerated Assessment teilnehmen, wenn es für COVID-19 Behandlungen oder Präventionen geeignet sein könnte. Dieses Verfahren verkürzt den Prozess zusätzlich von 210 auf maximal 150 Tage.

Auch für den für viele Anträge verpflichtenden pädiatrischen Untersuchungsplan gibt es für COVID-19 ein beschleunigtes Verfahren. Vorab vereinbarte Deadlines fallen weg, Pläne sollen auf internationaler Ebene mit anderen Behörden wie der FDA gemeinsam diskutiert werden. Auch der Compliance Check wird auf vier Tage reduziert. Die gesamte Begutachtung verkürzt sich dadurch von durchschnittlich 120 Tage auf ein Minimum von 20 Tagen.

Schneller wissenschaftlicher Rat

Neben Zulassungsempfehlungen hat die EMA auch eine unterstützende Aufgabe. Sie berät Entwickler von Arzneimitteln wissenschaftlich und produktspezifisch. Normalerweise ist dieser Service kostenpflichtig. Für Arzneimittel, mit denen COVID-19 entweder behandelt oder eine Erkrankung vorgebeugt werden könnte, ist diese Beratung derzeit kostenlos [4]. Auch gibt es keine vorab festgesetzten Deadlines für Anträge und Briefingdossiers werden flexibler gehandhabt. Normalerweise dauert der gesamte wissenschaftliche Beratungsprozess zwischen 40 und 70 Tagen. Während der Covid-19-Pandemie verspricht die EMA ihn auf 20 Tage zu verkürzen [5].

Trotz der beschleunigten Verfahren wird es dennoch dauern, bis neue Arzneimittel für den europäischen Markt durch die EMA zugelassen werden können. Für Remdesivir beispielsweise ist das Rolling Review Verfahren Ende April angelaufen, nachdem die Ergebnisse der ACTT-Studie veröffentlicht wurden und die FDA dem Wirkstoff für die USA eine Notfallzulassung erteilt hat. Es laufen jedoch auch in Europa noch mehrere klinische Studien, die in den nächsten Wochen erste Ergebnisse bringen werden. Wann in Europa mit einem Ergebnis der Begutachtung zu rechnen ist, hat die EMA noch nicht bekannt gegeben.

Autor:
Stand:
11.05.2020
Quelle:
  1. European Medicines Agency (EMA). Leaflet. 2016. Das Europäische Arzneimittelregulierungssystem – ein einheitlicher Ansatz für die Zulassung von Arzneimitteln in der Europäischen Union.
     
  2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Online. 2013. Arzneimittelzulassung
     
  3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Online. 2013. Zentralisiertes Verfahren.
     
  4. European Medicines Agency (EMA). Executive Decision. 16. März 2020.  On fee reductions for scientific advice requests on products for the prevention and/or treatment of COVID-19.
     
  5. European Medicines Agency (EMA). Pressemitteilung. 04. Mai 2020 EMA initiatives for acceleration of development support and evaluation procedures for COVID-19 treatments and vaccines.

 

 

 

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