
Hintergrund
Der Coronavirus-Stamm B.1.1.7, auch bekannt als Variant of Concern (VOC) 202012/01, wurde bereits in 73 Ländern nachgewiesen. Jetzt berichtet die britische Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) über eine weitere Veränderung. Demnach wurde in elf von rund 215.000 Genomanalysen eine zusätzliche Mutation bei der B.1.1.7-Coronavirus-Variante entdeckt [1]. Diese E484K-Mutation im Spike-Protein taucht ebenso im südafrikanischen (B.1.351) und brasilianischen (P.1) SARS-CoV-2-Stamm auf. Das deutet darauf hin, dass die Genveränderung spontan und scheinbar unabhängig von anderen Kontinenten entstanden ist, so Professor Dr. Jonathan Stoye vom Francis Crick Institute in London [2]. Noch wisse man nicht genau, wie sich die Mutation auf die ohnehin schon höheren Ansteckraten der B.1.1.7-Coronavirus-Variante oder auf die Corona-Impfstoffe auswirkt.
Mutation E484K
Die Mutation E484K betrifft die rezeptorbindende Domäne des Spike-Gens. Genauer ersetzt sie an Position 484 des Spike-Proteins die Aminosäure Glutaminsäure durch Lysin. Dies hilft dem Virus, sich einer vollständigen Erkennung des Immunsystems zu entziehen. Solche Veränderungen werden als Immun-Escape-Mutation bezeichnet. Ferner gibt es Hinweise, dass E484K die Bindungsfähigkeit von neutralisierenden Antikörpern beeinträchtigt und eine Schutzimpfung oder Antikörper-Therapie nicht mehr so gut anschlagen. Zudem kann die Mutation Menschen infizieren, die bereits an COVID-19 erkrankt waren.
Wirksamkeit der Schutzimpfung
Wie stark Mutationen und Mutationskombinationen eine COVID-19-Schutzimpfung tatsächlich beeinflussen, wird derzeit geprüft. Da bislang aber alle zugelassenen Impfstoffe polyklonale Antikörper induzieren, die an unterschiedlichen Virusarealen ansetzen, ist eine gänzlich ausbleibende Schutzwirkung nahezu auszuschließen. Mutationen an Einzelstellen würden lediglich die Wirkung des Impfstoffs abschwächen, ihn aber nicht vollständig unwirksam machen.
Ergebnisse
Laboruntersuchungen von Pfizer/Biontech haben ergeben, dass ihr Impfstoff Comirnaty auch gegen die Mutanten aus Großbritannien und Südafrika in hohem Maße wirksam ist – obschon Geimpfte gegen die südafrikanische Variante eine leicht schwächere Immunantwort ausbilden [3]. Die Vakzine von Moderna wirkt zwar sehr gut bei der britischen Variante, sei aber bei der südafrikanischen Variante etwa sechsmal weniger effizient, so der Epidemiologe Dr. Eric Feigl-Ding in einem Tweet bei Twitter. [4] Eine Studie zum Impfstoff von Novavax zeigt ebenfalls eine große Effektivitätsdivergenz. So weist die Protein-basierte COVID-19-Vakzine gegenüber klassischen SARS-CoV-2-Viren eine etwa 95%ige Wirksamkeit auf, gegenüber der südafrikanischen Variante liegt diese aber nur noch bei 50 Prozent [5].
Anpassungen der Impfstoffe
Die Wirksamkeitsverluste legen nahe, dass wohl zukünftig Impfstoffe – abhängig von bestimmten Genmutationen – angeglichen werden müssen. Bei mRNA- und DNA-Impfstoffen ließe sich das bewerkstelligen, indem man die Basensequenzen anpasst oder beide Varianten des Spike-Proteins injiziert. Möglicherweise würde auch eine Verstärkung der vorhandenen Immunantwort (Booster) ausreichen, um vor mutierten Stämmen zu schützen [6].
Wie oft bzw. in welchen Abständen eine Änderung erforderlich ist, wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Professor Dr. Paul Bieniasz, Virologe an der Rockefeller Universität in New York City, würde derzeit keinen Impfstoff aktualisieren [6]. Andere Virologen denken eher an jährliche Updates, wie es auch für saisonale Influenzaimpfstoffe üblich ist.