Kein Risikosignal für Post-Vac-Syndrom nach Corona-Impfung

Es gibt immer mehr Menschen, die nach einer Covid-19-Impfung über Beschwerden wie Erschöpfung, Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten berichten – dem sogenannten Post-Vac-Syndrom.

Müdigkeit

Hintergrund

In letzter Zeit gibt es vermehrt Berichte von Menschen, die nach einer Covid-19-Impfung Long-Covid-ähnliche Beschwerden verspüren, sagt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Diese werden als Post-Vaccine-Syndrom (Post-Vac-Syndrom) bezeichnet. Typische Beschwerden sind Müdigkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, verminderte körperliche Belastbarkeit, Schlafstörungen, Gelenk- und Kopfschmerzen. Das PEI hat sich mit dem Phänomen beschäftigt.

Gemäß dem aktuellen Sicherheitsbericht zu den Covid-19-Impfstoffen vom 7. September 2022 konnte kein Sicherheitssignal für das Post-Vac-Syndrom identifiziert werden.

Verdachtsmeldungen über Beschwerden nach Covid-19-Impfung

Das Paul-Ehrlich-Institut hat im aktuellen Sicherheitsbericht Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen seit Beginn der deutschlandweiten Impfkampagne ausgewertet. In die Auswertung flossen Daten vom 27. Dezember 2020 bis 30. Juni 2022 ein.

Im Untersuchungszeitraum wurden 182.717.880 Covid-19-Schutzimpfungen durchgeführt. 73,7 Prozent der Impfdosen entfielen auf Comirnaty (BioNTech/Pfizer), 17,1 Prozent auf Spikevax (Moderna), 7 Prozent auf Vaxzevria (AstraZeneca), 2,1 Prozent auf Jcovden (Janssen, Johnson & Johnson) und 0,1 Prozent auf Nuvaxovid (Novavax). Im selben Zeitraum gingen beim PEI insgesamt 323.684 Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen ein.

Für alle Impfstoffe zusammen lag die Melderate bei 1,8 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen bei 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Nach Booster-Impfungen waren die Melderaten für die beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax niedriger als nach der Grundimmunisierung.

Post-Vac

Lang andauernde Gesundheitsstörungen, die in unterschiedlichem Abstand zur Covid-19-Impfung auftraten, wurden als Long-Covid-ähnlich, chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome/Myalgische Enzephalomyelitis, CFS/ME), posturales Tachykardiesyndrom (POTS) oder Post-Vac bezeichnet. Eine einheitliche Definition gibt es nicht, zudem fehlten häufig wichtige klinische Informationen.

Die diagnostische Sicherheit ist deshalb nicht objektiv beurteilbar, so das PEI. Die Recherche lieferte kumulativ 472 Ereignisse im Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19. Die Mehrzahl der Meldungen bezog sich auf Comirnaty, den in Deutschland am häufigsten verwendeten Impfstoff. Die Meldungen stammen mehrheitlich von den betroffenen Patienten.

Einzelne Meldungen beinhalteten Befunde von erhöhten Autoantikörpern. Deren pathogenetische Bedeutung sei aber aufgrund der verwendeten Nachweismethoden und fehlender Vorbefunde vielfach fraglich, so der Sicherheitsbericht.

Angesichts der Spontanberichte – auch im Vergleich mit internationalen Meldungen in der Nebenwirkungsdatenbank bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) – kann das PEI kein Signal für anhaltende, mit Müdigkeit einhergehende Beschwerden nach einer Covid-19-Impfung identifizieren. Gleichwohl werden entsprechende Meldungen weiter intensiv überwacht und ggf. in Studien untersucht.

Post-Vax-Ambulanz

Betroffene können sich an das Universitätsklinikum Gießen/Marburg (UKGM) richten, die eine Post-Vax-Ambulanz eingerichtet haben. Die Spezialsprechstunde richtet sich an Personen mit langanhaltenden Beschwerden, die in zeitlichem Zusammenhang nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 aufgetreten sind, sowie an Patienten mit kardialen Symptomen nach einer Covid-19-Infektion, schreibt das UKGM.

Wer sich an die Sprechstunde der Marburger Post-Vax-Ambulanz wenden möchte, sollte eine E-Mail an post-covid-impfung.mr@uk-gm.de senden.

Myokarditis und Perikarditis

Zu den bedeutendsten, sehr seltenen schwerwiegenden Nebenwirkungen der beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax zählen Myokarditis und/oder Perikarditis. Besonders betroffen sind junge Männer und männliche Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren, speziell nach der zweiten Dosis. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung mild.

Die Patienten sprechen gut auf eine Behandlung und Ruhe an und erholen sich rasch von den initialen Symptomen. Dennoch wurden im Einzelfall schwerwiegende und letale Verläufe beobachtet.

Beim Paul-Ehrlich-Institut gingen im Untersuchungszeitraum insgesamt 1.935 Verdachtsfallmeldungen einer Myo-und/oder Perikarditis nach Comirnaty und 566 Verdachtsfallmeldungen nach Spikevax ein. Nach einer mRNA-Auffrischimpfung gab es 539 Verdachtsmeldungen einer Myo-/Perikarditis, darunter fünf Fälle nach der zweiten Booster-Impfung. Darüber hinaus liegen einzelne Berichte über eine Myokarditis und/oder Perikarditis nach Nuvaxovid vor.

Verdachtsfälle mit Todesfolge

3.023 Fälle bzw. 1% der gesamten berichteten Verdachtsfallmeldungen verliefen tödlich. Bei 120 Personen bestätigte das PEI einen „wahrscheinlichen oder möglichen ursächlichen Zusammenhang“ mit einer Covid-19-Impfung. Verglichen mit den statistisch zufällig zu erwartenden Todesfällen sah das PEI aber für keinen der fünf zugelassenen Coronaimpfstoffe ein Risikosignal.

Zyklusstörungen

Bis zum 30. September 2022 wurden dem PEI 20.795 Verdachtsmeldungen von Frauen im Alter von 12 bis 49 Jahren übermittelt, die mindestens als eine Nebenwirkung Zyklusstörung beinhaltete. Dies entspricht einer Melderate von 0,54 pro 1000 Impfungen. Von allen Verdachtsmeldungen wurde in 3.857 (18,5%) Fällen kein valides Datum der Impfung bzw. ein valides Datum des Auftretens der Beschwerden angegeben.

Demzufolge konnte nicht beurteilt werden, ob und wie viele reguläre Zyklen zwischen der Impfung und den ersten Beschwerden lagen. In den Fällen mit entsprechenden Angaben war der Abstand zwischen dem Auftreten der menstruellen Störungen und der Covid-19-Impfung sehr variabel (Minimum: Impftag, Maximum: 373 Tage nach der Impfung). Bis zum Datum der Auswertung ergab sich kein Risikosignal, schreiben die PEI-Experten.

Krampfanfälle

Krampfanfälle im Zusammenhang mit Impfungen gehören zu den Ereignissen von besonderem medizinischem Interesse (Adverse Event of Special Interest, AESI). Nach einer Impfung mit einem Covid-19-Impfstoff gingen beim Paul-Ehrlich-Institut bis zum 30. Juni 2022 insgesamt 1169 Verdachtsfallmeldungen eines Krampfanfalls ein. Bei 146 dieser Fälle war eine vorliegende Erkrankung wahrscheinlich Auslöser des Anfalls, etwa eine Sinus-/Hirnvenenthrombose, ein Hirninfarkt oder eine Enzephalitis.

Von den verbleibenden 1023 Ereignissen betrafen 741 Fälle Personen, die sich mit Comirnaty impfen ließen und 131 Fälle nach einer Impfung mit Spikevax. Dies entspricht einer Melderate von 0,5 Fällen pro 100.000 Comirnaty-Impfungen und 0,4 Fällen pro 100.000 Spikevax-Impfungen. 113 Meldungen erfolgten nach einer Impfung mit Vaxzevria und 38 Meldungen nach Impfung mit Jcovden. Dies entspricht einer Melderate von 0,9 Fällen pro 100.000 Vaxzevria- und 1 Fall pro 100.000 Jcovden-Impfungen.

576 der gemeldeten Ereignisse betrafen Frauen, 431 Männer. Bei 16 Ereignissen fehlte die Geschlechtsangabe. Das mediane Alter der betroffenen Personen lag bei 43 Jahren (Altersspanne 2 bis 107 Jahre). Bei 269 Betroffenen war eine vor der Impfung bekannte Epilepsie dokumentiert, bei 463 handelte es sich um einen ersten Anfall. Bei 291 Ereignissen lagen keine entsprechenden Informationen vor.

397 der gemeldeten Anfälle traten nach der 1. Impfdosis auf, 304 nach der 2. Impfdosis, 111 nach der 3. Impfdosis und drei nach der 4. Impfdosis. In 208 Fällen war die Impfdosis unbekannt.

Observed-versus-Expected-Analysen unter Berücksichtigung publizierter Hintergrundinzidenzen (Safety Platform for Emergency Vaccines, ACCESS) ergaben für keinen der zugelassenen Covid-19-Impfstoffe ein Risikosignal innerhalb verschiedener Zeitintervalle zwischen sieben und 42 Tagen nach der Impfung, schreibt das PEI.

Autor:
Stand:
13.09.2022
Quelle:
  1. Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Sicherheitsbericht; 07. September 2022.
  2. Universitätsklinikum Marburg/Gießen: Spezialsprechstunde Post-Vax; abgerufen am 13. September 2022.
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