Neueinführung Giapreza bei Schock

Mit Giapreza (Angiotensin-II) ist zum 15. Juli 2021 ein neues Medikament zur Behandlung der refraktären Hypotonie bei Erwachsenen mit septischem oder anderem distributivem Schock auf den deutschen Markt gekommen. Das Medikament erhöht den Blutdruck durch Gefäßverengung und wird über einen zentral-venösen Zugang angewendet.

Reanimation

Was ist Giapreza und wofür wird es angewendet?

Giapreza enthält das Gewebshormon Angiotensin II, das eine Schlüsselfunktion bei der Regulation des Blutdrucks und des Wasserhaushalts über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) spielt.

Das Medikament ist für die Behandlung der refraktären Hypotonie bei Erwachsenen mit einem septischen oder anderen distributiven Schock indiziert, die trotz einer angemessenen Wiederherstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen oder anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben. Bei anderen Schockformen, wie etwa beim kardiogenen Schock, wird die Anwendung von Giapreza nicht empfohlen.

Vasodilatatorischer Schock

Schock ist ein lebensbedrohliches Syndrom, das durch eine verminderte Organdurchblutung gekennzeichnet ist, die bis zu einem irreversiblen Organversagen fortschreiten kann. Der vasodilatatorische Schock ist die häufigste Schockart und ist durch periphere Vasodilatation und verringerten Blutdruck trotz erhaltenem Herzzeitvolumen gekennzeichnet. Ein vasodilatatorischer Schock erfordert eine sofortige Behandlung zur Sicherstellung der Organperfusion durch Wiederherstellung eines angemessenen Blutdrucks, während die zugrunde liegende Ursache des Schocks identifiziert und behandelt wird.

Wenn die intravenöse Flüssigkeitsreanimation allein den Blutdruck nicht wiederherstellen kann, werden Vasopressoren verwendet. Patienten mit schwerer Vasodilatation, die trotz Anwendung hoher Dosen von Vasopressoren unter Hypotonie leiden, haben eine schlechte Prognose mit einer 30-Tage-Gesamtmortalität von über 50%. Derzeit stehen zwei Klassen von Vasopressoren zur Verfügung: Katecholamine (und andere sympathomimetische Amine) und Vasopressin. Beide Klassen haben aufgrund erheblicher toxischer Wirkungen bei hohen Dosen ein enges therapeutisches Fenster.

Wie wird Giapreza angewendet?

Giapreza sollte nur über eine kontinuierliche intravenöse Infusion unter engmaschiger Überwachung der Hämodynamik und der Durchblutung der Endorgane verabreicht werden. Es wird empfohlen, das Medikament über einen zentral-venösen Zugang zu verabreichen.

Bei der Einleitung ist es wichtig, die Reaktion des Blutdrucks engmaschig zu überwachen und die Dosis entsprechend anzupassen.

Dosierung

Die empfohlene Anfangsdosis von Giapreza beträgt 20 Nanogramm (ng)/kg pro Minute über eine kontinuierliche intravenöse Infusion.

Es ist wichtig Giapreza in der niedrigsten kompatiblen Dosis zu verabreichen, um einen angemessenen arteriellen Blutdruck und eine angemessene Gewebedurchblutung zu erzielen oder aufrecht zu erhalten. Die mittlere Behandlungsdauer betrug in klinischen Studien 48 Stunden (Bereich: 3,5 bis 168 Stunden).

Wie wirkt Giapreza?

Das Octapeptid Angiotensin II erhöht den Blutdruck durch Gefäßverengung: Die erhöhte Freisetzung von Aldosteron durch die direkte Wirkung von Angiotensin II auf die Gefäßwand wird durch Bindung an den G-Protein-gekoppelten Angiotensin-II-Rezeptor Typ 1 auf den glatten Gefäßmuskelzellen vermittelt, wodurch die Ca2+/Calmodulin-abhängige Phosphorylierung von Myosin stimuliert und eine Kontraktion des glatten Muskels verursacht wird.

In der Nebenniere stimuliert Angiotensin II die Aldosteron- und Adrenalinfreisetzung und in der Hypophyse eine Freisetzung von Vasopressin.

RAAS

Physiologisch gesehen ist Angiotensin der wichtigste Bestandteil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Die Leber bildet den Vorläufer Angiotensinogen, der von Renin in Angiotensin I gespalten wird. Aus diesem entsteht dann durch das Angiotensin Converting Enzym (ACE) durch Abspaltung von zwei Aminosäuren Angiontensin II.

Gegenanzeigen

Giapreza darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Anwendung von Giapreza sind:

  • thromboembolische Ereignisse
  • vorübergehende Hypertonie

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Giapreza zu beachten:

  • Die gleichzeitige Anwendung von Giapreza und sonstigen Vasopressoren kann eine additive Wirkung auf den mittleren arteriellen Blutdruck ausüben. Das Hinzufügen von Giapreza erfordert möglicherweise eine Dosisreduzierung der sonstigen Vasopressoren.
  • Patienten, die kürzlich Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer (ACE-Hemmer) erhalten haben, sind ggf. der Wirkung von Giapreza gegenüber sensibler und weisen ein verstärktes Ansprechen auf.
  • Patienten, die kürzlich Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB) erhalten haben, sind ggf. der Wirkung von Giapreza gegenüber weniger sensibel und weisen ein reduziertes Ansprechen auf.

Studienlage

Bei der Studie von Angiotensin II zur Behandlung eines High-Output-Schocks (ATHOS-3) handelte es sich um eine randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde, internationale, multizentrische Phase-III-Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit, in deren Rahmen 321 Erwachsene mit einem septischen Schock oder einem anderen distributiven Schock, die trotz einer Flüssigkeits- und Vasopressortherapie an Hypotonie litten, 1:1 auf Giapreza oder Placebo randomisiert wurden.

Um in die Studie aufgenommen zu werden, mussten die Patienten klinische Merkmale eines High-Output-Schocks aufweisen, der als Herzindex > 2,3 l/min/m2 oder als Summe der zentralvenösen Sauerstoffsättigung > 70% mit einem zentralen Venendruck (ZVD) > 8 mmHg definiert wurde.

Der primäre Endpunkt bestand im prozentuellen Anteil der Teilnehmer, die entweder einen mittleren arteriellen Zieldruck (MAD) ≥ 75 mmHg oder einen MAD-Anstieg ≥ 10 mmHg erzielten, ohne dass die anfängliche Vasopressortherapie nach 3 Stunden gesteigert wurde.

Ergebnisse

  • Der primäre Endpunkt wurde von 70% der zu Giapreza randomisierten Patienten im Vergleich mit 23% der mit Placebo behandelten Patienten erreicht; p<0,0001 (eine Behandlungswirkung von 47%).
  • In der mit Giapreza behandelten Gruppe betrug die mittlere Zeit bis zum Erreichen des MAD- Endpunkts fünf Minuten
  • Die Auswirkung auf den MAD wurde zumindest während der ersten drei Stunden einer intravenösen Infusion aufrechterhalten
  • Die mittlere Dosis von Giapreza betrug nach 30 Minuten 10 ng/kg/min
  • Von den 114 Respondern erhielten nach drei Stunden nur zwei (1,8%) über 80 ng/kg/min
  • Die Mortalität betrug an Tag 28 46% unter Giapreza und 54% unter Placebo (Hazard Ratio 0,78; 95% Konfidenzintervall 0,57-1,07)
Autor:
Stand:
16.07.2021
Quelle:
  1. EMA: Fachinformation Giapreza
  2. NEJM: Angiotensin II for the Treatment of Vasodilatory Shock

Abbildung:

Adapted from „Renin-Angiotensin System”, by BioRender.com (2020)


 

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige

Orphan Disease Finder

Orphan Disease Finder

Hier können Sie seltene Erkrankungen nach Symptomen suchen:

 

Seltene Krankheiten von A-Z
Schwerpunkt Seltene Erkrankungen